Beschluss vom 05.04.2002 -
BVerwG 4 B 15.02ECLI:DE:BVerwG:2002:050402B4B15.02.0

Beschluss

BVerwG 4 B 15.02

  • OVG Rheinland-Pfalz - 04.12.2001 - AZ: OVG 6 A 10965/01

In der Verwaltungsstreitsache hat der 4. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 5. April 2002
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht
Dr. P a e t o w und die Richter am Bundesverwaltungsgericht
Prof. Dr. Dr. B e r k e m a n n und Dr. J a n n a s c h
beschlossen:

  1. Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz vom 4. Dezember 2001 wird zurückgewiesen.
  2. Die Klägerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
  3. Der Wert des Beschwerdeverfahrens wird auf 315 084 € (früher 616 250 DM) festgesetzt.

Die auf den Zulassungsgrund des § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO gestützte Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision bleibt ohne Erfolg.
Die Rechtssache hat nicht die rechtsgrundsätzliche Bedeutung, die ihr die Beschwerde beimisst.
1. Der Klägerin ist die Genehmigung zur Errichtung einer 110 kV-Freileitung in einer Gesamtlänge von ca. 6 500 m mit 23 bis zu 57 m hohen Stahlgittermasten erteilt worden. Das Oberverwaltungsgericht ist zu dem Ergebnis gelangt, neben einem nach der überspannten Fläche ermittelten Betrag sei zusätzlich für jeden Mast, der höher als 20 m ist, ein Ausgleichsbetrag anzusetzen. Rechtsgrundlage hierfür sei § 2 Nr. 2 c der Landesvorordnung über die Ausgleichszahlung nach § 5 a des Landespflegegesetzes Rheinland-Pfalz (AusglV).
Die Beschwerde wirft sinngemäss die Frage auf, ob dieses Ergebnis mit § 8 Abs. 9 BNatSchG sowie dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit vereinbar ist und ob nicht eine Begrenzung der Ausgleichszahlung im Verhältnis zu den Investitionskosten der Maßnahme zu erfolgen habe. Damit wird jedoch keine Frage des Bundesrechts aufgeworfen, die einer Klärung in einem Revisionsverfahren bedürfte. Hierfür genügt nicht die Behauptung, eine Vorschrift des als solches nicht revisiblen Landesrechts bzw. seine Auslegung durch das Oberverwaltungsgericht des Landes stehe mit einer Regelung des Bundesrechts (einschließlich des Bundesverfassungsrechts) nicht im Einklang. Vielmehr müsste dargelegt werden, dass der bundesverfassungsrechtliche Maßstab selbst einen die Zulassung der Revision rechtfertigenden Klärungsbedarf aufweist (vgl. BVerwG, Beschluss vom 9. März 1984 - BVerwG 7 B 238.81 - Buchholz 401.84 Benutzungsgebühren Nr. 49). Diesen Anforderungen wird die Beschwerde nicht gerecht.
Aus § 8 Abs. 2 und 3 BNatSchG, die die Beschwerde nicht erwähnt, ergibt sich, dass der Verursacher eines Eingriffs, wie er auch hier vorliegt, in erster Linie zum Ausgleich verpflichtet ist. Diese Verpflichtung trifft, wie ein Blick in die ständige Rechtsprechung des beschließenden Senats zeigt, auch die Träger von Anlagen, deren Errichtung im öffentlichen Interesse liegt, beispielsweise die Bundesfernstraßen. Nach § 8 Abs. 9 BNatSchG können die Länder weitergehende Vorschriften erlassen, insbesondere über Ersatzmaßnahmen der Verursacher bei nicht ausgleichbaren, aber vorrangigen Eingriffen. In welchem Rahmen die Landesgesetz- oder Verordnungsgeber diesen bundesrahmenrechtlichen Vorgaben folgen wollen, obliegt ihren Entscheidungen (vgl. den Beschluss des Senats vom 5. Oktober 1990 - BVerwG 4 B 249.89 - NVwZ-RR 1991, 118 = VBlBW 1991, 171 = Buchholz 442.40 § 9 LuftVG Nr. 6). Auf dieser Grundlage haben die Länder Regelungen zu Ersatzmaßnahmen sowie zu Ausgleichszahlungen (Ersatzleistungen) getroffen. Nähere Bestimmungen über die Höhe derartiger Ausgleichszahlungen lassen sich § 8 Abs. 9 BNatSchG unmittelbar nicht entnehmen. Hierzu trägt die Beschwerde als eine klärungsbedürftige Frage auch nichts vor.
Alle staatlichen Eingriffe und damit auch die Verpflichtung zur Leistung einer Ausgleichszahlung unterliegen dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Dies braucht nicht in einem Revisionsverfahren erneut klargestellt zu werden. Die Beschwerde verdeutlicht hierzu zwar, es sei eine Begrenzung der Ausgleichszahlung im Verhältnis zu den Investitionskosten geboten. Dem kann in dieser Allgemeinheit jedoch nicht gefolgt werden. Die naturschutzrechtlich gebotene Pflicht zur Leistung von Ausgleich und Ersatz kann sich - soweit Bundesrecht zu beachten ist - nicht nur an der Höhe der Investitionskosten orientieren. Denn vorrangiger Maßstab ist die Intensität des Eingriffs. Je stärker der Eingriff ist, desto höher sind die Anforderungen an Ausgleich und Ersatz. Auch dies entspricht dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Diesen Zusammenhang würde eine Betrachtung, die lediglich an die Höhe der Investitionskosten anknüpft, verfehlen. Auch mit Maßnahmen, die relativ geringe Kosten verursachen, kann ein sehr weitreichender Eingriff in Natur und Landschaft (§ 8 Abs. 1 BNatSchG) verbunden sein. Dementsprechend stellt der rheinland-pfälzische Landesgesetzgeber in § 5 a Abs. 1 LPflG für die Bemessung der Ausgleichszahlung sowohl auf die "Dauer und Schwere des Eingriffs" als auch auf "Wert oder Vorteil für den Verursacher" ab. Bei der Errichtung von Leitungen, die letztlich einem übergeordneten Verbund dienen, stellt sich überdies die Frage, ob der mit ihnen angestrebte, das Investitionsvolumen der Leitung häufig übersteigende, wirtschaftliche Nutzen ebenfalls in die Betrachtung einbezogen werden kann. Insoweit käme es jedoch auf die jeweiligen Besonderheiten des Einzelfalls an. Weitergehende Fragen des Bundesrechts, die einer grundsätzlichen Klärung zugänglich wären, wirft die Beschwerde hierzu nicht auf.
2. Nach § 4 Abs. 2 AusglV kann die Ausgleichszahlung u.a. bei Vorhaben, die ausschließlich oder überwiegend dem öffentlichen Interesse dienen, bis zur Hälfte der Untergrenze der Rahmensätze ermäßigt werden. Das Oberverwaltungsgericht hat die Anwendbarkeit dieser Regelung mit der Begründung verneint, vorliegend stehe das öffentliche Interesse zur Errichtung der Freileitung nicht im Vordergrund der Entscheidung. Soweit das Gericht dabei an konkrete Umstände des Einzelfalls anknüpft, kommt eine Zulassung der Revision von vornherein nicht in Betracht. Aber auch soweit die Beschwerde unter Hinweis auf § 12 EnWG das öffentliche Interesse an der Errichtung von Anlagen der Energiewirtschaft betont, führt dies nicht zu einer Frage des Bundesrechts, die grundsätzlicher Klärung bedürfte. Das Oberverwaltungsgericht hat in erster Linie die Regelungen in der AusglV, also Landesrecht, ausgelegt und angewendet. Bundesrecht gebietet nicht, Träger von Anlagen, die im öffentlichen Interesse errichtet werden, von der Ausgleichs- und Ersatzpflicht auszunehmen oder diese Pflicht zu deren Gunsten einzuschränken. Weitergehende Fragen des Bundesrechts, die einer Klärung in einem Revisionsverfahren zugänglich wären, wirft die Beschwerde hierzu nicht auf. Dies gilt auch, soweit sie Art. 14 und 3 GG erwähnt.
Die Kostenentscheidung folgt § 154 Abs. 2 VwGO; die Festsetzung des Streitwertes beruht auf § 13 Abs. 2 GKG, wobei vorliegend lediglich der im Beschwerdeverfahren streitig gebliebene Anteil heranzuziehen war.