Beschluss vom 05.08.2002 -
BVerwG 8 B 48.02ECLI:DE:BVerwG:2002:050802B8B48.02.0

Beschluss

BVerwG 8 B 48.02

  • VG Cottbus - 12.12.2001 - AZ: VG 1 K 896/97

In der Verwaltungsstreitsache hat der 8. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 5. August 2002
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht
Dr. M ü l l e r und die Richter am Bundesverwaltungsgericht
K r a u ß und G o l z e
beschlossen:

  1. Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Verwaltungsgerichts Cottbus vom 12. Dezember 2001 wird zurückgewiesen.
  2. Die Klägerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen zu 1 bis 3. Die Beigeladene zu 4 trägt ihre außergerichtlichen Kosten selbst.
  3. Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 167 895,47 € (entspricht 328 375 DM) festgesetzt.

Die Beschwerde ist unbegründet. Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO, vgl. 1.). Die Abweichung des verwaltungsgerichtlichen Urteils von der in der Beschwerde bezeichneten Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts wird nicht prozessordnungsgemäß dargelegt (§ 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO); im Übrigen liegt auch keine Abweichung vor (§ 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO, vgl. 2.). Schließlich liegt kein geltend gemachter Verfahrensmangel vor, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO, vgl. 3.).
1. Grundsätzlich bedeutsam im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO ist eine Rechtssache nur dann, wenn in dem angestrebten Revisionsverfahren die Klärung einer bisher höchstrichterlich ungeklärten, in ihrer Bedeutung über den der Beschwerde zugrunde liegenden Einzelfall hinausgehenden klärungsbedürftigen Rechtsfrage des revisiblen Rechts (§ 137 Abs. 1 VwGO) zu erwarten ist. Daran fehlt es hier.
Die Beschwerde hält für grundsätzlich klärungsbedürftig die Frage, ob der Restitutionsausschluss des § 1 Abs. 8 Buchst. a VermG - insbesondere im Hinblick auf Art. 46 der Haager Landkriegsordnung - völkerrechtlich unbedenklich ist. Diese Frage wird in der bereits vorliegenden höchstrichterlichen Rechtsprechung bejaht.
Der Restitutionsausschluss gemäß § 1 Abs. 8 Buchst. a VermG verstößt weder gegen den Eigentumsschutz nach Art. 1 des Protokolls Nr. 1 zur EMRK noch gegen das Diskriminierungsverbot nach Art. 14 EMRK. Der 7. Senat des Bundesverwaltungsgerichts (vgl. Beschluss vom 15. Februar 2002 - BVerwG 7 B 81.01 -) hat hierzu ausgeführt:
"Soweit das entsprechende Vorbringen der Beschwerde auf einen vermeintlichen Verstoß gegen das Diskriminierungsverbot (Art. 14 EMRK) zielt, beruht es auf der unzutreffenden Annahme, dass die in Rede stehende Enteignung nicht der Verantwortung der sowjetischen Besatzungsmacht zuzurechnen sei. Soweit die Beschwerde mit Blick auf Art. 1 Abs. 1 Satz 1 des Ersten Zusatzprotokolls zur EMRK an eigentumsrechtliche Ansprüche anknüpft, bedarf keiner Klärung in einem Revisionsverfahren, dass diese Bestimmung keine Rückwirkung entfaltet und darum auf vor In-Kraft-Treten der EMRK und vor Ratifizierung des Protokolls durchgeführte Maßnahmen, durch die ein Eigentümer vollständig und endgültig aus seinem Eigentum verdrängt wurde, keine Anwendung findet. Im Übrigen verkennt die Beschwerde, dass nach der Rechtsprechung der Konventionsorgane ein Eigentumsschutz bei öffentlich-rechtlichen Ansprüchen nur unter besonderen Voraussetzungen, nämlich insbesondere dann in Betracht kommt, wenn der Anspruch auf einer eigenen Leistung des Anspruchsberechtigten beruht (vgl. Peukert, in: Frowein/Peukert, EMRK-Kommentar, 2. Aufl. 1996, Art. 1 des 1. ZP, Rn. 10 ff.; Gelinsky, Der Schutz des Eigentums gemäß Art. 1 des Ersten Zusatzprotokolls zur Europäischen Menschenrechtskonvention, 1996, S. 29 ff.; jeweils m.w.N.); diese Voraussetzung ist bei vermögensrechtlichen Rückübertragungsansprüchen nicht erfüllt, da sie ausschließlich der Wiedergutmachung erlittenen Unrechts dienen, ihre Wurzeln damit im Rechts- und im Sozialstaatsprinzip haben und nicht unmittelbar auf einer eigenen Leistung der Berechtigten, sondern auf staatlicher Gewährung beruhen. Davon abgesehen vernachlässigt die Beschwerde, dass die Enteignung der Rechtsvorgänger der Kläger unter der Verantwortung der sowjetischen Besatzungsmacht vorgenommen wurde, die Hoffnung auf den Fortbestand des früheren Eigentumsrechts oder auf eine Rückgabe der auf besatzungshoheitlicher Grundlage enteigneten Vermögenswerte vor der Wiedervereinigung Deutschlands keine eigentumsrechtlich relevante "berechtigte Erwartung" war und der Restitutionsausschluss im Sinne des § 1 Abs. 8 Buchst. a VermG nach wie vor durch den Zweck gerechtfertigt ist, die Sowjetunion von einem Unrechtsvorwurf freizustellen."
Dem ist der beschließende Senat gefolgt (vgl. Beschluss vom 18. April 2002 - BVerwG 8 B 9.02 - zur Veröffentlichung in Buchholz unter 428 § 1 Abs. 7 VermG vorgesehen). Diese Ausführungen stimmen überdies mit der Auffassung der Europäischen Kommission überein (vgl. EKMR, Beschluss vom 4. März 1996 - verb. Beschwerden 18890/91 u.a. - NJW 1996, 2291), die entschieden hat, dass die genannten konventionsrechtlichen Bestimmungen auf die zwischen 1945 und 1949 - also vor In-Kraft-Treten der EMRK und vor der Ratifizierung durch die Bundesrepublik Deutschland - von der sowjetischen Besatzungsmacht in ihrer Besatzungszone vorgenommenen Grundstücksenteignungen keine Anwendung finden, zumal - bei In-Kraft-Treten des Einigungsvertrages - weder "vorhandenes Eigentum" der Alteigentümer noch eine "berechtigte Hoffnung" auf Realisierung von darauf bezogenen Entschädigungsforderungen bestanden hätten.
Für Art. 46 der Haager Landkriegsordnung gilt nichts anderes (vgl. Beschluss vom 15. Februar 2002 - BVerwG 7 B 81.01 -). Auch dieser - unterstellte - Verstoß hätte keine durchsetzbaren und damit werthaltigen, vom Eigentumsschutz erfassten Rechtspositionen betroffen, in die durch § 1 Abs. 8 Buchst. a VermG hätte eingegriffen werden können (vgl. EKMR, Beschluss vom 4. März 1996, a.a.O., S. 2292; BVerfGE 94, 12 <46 f.> sowie Beschluss vom 18. April 2002 - BVerwG 8 B 9.02 - a.a.O.).
2. Der Zulassungsgrund der Divergenz (§ 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) ist nur dann hinreichend bezeichnet, wenn die Beschwerde einen inhaltlich bestimmten, die angefochtene Entscheidung tragenden abstrakten Rechtssatz benennt, mit dem die Vorinstanz einem in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts aufgestellten ebensolchen Rechtssatz in Anwendung derselben Rechtsvorschrift widersprochen hat (stRspr; vgl. u.a. Beschluss vom 1. Septem-ber 1997 - BVerwG 8 B 144.97 - Buchholz 406.11 § 128 BauGB Nr. 50 S. 7 <11>). Die Beschwerde muss also die angeblich widersprüchlichen abstrakten Rechtssätze einander gegenüberstellen. Daran fehlt es hier.
Deshalb übersieht die Beschwerde auch, dass keine Divergenz vorliegt. Das Verwaltungsgericht geht von der - von ihm ausdrücklich zitierten - Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts aus, wonach eine Enteignung durch deutsche Stellen in der sowjetischen Besatzungszone selbst dann besatzungshoheitlich ist, wenn die Rechtsgrundlagen exzessiv ausgelegt oder nach rechtsstaatlichen Grundsätzen willkürlich angewendet wurden und es an einer besatzungshoheitlichen Enteignung nur dann fehlt, wenn die Besatzungsmacht generell oder im Einzelfall eine Eignung ausdrücklich verboten hatte (vgl. VG Urteil, amtlicher Umdruck S. 10 mit Nachweisen aus der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts).
Demgegenüber verkennt die Beschwerde die vom Bundesverwaltungsgericht in seinem Urteil vom 2. März 2000 (- BVerwG 7 C 13.99 - Buchholz 428 § 1 Abs. 8 VermG Nr. 11 S. 39 <S. 42 ff.>) aufgestellten Rechtssätze. Dass auch Dritte, die einem - aufgrund eines SMAD-Befehls - enteigneten Unternehmen ein Grundstück zur Nutzung überlassen hatten, allein deswegen dieses Eigentum verlieren sollten, ist nach diesem Urteil nur anzunehmen, wenn vor Ende der Besatzungszeit speziell darauf abzielende Zugriffsmaßnahmen ergangen sind. Solche hat das Verwaltungsgericht hier festgestellt.
Die weiteren von der Beschwerde genannten Rechtssätze befassen sich ausschließlich mit der Frage, unter welchen besonderen Voraussetzungen eine erst nach Gründung der DDR vollendete Enteignung ausnahmsweise noch auf besatzungshoheitlicher Grundlage beruht. Darum geht es hier aber nicht, weil das Verwaltungsgericht von einer Enteignung in der sowjetischen Besatzungszone ausgegangen ist.
3. Schließlich liegt kein geltend gemachter Verfahrensmangel vor, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO).
a) Das Verwaltungsgericht war vorschriftsmäßig besetzt. Dies ergibt sich aus dem Beschluss des Verwaltungsgerichts vom 4. April 2002, mit dem der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision nicht abgeholfen worden ist. Dieser Beschluss ist der Klägerin zugestellt worden. Dem Beschluss kann insbesondere entnommen werden, dass der ehrenamtliche Richter Konietzny nicht übergangen worden ist, sondern nicht erreicht werden konnte. Dazu hätte die Beschwerde ggf. Stellung nehmen müssen.
b) Es kann dahinstehen, ob die geltend gemachte Verletzung der gerichtlichen Aufklärungspflicht (§ 86 Abs. 1 VwGO) prozessordnungsgemäß dargelegt wird (§ 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO). Eine Aufklärungsrüge setzt die Darlegung voraus, welche Tatsachen auf der Grundlage der materiellrechtlichen Auffassung des Verwaltungsgerichts ermittlungsbedürftig gewesen wären, welche Beweismittel zu welchen Beweisthemen zur Verfügung gestanden hätten, welches Ergebnis diese Beweisaufnahme voraussichtlich gehabt hätte, inwiefern das verwaltungsgerichtliche Urteil unter Zugrundelegung der materiellrechtlichen Auffassung des Gerichts auf der unterbliebenen Sachaufklärung beruhen kann und dass die Nichterhebung der Beweise vor dem Tatsachengericht rechtzeitig gerügt worden ist oder aufgrund welcher Anhaltspunkte sich die unterbliebene Beweisaufnahme dem Gericht hätte aufdrängen müssen. Ob die Beschwerde dem genügt, ist zweifelhaft.
Die Beschwerde rügt zum einen, obwohl das Verwaltungsgericht in den Entscheidungsgründen deutlich mache, dass die Frage der Aufnahme in die Liste B entscheidungserheblich sei, sei es der Beweisanregung in ihrem Schriftsatz vom 11. Dezember 2001 nicht nachgegangen. Dies trifft nicht zu. Vielmehr hat das Verwaltungsgericht ausdrücklich ausgeführt, aufgrund der zweifelsfreien Aufnahme des Sägewerks in die Liste A und der tatsächlichen Verdrängung aus dem Eigentum könne eine parallele Aufnahme in die Liste B an der Beurteilung nichts ändern. Deshalb sei der Beweisanregung der Klägerin nicht nachzugehen. Für das Verwaltungsgericht war die Frage also nicht entscheidungserheblich.
Weiter meint die Beschwerde, zur Klärung der Frage, ob die Rechtsvorgängerin der Klägerin in der sowjetischen Besatzungszone vollständig und endgültig aus ihren Eigentümerrechten verdrängt worden sei, habe das Verwaltungsgericht dem Beweiserbieten der Klägerin im Rahmen der Klagebegründung (Schriftsatz vom 8. November 2001) nachgehen müssen. In der Klagebegründung hatte die Klägerin die Vernehmung zweier Zeugen angeregt. Diese hätten aussagen sollen, dass die Rechtsvorgängerin der Klägerin bis in die 50er Jahre hinein streitgegenständliche Grundstücke landwirtschaftlich genutzt habe. Im Schriftsatz vom 11. Dezember 2001 und in der mündlichen Verhandlung hat die Klägerin dann diese Beweisanregung nicht wiederholt, sondern zum Beweis der Tatsache, dass Grundstücke der Rechtsvorgängerin der Klägerin bei Überführung in Eigentum des Volkes nicht beschlagnahmt gewesen seien, andere Beweise angeboten. Angesichts dessen musste es sich dem Verwaltungsgericht nicht aufdrängen, den zunächst angeregten Beweisen weiter nachzugehen. Auch hat das Verwaltungsgericht festgestellt, dass die Rechtsvorgängerin der Klägerin in den Jahren 1948 bis 1950 Teilflächen landwirtschaftlich nutzen konnte. Nach Auffassung des Verwaltungsgerichts ändert dies jedoch nichts daran, dass die Klägerin bereits vorher vollständig und endgültig aus ihrer Eigentümerstellung verdrängt worden war. Warum angesichts dessen die beiden Zeugen Entscheidungserhebliches hätten aussagen können, wird von der Beschwerde nicht dargelegt.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 und § 162 Abs. 3 VwGO. Da die Beigeladenen zu 1 bis 3 einen Antrag gestellt haben und damit ein Kostenrisiko eingegangen sind (vgl. § 154 Abs. 3 VwGO), entsprach es der Billigkeit, deren außergerichtliche Kosten der unterliegenden Partei aufzuerlegen.
Die Festsetzung des Streitwerts folgt aus den §§ 13 und 14 GKG.