Beschluss vom 05.08.2008 -
BVerwG 10 B 9.08ECLI:DE:BVerwG:2008:050808B10B9.08.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 05.08.2008 - 10 B 9.08 - [ECLI:DE:BVerwG:2008:050808B10B9.08.0]

Beschluss

BVerwG 10 B 9.08

  • OVG des Landes Sachsen-Anhalt - 24.10.2007 - AZ: OVG 3 L 303/04

In der Verwaltungsstreitsache hat der 10. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 5. August 2008
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Mallmann,
den Richter am Bundesverwaltungsgericht Richter und
die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Fricke
beschlossen:

  1. Die Beschwerde der Kläger gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Oberverwaltungsgerichts des Landes Sachsen-Anhalt vom 24. Oktober 2007 wird zurückgewiesen.
  2. Die Kläger tragen die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Gründe

1 Die Beschwerde, die sich auf die Revisionszulassungsgründe der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) und eines Verfahrensfehlers (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) stützt, hat keinen Erfolg.

2 Die Beschwerde beanstandet sinngemäß, das Berufungsgericht habe verfahrensfehlerhaft das Vorbringen der Kläger, glaubensgebundene Yeziden zu sein, nicht ausreichend zur Kenntnis genommen und eine Beweiserhebung hierzu unterlassen. Das Berufungsurteil beruhe auf dieser Verletzung des rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG), da sich sonst möglicherweise ergeben hätte, dass die Kläger wegen ihrer Zugehörigkeit zur Gruppe der Yeziden in der Türkei gefährdet wären. Damit und mit ihrem weiteren Vorbringen zeigt die Beschwerde weder den behaupteten Verfahrensverstoß noch dessen Erheblichkeit, in einer den Darlegungserfordernissen des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO entscheidenden Weise auf. Zwar hat es das Berufungsgericht als zweifelhaft angesehen, ob die Kläger tatsächlich Yeziden seien, dies aber letztlich offen gelassen. Es hat dann angenommen, dass die Kläger unter Anwendung des herabgestuften Maßstabs hinreichender Verfolgungssicherheit im Falle einer Rückkehr in die Türkei nicht einer mittelbaren Gruppenverfolgung wegen yezidischer Religionszugehörigkeit ausgesetzt und auch nicht aus „individuellen Gründen“ von politischer Verfolgung bedroht wären (UA S. 14 f., 17 ff.). Diese Feststellungen greift die Beschwerde nicht mit durchgreifenden Verfahrensrügen an.

3 Die Beschwerde hält die Frage für grundsätzlich klärungsbedürftig, „ob bei der Feststellung der Verfolgungsdichte bei einer Gruppenverfolgung die Anzahl der Gruppenmitglieder, die in absehbarer Zeit wieder in die Heimat zurückkehren wird, mit einbezogen und daher konkret bestimmt werden muss“. Das Berufungsgericht sei „irrtümlich“ davon ausgegangen, dass ein massiver Rückkehrerstrom von Yeziden in die Türkei nicht zu erwarten sei. Das Gericht habe insoweit die „falschen Wertungen“ getroffen. Es hätte nicht nur die Anzahl der bei Gericht anhängigen Widerrufsverfahren, sondern die Anzahl der Widerrufsverfahren insgesamt zugrunde legen müssen. Mit dieser Begründung macht die Beschwerde nicht ersichtlich, dass sich die aufgeworfene Frage in einem Revisionsverfahren in entscheidungserheblicher Weise stellen würde. Abgesehen davon, dass das Berufungsgericht auch die Anzahl der „anhängigen Verwaltungsverfahren“ einbezogen hat (UA S. 34), hat es angenommen, es seien keine Anhaltspunkte dafür erkennbar, dass gegenwärtig oder in absehbarer Zeit mit einem massiven Strom von Rückkehrern zu rechnen sei (UA S. 34). Die Beschwerde hat die entsprechenden Feststellungen des Berufungsgerichts nicht mit einer Verfahrensrüge angegriffen. Das Bundesverwaltungsgericht wäre daher in einem Revisionsverfahren an die tatsächlichen Feststellungen des Berufungsgerichts gebunden (§ 137 Abs. 2 VwGO).

4 Die Beschwerde hält ferner die Frage für grundsätzlich bedeutsam, „ob der türkische Staat religiösen Minderheiten den erforderlichen Schutz gegen Übergriffe seitens der moslemischen Bevölkerung bietet“. Das Berufungsgericht habe nicht geklärt, ob der türkische Staat islamistischen Bestrebungen Herr werden könne, wenn es im Rahmen einer massiven Rückkehr von Yeziden zu tätlichen Übergriffen auf religiöse Minderheiten komme. Ungeachtet dessen, dass damit keine Rechtsfrage bezeichnet wird, wie dies für eine Grundsatzrüge erforderlich ist, sondern die den Tatsachengerichten vorbehaltene Klärung der Verhältnisse in der Türkei angesprochen wird, würde sich auch diese Frage in einem Revisionsverfahren nicht stellen. Das Berufungsgericht ist, wie ausgeführt, davon ausgegangen, dass eine massive Rückkehr von Yeziden gerade nicht zu erwarten sei.

5 Im Zusammenhang mit der Frage einer Gruppenverfolgung von Yeziden in der Türkei hält es die Beschwerde schließlich für grundsätzlich klärungsbedürftig, ob bei einer „äußerst kleinen Gruppe“ zentral gesteuerte flächendeckende Exzesse erforderlich seien, um eine ausreichende Verfolgungsdichte zu begründen. Das Berufungsgericht habe die „Möglichkeit ... in Erwägung gezogen“, Yeziden in der Türkei als „äußerst kleine Gruppe“ einzuordnen, es habe allerdings keine abschließende Wertung vorgenommen. Auch insoweit macht die Beschwerde nicht ersichtlich, dass sich die aufgeworfene Frage in einem Revisionsverfahren in entscheidungserheblicher Weise stellen würde. Denn damit würde sich die aufgeworfene Frage nach dem eigenen Vorbringen der Beschwerde in einem Revisionsverfahren nicht in entscheidungserheblicher Weise stellen. Im Übrigen hat das Berufungsgericht seine Feststellung, dass sich auch bei Annahme einer „äußerst kleinen Gruppe“ kein anderes Ergebnis ergebe, nicht allein mit dem Fehlen zentral gesteuerter flächendeckender Exzesse begründet (UA S. 25 ff. Eine Zulassung der Revision ist daher auch im Hinblick auf diese Grundsatzrüge nicht gerechtfertigt.

6 Der Senat sieht von einer weiteren Begründung ab (§ 133 Abs. 5 Satz 2 Halbs. 2 VwGO).

7 Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Gerichtskosten werden gemäß § 83b AsylVfG nicht erhoben. Der Gegenstandswert ergibt sich aus § 30 RVG.