Beschluss vom 05.02.2009 -
BVerwG 6 B 4.09ECLI:DE:BVerwG:2009:050209B6B4.09.0

Beschluss

BVerwG 6 B 4.09

  • OVG Berlin-Brandenburg - 20.11.2008 - AZ: OVG 1 B 5.06

In der Verwaltungsstreitsache hat der 6. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 5. Februar 2009
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Bardenhewer und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Vormeier
und Dr. Möller
beschlossen:

  1. Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg vom 20. November 2008 wird zurückgewiesen.
  2. Die Klägerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
  3. Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 10 000 € festgesetzt.

Gründe

1 Die allein auf den Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO gestützte Beschwerde hat keinen Erfolg.

2 Grundsätzliche Bedeutung kommt einer Rechtssache nur zu, wenn sie eine für die erstrebte Revisionsentscheidung erhebliche Frage des revisiblen Rechts aufwirft, die im Interesse der Einheit oder der Fortbildung des Rechts revisionsgerichtlicher Klärung bedarf. Das Darlegungserfordernis des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO verlangt die Bezeichnung einer konkreten Rechtsfrage, die für die Revisionsentscheidung erheblich sein wird, und einen Hinweis auf den Grund, den ihre Anerkennung als grundsätzlich bedeutsam rechtfertigen soll (vgl. Beschluss vom 19. August 1997 - BVerwG 7 B 261.97 - Buchholz 310 § 133 <n.F.> VwGO Nr. 26 S. 14 m.w.N.). Daran gemessen führt die von der Klägerin aufgeworfene und von ihr als rechtsgrundsätzlich angesehene Frage nicht zur Zulassung der Revision.

3 Die Klägerin hält es für eine Frage von rechtsgrundsätzlicher Bedeutung, „ob höchste Mandatsträger der Verwaltung, die eine Versammlung rechtlich zu betreuen haben, in ihrem Grundrecht auf Meinungsfreiheit eingeschränkt sind mit der Folge, dass sich Beklagte im Rahmen von Fortsetzungsfeststellungsklagen ggf. nicht auf Notstandslagen für ihre Maßnahmen berufen können“. Diese Frage rechtfertigt die Zulassung der Revision nicht.

4 In dem angefochtenen Urteil wird dargelegt, dass die Untersagung des angemeldeten und bestätigten Aufzugs der Klägerin gemäß § 15 VersG i.V.m. § 16 Abs. 1 ASOG Bln rechtmäßig gewesen sei. Mit der Blockade der vorgesehenen Wegstrecke durch ca. 3 500 Versammlungsgegner sei eine gegenwärtige und erhebliche Gefahr für die öffentliche Sicherheit entstanden. Obwohl die Klägerin für die Gefahr nicht verantwortlich gewesen sei, habe sie von der Polizei zur Gefahrenabwehr in Anspruch genommen werden dürfen, weil ein polizeilicher Notstand vorgelegen habe. Die Blockade hätte nur mit körperlicher Gewalt und deren Hilfsmitteln (Einsatz von Wasserwerfern, Abdrängen mit Fahrzeugen) gebrochen werden können, was mit Gefahren für Leib und Leben sowie für bedeutende Sachgüter verbunden gewesen wäre. Vor allem im Brückenbereich sei das Ausbrechen einer allgemeinen Panik zu befürchten gewesen. Unter diesen Umständen habe die Klägerin ein Einschreiten gegen die blockierende Menschenmenge zur Durchsetzung ihres Versammlungsrechts nicht verlangen können. Abschließend heißt es in dem Urteil des Oberverwaltungsgerichts, öffentliche Äußerungen von Politikern zu der Versammlung der Klägerin hätten die Grenzen des rechtlich Zulässigen nicht überschritten. Auch wenn sie als Ermunterung hätten verstanden werden können, sich dem Aufzug in den Weg zu stellen, seien ihre möglichen Folgen wegen der Entschließungsfreiheit des einzelnen Bürgers dem Beklagten nicht zuzurechnen.

5 Die von der Klägerin im Anschluss an die abschließenden Ausführungen des Oberverwaltungsgerichts aufgeworfene Rechtsproblematik bedarf nicht der Erörterung in einem Revisionsverfahren, weil sie für die Entscheidung des Rechtsstreits nicht erheblich ist. Insbesondere bedarf nicht der Klärung, welche Grenzen den verantwortlichen Politikern der Beklagten (Innensenator, Regierender Bürgermeister) bei ihren Äußerungen zu der Versammlung der Klägerin durch Art. 8 GG gesetzt waren. Denn selbst wenn zugunsten der Klägerin angenommen wird, dass die Äußerungen, deren Wortlaut und Begleitumstände das Oberverwaltungsgericht nicht festgestellt hat, dem Beklagten zurechenbar sind und wegen der Schutzwirkungen des Grundrechts der Klägerin auf Versammlungsfreiheit dieses Grundrecht verletzten, folgt daraus nicht, dass auch die polizeiliche Untersagung der Versammlung rechtswidrig war. Das Oberverwaltungsgericht hat die Untersagungsverfügung im Wesentlichen mit der Begründung für rechtmäßig gehalten, durch die Blockade sei eine Notstandslage entstanden, die die Polizei ausnahmsweise zum Einschreiten gegen die Klägerin berechtigt habe. Diese Annahme wird durch etwaige rechtswidrige Äußerungen von verantwortlichen Politikern des Beklagten im Vorfeld der Versammlung, auch wenn diese zur Entstehung der Notstandslage beigetragen haben sollten, nicht in Frage gestellt. Denn die Polizei musste auf die eingetretene Lage ohne Rücksicht auf deren Ursachen in geeigneter Weise reagieren. Das Freikämpfen des Wegs verbot sich wegen der damit verbundenen Gefahren für Leib und Leben von Versammlungsgegnern, Passanten und Polizeibeamten. Vorangegangene rechtswidrige Äußerungen von Politikern hätten daran nichts geändert. Namentlich hätte die Klägerin nicht im Hinblick auf die Äußerungen verlangen können, dass ihr der Weg um jeden Preis freigekämpft wurde. In Betracht gekommen wären stattdessen nur Ansprüche auf Unterlassung der Äußerungen und/oder auf Rückgängigmachung ihrer unmittelbaren Folgen in Gestalt eines Widerrufs (vgl. Urteil vom 23. Mai 1989 - BVerwG 7 C 2.87 - BVerwGE 82, 76 <77 f., 94 f.> = Buchholz 11 Art. 4 GG Nr. 45; ferner Beschluss vom 3. Juli 2007 - BVerwG 9 B 9.07 - Buchholz 310 § 113 Abs. 1 VwGO Nr. 27). Allerdings hätten sich diese Ansprüche ggf. spätestens mit der Untersagung der Versammlung erledigt. Der Klägerin hätte es indes freigestanden, auch die Äußerungen als solche zum Gegenstand ihrer nachträglichen Feststellungsklage zu machen, wenn sie sich hiervon Erfolg versprach.

6 Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Die Festsetzung des Wertes des Streitgegenstandes findet seine Grundlage in § 39 Abs. 1, § 47 Abs. 1 i.V.m. § 52 Abs. 2 GKG.