Beschluss vom 05.10.2006 -
BVerwG 7 B 46.06ECLI:DE:BVerwG:2006:051006B7B46.06.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 05.10.2006 - 7 B 46.06 - [ECLI:DE:BVerwG:2006:051006B7B46.06.0]

Beschluss

BVerwG 7 B 46.06

  • VG Dresden - 08.02.2006 - AZ: VG 12 K 778/01

In der Verwaltungsstreitsache hat der 7. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 5. Oktober 2006
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Sailer
und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Krauß und Guttenberger
beschlossen:

  1. Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Verwaltungsgerichts Dresden vom 8. Februar 2006 wird zurückgewiesen.
  2. Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 500 000 € festgesetzt.

Gründe

1 Die Klägerin begehrt die Verpflichtung der Beklagten, den Erlös aus der Veräußerung des Grundstücks S.allee 47, Flurstück Nr. ... der Gemarkung D. auf der Grundlage des Investitionsvorrangbescheides vom 15. Juni 1992 in Höhe von 3 216 025 € an die Erbengemeinschaft nach Carl Ludwig Martin K. auszukehren.

2 Der Rat der Stadt Dresden erklärte am 21. April 1972 das Gebiet zwischen C.-, W.-, Co.straße, B.-Platz und S.allee zum Aufbaugebiet. Die südwestlich des B.-Platzes gelegenen, streitbefangenen Flurstücke wurden hiervon erfasst (mit deren anschließender Überführung in das Eigentum des Volkes). Im Juli 1992 veräußerte die Beklagte die von den Aufbaumaßnahmen nicht in Anspruch genommenen Flurstücke für investive Zwecke (Kaufpreis: 6 290 000 DM).

3 Die Beklagte hat die Rückübertragung der Flurstücke abgelehnt und gleichzeitig festgestellt, dass ein Anspruch auf Auskehr des Veräußerungserlöses nicht bestehe. Das Verwaltungsgericht hat die hiergegen erhobene Klage abgewiesen (Urteil vom 10. August 2000). Unter Aufhebung dieses Urteils hat das Bundesverwaltungsgericht (Beschluss vom 14. März 2001 - BVerwG 7 B 155.00 -) die Streitsache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das Verwaltungsgericht zurückverwiesen. Der Schädigungstatbestand des § 1 Abs. 3 VermG könne ohne Aufklärung, welcher Enteignungszweck mit der Inanspruchnahme verfolgt worden sei, nicht verneint werden. Weitere Unterlagen - insbesondere der Aufbau- bzw. der Bebauungsplan - hätten herangezogen werden müssen.

4 Nach Beiziehung weiterer Verwaltungsvorgänge - wobei die Beklagte einen Aufbau- bzw. Bebauungsplan nicht aufzufinden vermochte - hat das Verwaltungsgericht die Klage (nach Einvernahme eines ehemaligen Stadtarchitekten und eines ehemaligen Stadtplaners als Zeugen) erneut abgewiesen. Die Klägerin sei nicht Berechtigte im Sinne des Vermögensgesetzes, die Auskehr des Veräußerungserlöses scheide daher aus. Der Schädigungstatbestand des § 1 Abs. 3 VermG liege nicht vor. Aus vorgelegten Plänen ergebe sich, dass die Flurstücke für eine Nutzung als Parkplatz und zur Verlegung von Versorgungsleitungen in Anspruch genommen werden sollten. Der Umstand, dass der Parkplatz nicht angelegt worden sei, begründe keine unzulässige Vorratsenteignung. Das Verwaltungsgericht hat die Revision gegen sein Urteil nicht zugelassen. Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Klägerin.

5 Die Beschwerde ist unbegründet. Die geltend gemachten Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.

6 1. Es besteht keine Divergenz des angefochtenen Urteils zu den benannten Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts, § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO.

7 Das Beschwerdevorbringen genügt insoweit bereits nicht den Anforderungen des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO. Danach setzt die Divergenzrüge die Darlegung voraus, dass dem angefochtenen Urteil ein entscheidungstragender abstrakter Rechtssatz zugrunde liegt, der von einem ebensolchen entscheidungstragenden Rechtssatz der angegebenen höchstrichterlichen Entscheidung abweicht (stRspr, vgl. u.a. Beschluss vom 1. September 1997 - BVerwG 8 B 144.97 - Buchholz 406.11 § 128 BauGB Nr. 50). Derartige voneinander abweichende Rechtssätze zeigt die Beschwerde nicht auf.

8 Zudem lässt sich eine Divergenz zu den Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts vom 5. März 1998 - BVerwG 7 C 8.97 - (Buchholz 428 § 1 VermG Nr. 140) und vom 3. September 1998 - BVerwG 7 C 26.97 - (Buchholz 428 § 1 VermG Nr. 160) nicht feststellen, wonach bei Enteignungen nach dem Aufbaugesetz eine unlautere Machenschaft unter Umständen anzunehmen ist, wenn die Durchführung der Baumaßnahme von vornherein nicht konkret geplant war. Denn eben dieser Rechtsansicht schließt sich das Verwaltungsgericht an und kommt aufgrund der von ihm getroffenen Feststellungen zu dem Ergebnis, dass im Zeitpunkt der Inanspruchnahme im Jahre 1972 die Nutzung der streitbefangenen Flurstücke als Parkplatz und für die Verlegung von Versorgungsleitungen konkret geplant war. Ob mit letzterem ein Zweck verfolgt wird, der eine Inanspruchnahme nach dem Aufbaugesetz rechtfertigt, kann dahinstehen, da zumindest die Inanspruchnahme als Parkplatz einen Eigentumsentzug nach dem Aufbaugesetz trägt.

9 Das Verwaltungsgericht hat auch seiner Entscheidung die rechtliche Beurteilung des Revisionsgerichts in dem Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 14. März 2001 - BVerwG 7 B 155.00 - zugrunde gelegt (§ 144 Abs. 6 VwGO). Dieser Entscheidung kann nicht entnommen werden, dass der Nachweis eines konkreten Enteignungszweckes nur durch einen Aufbau- bzw. durch einen Bebauungsplan zu führen ist. Das Bundesverwaltungsgericht rügte vielmehr, dass den dem Verwaltungsgericht vorgelegten Plänen nicht entnommen werden konnte, welchem Zweck die enteigneten Flurstücke im Zuge der Aufbaumaßnahme zugeführt werden sollten, hierüber aber Aufbau- oder Bebauungsplan Aufschluss geben würden. Die Aussage, dass andere (inhaltlich hinreichend bestimmte) Pläne hierfür nicht ebenso dienlich sein könnten, beinhaltet diese Entscheidung nicht.

10 Weiteres, eine Divergenz des angegriffenen Urteils begründendes Vorbringen ist nicht ansatzweise den gesetzlichen Vorgaben entsprechend dargetan. Hierauf einzugehen erübrigt sich daher. Zudem richten sich die Angriffe der Beschwerde insoweit ganz überwiegend gegen die Sachverhaltswürdigung des Verwaltungsgerichts. Damit kann die Zulassung der Revision wegen Divergenz aber nicht erreicht werden, insbesondere begründen Bewertungsunterschiede keine Abweichung im Sinne des Gesetzes (stRspr, Beschluss vom 12. Dezember 1991 - BVerwG 5 B 68.91 - Buchholz 310 § 132 VwGO Nr. 302 m.w.N.).

11 2. Soweit sich die Beschwerde gegen die richterliche Überzeugungsbildung wendet (§ 108 Abs. 1 VwGO) und damit einen Verfahrensfehler im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO geltend macht, hat sie schon deswegen keinen Erfolg, weil nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts die Würdigung des Sachverhalts grundsätzlich dem materiellen Recht zuzurechnen ist. Allenfalls bei einem Verstoß gegen Denkgesetze im Rahmen der Tatsachenwürdigung kann ein Verfahrensmangel vorliegen (Urteil vom 19. Januar 1990 - BVerwG 4 C 28.89 - Buchholz 310 § 108 VwGO Nr. 225 S. 74 f., BVerwGE 84, 271). Hiervon kann vorliegend aber keine Rede sein. Die Beschwerde benennt lediglich den aus § 108 Abs. 1 VwGO hergeleiteten Grundsatz, ohne aber anhand der Begründung des Urteils nachzuweisen, dass hierbei ein aus denkgesetzlichen Gründen schlechthin unmöglicher Schluss gezogen worden ist (zu den Voraussetzungen für einen Verstoß gegen die Denkgesetze, Urteil vom 20. Oktober 1987 - BVerwG 9 C 147.86 - Buchholz 310 § 86 Abs. 3 VwGO Nr. 37 S. 4).

12 Das Urteil des Verwaltungsgerichts erweist sich auch nicht deswegen als verfahrensfehlerhaft, weil das Gericht - entgegen seiner Ankündigung gemäß § 87b VwGO vom 13. Juli 2004 - weitere Erklärungen und Beweismittel der Beklagten nach Fristablauf nicht zurückgewiesen hat. Ohne die Fragen zu vertiefen, ob eine derartige Ankündigung (wegen der in Lauf gesetzten Frist, § 56 Abs. 1 VwGO) nicht hätte zugestellt werden müssen und ob die erforderliche Belehrung in ausreichendem Maße erfolgte, kann entgegen der Beschwerde nicht davon ausgegangen werden, dass bei Anwendung des § 87b Abs. 3 VwGO gleichsam jedes weitere Vorbringen nach Fristablauf präkludiert ist. Das Gesetz räumt dem Gericht vielmehr einen Beurteilungsspielraum ein, der es ermöglicht, auch verspätetes Vorbringen noch zu berücksichtigen und hierzu gegebenenfalls weiteren Beweis zu erheben.

13 3. Die Rechtssache weist keine grundsätzliche Bedeutung im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO hinsichtlich der Frage auf, ob Grundstücke zur Verlegung von Versorgungsleitungen nach § 14 Abs. 2 Aufbaugesetz in Anspruch genommen werden konnten. Diese Frage ist zum einen nach dem irrevisiblen Recht der DDR (vgl. § 137 Abs. 1 VwGO) zu beantworten. Zum anderen ist sie nicht entscheidungserheblich, da das Verwaltungsgericht sein Urteil auf einen weiteren Zweck der aufbaurechtlichen Inanspruchnahme, nämlich die Errichtung von Parkplätzen gestützt hat. Es entspricht auch der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, dass Grundstücke in Aufbaugebieten für diesen Zweck in Anspruch genommen werden können (Beschluss vom 18. Dezember 1995 - BVerwG 7 B 287.95 - juris); gleiches ergibt sich aus § 2 der Ersten Durchführungsbestimmung zum Aufbaugesetz vom 24. Januar 1953 (GBl DDR 1953, 170).

14 4. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 i.V.m. § 52 Abs. 1 und 4 GKG.

Beschluss vom 27.10.2006 -
BVerwG 7 B 46.06ECLI:DE:BVerwG:2006:271006B7B46.06.0

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    BVerwG, Beschluss vom 27.10.2006 - 7 B 46.06 - [ECLI:DE:BVerwG:2006:271006B7B46.06.0]

Beschluss

BVerwG 7 B 46.06

  • VG Dresden - 08.02.2006 - AZ: VG 12 K 778/01

In der Verwaltungsstreitsache hat der 7. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 27. Oktober 2006
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Sailer
und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Krauß und Guttenberger
beschlossen:

  1. Der Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 5. Oktober 2006 wird wie folgt ergänzt:
  2. Die Klägerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.