Beschluss vom 05.05.2006 -
BVerwG 7 B 2.06ECLI:DE:BVerwG:2006:050506B7B2.06.0

Beschluss

BVerwG 7 B 2.06

  • Schleswig-Holsteinisches OVG - 31.05.2005 - AZ: OVG 1 LB 4/05

In der Verwaltungsstreitsache hat der 7. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 5. Mai 2006
durch die Richter am Bundesverwaltungsgericht Herbert, Krauß und
Guttenberger
beschlossen:

  1. Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Schleswig-Holsteinischen Oberverwaltungsgerichts vom 31. Mai 2005 wird zurückgewiesen.
  2. Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen, die dieser selbst trägt.
  3. Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 15 000 € festgesetzt.

Gründe

1 Der Kläger wendet sich gegen die immissionsschutzrechtliche Genehmigung einer Kartbahn, die im Lauf des Klageverfahrens durch nachträgliche Anordnungen modifiziert wurde. Er ist Eigentümer eines mit einem Einfamilienhaus und einem als Ferienwohnung vermieteten Gartenhaus bebauten Grundstücks, das sich in einem im Flächennutzungsplan als allgemeines Wohngebiet dargestellten Bereich befindet und etwa 500 m von der Kartbahn entfernt ist. Das Verwaltungsgericht hat nach Einholung eines schalltechnischen Gutachtens die Klage abgewiesen. Das Oberverwaltungsgericht hat die zugelassene Berufung nach Einnahme eines Augenscheins zurückgewiesen, weil die Schutzpflicht des Betreibers der genehmigungsbedürftigen Anlage durch die Genehmigung in der Gestalt der letzten nachträglichen Anordnung nicht zu Lasten des Klägers verletzt sei; der für den als allgemeines Wohngebiet einzustufenden Bereich maßgebende Immissionsrichtwert von 55 dB(A) werde durch die nach dem Sachverständigengutachten von dem genehmigten Betrieb ausgehenden Lärmimmissionen, die nicht durch einen Messabschlag herabzusetzen seien, nicht überschritten. Das Oberverwaltungsgericht hat die Revision gegen sein Urteil nicht zugelassen. Die hiergegen gerichtete Revision des Klägers bleibt ohne Erfolg.

2 Die Revision ist nicht wegen der geltend gemachten grundsätzlichen Bedeutung zuzulassen (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO). Die von der Beschwerde aufgeworfene Frage, ob für die Bestimmung des Lärmschutzniveaus in räumlicher Hinsicht der Einwirkungsbereich der genehmigungsbedürftigen Anlage oder die im planungsrechtlichen Sinn nähere Umgebung des Immissionsorts maßgeblich ist, bedarf keiner Klärung in einem Revisionsverfahren, da sie anhand des Gesetzes und der hierzu ergangenen Rechtsprechung ohne weiteres im erstgenannten Sinn zu beantworten ist. § 3 Abs. 1 BImSchG definiert als schädliche Umwelteinwirkungen Immissionen, die nach Art, Ausmaß oder Dauer geeignet sind, Gefahren, erhebliche Nachteile oder erhebliche Belästigungen für die Allgemeinheit oder die Nachbarschaft herbeizuführen. Dabei bestimmt sich der Begriff der Nachbarschaft in räumlicher Hinsicht nach dem Einwirkungsbereich der immissionsschutzrechtlichen Anlage. Die Immissionsrichtwerte der Nr. 6 TA Lärm enthalten ebenso wie diejenigen des § 2 der Sportanlagenlärmschutzverordnung (18. BImSchV) konkrete Vorgaben für die rechtliche Beurteilung von Nutzungskonflikten, die anlagenbedingte Lärmimmissionen auf benachbarten Grundstücken hervorrufen (Beschluss vom 8. November 1994 - BVerwG 7 B 73.94 - Buchholz 406.25 § 3 BImSchG Nr. 10). Das zumutbare Lärmschutzniveau wird durch Immissionsrichtwerte konkretisiert, die je nach Schutzwürdigkeit des Gebiets im Einwirkungsbereich der Anlage abgestuft sind (Urteil vom 23. September 1999 - BVerwG 4 C 6.98 - BVerwGE 109, 314 <320>).

3 Bei Gebieten und Anlagen, für die keine planungsrechtlichen Festsetzungen bestehen, bestimmt sich das zumutbare Lärmschutzniveau entsprechend den für die Gebietsklassen gemäß Nr. 6.1 TA Lärm oder § 2 Abs. 1 18. BImSchV festgesetzten Immissionsrichtwerten. Maßgeblich hierfür ist der Gebietscharakter im Einwirkungsbereich der Anlage. Das ergibt sich aus der anlagenbezogenen Sicht des Bundes-Immissionsschutzgesetzes. Dem entspricht, dass die genannten Regelwerke auf die Schutzwürdigkeit der bauplanungsrechtlichen Nutzung im Einwirkungsbereich der Anlage abstellen. Das kommt in § 2 Abs. 6 Satz 3 18. BImSchV sinnfällig zum Ausdruck, der den Ausnahmefall regelt, dass die tatsächliche bauliche Nutzung im Einwirkungsbereich der Anlage erheblich von der festgesetzten baulichen Nutzung abweicht. Dass sich eine Vorschrift dieses Inhalts in Nr. 6.6 TA Lärm nicht findet, erklärt sich aus der Durchsetzung des grundsätzlichen Vorrangs der normativen Bestimmung der baulichen Nutzung und ändert nichts an der Maßgeblichkeit des Einwirkungsbereichs einer Anlage bei der Zuordnung des Immissionsorts entsprechend seiner Schutzbedürftigkeit (Urteil vom 12. August 1999 - BVerwG 4 CN 4.98 - BVerwGE 109, 246 <251 ff., 255>).

4 Die weitere Frage, „inwiefern durch nachträgliche Anordnungen zuvor getroffene, zum Nachbarschutz vorgesehene Nebenbestimmungen gewissermaßen konkludent aufgehoben werden können und dürfen“, würde in einem Revisionsverfahren nicht zu entscheiden sein und rechtfertigt darum nicht die Zulassung der Revision. Durch die nachträgliche Anordnung vom 1. Oktober 2003 wurden nach dem Verständnis des Oberverwaltungsgerichts die Auflagen Nr. 2.3 und 2.4 der Genehmigung vom 30. Oktober 1998 ersetzt. Die Änderung von Nebenbestimmungen einer Genehmigung kann einen Drittbetroffenen nur dann in seinen Rechten verletzen, wenn die Nebenbestimmung auch seinem Schutz dient und zu seinem Nachteil geändert worden ist. Die Klage könnte infolgedessen nicht allein deswegen Erfolg haben, weil der Beklagte möglicherweise die falsche Handlungsform gewählt hat. Dass der Kläger durch die nachträgliche Anordnung, mit der der Beklagte den Ergebnissen des im Lauf des Klageverfahrens eingeholten Sachverständigengutachtens Rechnung getragen hat, materiell in seinen Rechten verletzt wurde, macht die Beschwerde nicht geltend.

5 Die Revision ist auch nicht wegen der behaupteten Abweichung zuzulassen (§ 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO). Das Beschwerdevorbringen genügt insoweit bereits nicht den Darlegungsanforderungen des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO. Die Beschwerde behauptet zwar eine Abweichung des angegriffenen Urteils von näher bezeichneten Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts. Sie unterlässt es aber darzulegen, dass das Oberverwaltungsgericht einen abstrakten Rechtssatz aufgestellt hat, der einem ebensolchen in den bezeichneten Entscheidungen aufgestellten Rechtssatz widerspricht. Das Oberverwaltungsgericht hat weder ausdrücklich noch sinngemäß den abstrakten Rechtssatz aufgestellt, dass Unklarheiten im Erklärungswert einer behördlichen Erklärung zu Lasten des Bürgers gehen. Selbst wenn es den Rechtssatz, dass der Bürger als Empfänger einer nach ihrem objektiven Erklärungsinhalt missverständlichen Willensäußerung der Verwaltung durch deren Unklarheiten nicht benachteiligt werden darf (Urteil vom 21. April 1972 - BVerwG 7 C 80.70 - Buchholz 310 § 76 VwGO Nr. 12; Urteil vom 12. Januar 1973 - BVerwG 7 C 3.71 - BVerwGE 41, 305 <306>), fehlerhaft angewendet hätte, könnte der Rechtsanwendungsfehler die Divergenzrüge nicht begründen. Die Zulassung der Revision wegen Divergenz lässt sich nicht mit der Behauptung einer Unrichtigkeit der Entscheidung im Einzelfall begründen. Da die Divergenzrevision der Wahrung der Rechtseinheit dient, setzt ihre Zulassung eine Abweichung im Grundsätzlichen, also einen abstrakten Rechtssatzwiderspruch voraus. Einen solchen lässt das Beschwerdevorbringen nicht erkennen.

6 Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 und § 162 Abs. 3 VwGO, die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 i.V.m. § 52 Abs. 1 GKG.