Beschluss vom 05.07.2004 -
BVerwG 1 B 79.04ECLI:DE:BVerwG:2004:050704B1B79.04.0

Beschluss

BVerwG 1 B 79.04

  • VGH Baden-Württemberg - 26.02.2004 - AZ: VGH 1 S 141/03

In der Verwaltungsstreitsache hat der 1. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 5. Juli 2004
durch die Vizepräsidentin des Bundesverwaltungsgerichts E c k e r t z - H ö f e r und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. M a l l m a n n und
Prof. Dr. D ö r i g
beschlossen:

  1. Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg vom 26. Februar 2004 wird verworfen.
  2. Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
  3. Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 4 000 € festgesetzt.

Die Beschwerde ist unzulässig. Sie legt die geltend gemachten Revisionszulassungsgründe der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO), der Divergenz (§ 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) und der Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO, Art. 103 Abs. 1 GG) nicht in einer den Anforderungen des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO genügenden Weise dar.
Die Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache setzt voraus, dass eine klärungsfähige und klärungsbedürftige Frage des revisiblen Rechts aufgeworfen wird. Solch eine Frage lässt sich der Beschwerde nicht entnehmen. Die von ihr aufgeworfene Frage, wie die Regelung zur Dauerhaftigkeit eines Beschäftigungsverhältnisses und zur Kurzfristigkeit einer Beschäftigungsunterbrechung auszulegen ist, die sich in der Anordnung des Innenministeriums Baden-Württemberg nach § 32 AuslG über Regelungen für erwerbstätige Flüchtlinge aus Bosnien-Herzegowina und der Bundesrepublik Jugoslawien vom 15. Juni 2001 findet, zielt nicht auf eine Frage des revisiblen Rechts. Denn bei dem genannten Erlass handelt es sich nicht um eine Rechtsnorm, sondern um eine Verwaltungsvorschrift. Als innerdienstliche Richtlinie begründet sie nicht unmittelbar Rechte und Pflichten für den Ausländer (vgl. Urteil vom 19. September 2000 - BVerwG 1 C 19.99 - BVerwGE 112, 63; Beschluss vom 10. Juni 1994 - BVerwG 1 B 89.94 - Buchholz 402.240 § 54 AuslG 1990 Nr. 1). Solche auf der Grundlage von § 32 AuslG erlassenen Regelungen unterliegen nicht der Überprüfung durch das Revisionsgericht (vgl. Beschluss vom 14. März 1997 - BVerwG 1 B 66.97 - Buchholz 402.240 § 32 AuslG 1990 Nr. 3 = InfAuslR 1997, 302). Bei der von der Beschwerde in diesem Zusammenhang angeführten Beschlussniederschrift der Innenministerkonferenz vom 10. Mai 2001 handelt es sich offenkundig ebenfalls nicht um eine Rechtsnorm.
Soweit die Beschwerde die Zulassung einer Grundsatzrevision zur Klärung der Frage für erforderlich hält, ob es dem Gericht verwehrt ist, Anordnungen der obersten Landesbehörde nach § 32 AuslG eigenständig auszulegen, selbst wenn diese Anordnungen klar sind und aus sich heraus ausgelegt werden können (Beschwerdebegründung S. 2), zeigt sie die Klärungsbedürftigkeit dieser Frage nicht auf. Denn in der Rechtsprechung des Senats ist geklärt, dass Anordnungen nach § 32 AuslG als Willenserklärungen einer obersten Landesbehörde unter Berücksichtigung des wirklichen Willens des Erklärenden und ihrer tatsächlichen Handhabung - d.h. der vom Urheber gebilligten oder geduldeten Verwaltungspraxis - auszulegen sind (vgl. Urteil vom 19. September 2000 - BVerwG 1 C 19.99 -, a.a.O., S. 67). Das Berufungsgericht hat die Anordnung vom 15. Juni 2001 unter Bezugnahme auf diese Rechtsprechung entsprechend den eingeholten Erläuterungen der Behörde zum Inhalt der Anordnung und ihrer Umsetzung in der Verwaltungspraxis ausgelegt (UA S. 6 ff.). Das Beschwerdevorbringen macht nicht ersichtlich, dass und inwiefern aus Anlass des vorliegenden Falles weiterer Klärungsbedarf besteht. Sie verkennt offenbar die Unterschiede, die für die Auslegung von Rechtsnormen einerseits und für die Auslegung von Willenserklärungen andererseits maßgeblich sind.
Auch die in diesem Zusammenhang erhobene Divergenzrüge ist nicht ordnungsgemäß dargelegt. Die Beschwerde beanstandet, das Berufungsgericht sei vom Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 19. September 2000 - BVerwG 1 C 19.99 - (BVerwGE 112, 63) abgewichen, ohne jedoch - wie geboten - einen Rechtssatzwiderspruch aufzuzeigen (Beschwerdebegründung S. 2 f.). Den Darlegungserfordernissen des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO wird die Beschwerde schon deshalb nicht gerecht, weil sie einen divergierenden berufungsgerichtlichen Rechtssatz weder wörtlich noch unter Bezugnahme auf die Seitenzahl des angefochtenen Urteils bezeichnet. Soweit sie behauptet, das Berufungsgericht sei von dem Rechtssatz ausgegangen, dass Gericht und Ausländerbehörden "im Streitfall, ob ein Anspruchsteller die Anordnungsvoraussetzungen erfüllt, durch Rückfrage bei der obersten Landesbehörde diese Frage - für sie jeweils verbindlich - sich zu beantworten haben lassen, selbst wenn der Wortlaut der Anordnung eindeutig ist", trifft dies offenkundig nicht zu.
Die Beschwerde macht weiter eine Gehörsverletzung geltend, die in der "vom Gericht vorgenommene(n) Selbstbindung an behördliche Vorgaben" liegen soll (Beschwerdebegründung S. 3). Sie legt jedoch nicht schlüssig dar, welches klägerische Vorbringen das Berufungsgericht nicht zur Kenntnis genommen und in Erwägung gezogen hätte. Der Sache nach wendet sie sich hier im Gewande der Gehörsrüge gegen die der berufungsgerichtlichen Entscheidung zugrunde liegende Rechtsauffassung. Damit kann der behauptete Verfahrensverstoß nicht begründet werden.
Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab (§ 133 Abs. 5 Satz 2 Halbsatz 2 VwGO).
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung ergibt sich aus § 13 Abs. 1 Satz 2 GKG (a.F.) i.V.m. § 72 GKG i.d.F. des Kostenrechtsmodernisierungsgesetzes vom 5. Mai 2004 (BGBl I 718).