Beschluss vom 05.02.2009 -
BVerwG 2 B 61.08ECLI:DE:BVerwG:2009:050209B2B61.08.0

Beschluss

BVerwG 2 B 61.08

  • OVG für das Land Nordrhein-Westfalen - 04.06.2008 - AZ: OVG 1 A 4629/06

In der Verwaltungsstreitsache hat der 2. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 5. Februar 2009
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Herbert
und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Groepper und Dr. Burmeister
beschlossen:

  1. Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 4. Juni 2008 wird zurückgewiesen.
  2. Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
  3. Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf die Wertstufe bis 50 000 € festgesetzt.

Gründe

1 Die auf die grundsätzliche Bedeutung der Sache und auf Verfahrensfehler (Zulassungsgründe nach § 132 Abs. 2 Nr. 1 und 3 VwGO) gestützte Beschwerde ist unbegründet.

2 Der Kläger wehrt sich dagegen, dass seine Versorgungsbezüge im Hinblick auf Zahlungen zum Ruhen gebracht worden sind, die ihm in seiner Eigenschaft als Geschäftsführer des privaten Vereins Semper talis Bund e.V. und des von Rohdich'schen Legatenfonds (vRLF), einer Stiftung des öffentlichen Rechts, zugeflossen sind. Der vRLF war 1951 durch Verfügung des Magistrats von Groß-Berlin aufgehoben worden, doch hatte das Bundesministerium der Verteidigung als zuständige Stiftungsaufsicht in einem unanfechtbar gewordenen Feststellungsbescheid vom 2. Mai 1994 festgestellt, dass der vRLF 1951 nicht wirksam aufgehoben worden sei und als öffentlich-rechtliche Stiftung des Bundes fortexistiere. Die Klage des Klägers gegen die rückwirkende Änderung seiner Versorgungsbezüge ist in beiden Rechtszügen erfolglos geblieben.

3 Vor diesem Hintergrund wirft der Kläger als rechtsgrundsätzlich klärungsbedürftig die Frage auf,
ob die Begründung der Nichtigkeit einer Verwaltungsentscheidung aus der DDR unter Heranziehung des erst ab dem Beitritt im Jahre 1990 Anwendung findenden § 44 VwVfG einen nichtigkeitsbegründenden, offensichtlichen und schwerwiegenden Fehler im Sinne des § 44 VwVfG darstellt.

4 Diese Frage bedarf keiner Klärung, weil die angefochtene Entscheidung auf ihr nicht allein beruht. Das Berufungsgericht hat zwar seine Auffassung, die Aufhebung des vRLF im Jahre 1951 sei nichtig gewesen, maßgeblich auf die Bestandskraft des feststellenden Verwaltungsakts des Bundesministeriums der Verteidigung vom 2. Mai 1994 gestützt, der diese Nichtigkeit angenommen hat; es hat dabei jedoch in Rechnung gestellt, dass das Ministerium seiner Entscheidung möglicherweise zu Unrecht Maßstäbe des Verwaltungsverfahrensgesetzes des Bundes zugrunde gelegt hat. Deshalb hat das Berufungsgericht - selbstständig tragend - festgestellt, dass die Aufhebungsentscheidung des Jahres 1951 auch bei Anwendung des damals geltenden Verwaltungsverfahrensrechts der DDR nichtig gewesen wäre (UA S. 22/23). Indem die Beschwerde diese Auffassung des Berufungsgerichts als irrig bekämpft, legt sie keine rechtsgrundsätzlich klärungsbedürftige Frage dar. Mit Recht hat das Berufungsgericht darauf hingewiesen, dass es bei der Beurteilung dieser Rechtsfrage nicht auf die vermögensrechtliche Auffassung ankommt, die das Verwaltungsgericht Berlin anlässlich eines ebenfalls den vRLF betreffenden Rückübertragungsstreits vertreten hat (Urteil vom 24. Mai 2006 - 29 A 214.01 - juris; vgl. hierzu BVerwG, Beschluss vom 24. August 2006 - BVerwG 7 B 62.06 - juris).

5 Soweit die Beschwerde in diesem Zusammenhang als Aufklärungsmangel rügt, das Berufungsgericht habe den Sachverhalt unzureichend aufgeklärt, indem es zu Unrecht die Zuständigkeit des Bundesministeriums der Verteidigung zum Erlass des Feststellungsbescheids bejaht habe, macht sie keinen Verfahrensfehler geltend, sondern beanstandet die Anwendung materiellen Rechts. Ob das Berufungsgericht seine Pflicht zur Sachaufklärung verletzt hat, bestimmt sich allein nach dessen materiellrechtlicher Auffassung. Nach der Rechtsauffassung des Berufungsgerichts bedurfte die Zuständigkeitsfrage keiner Aufklärung in tatsächlicher Hinsicht.

6 Weiterhin hält die Beschwerde für klärungsbedürftig,
inwieweit bei einer vertraglich und satzungsrechtlich verankerten Verwaltung einer Organisation durch eine andere Organisation, wobei beide Tätigkeiten einheitlich vergütet werden sollen, zulässigerweise lediglich aufgrund der Umstände der vertraglichen Niederlegung von einer Tätigkeit allein für die verwaltete Organisation ausgegangen werden kann.

7 Auch diese Frage führt nicht zur Zulassung der Revision. Sie betrifft im Kern keine Rechtsfrage, sondern greift die Tatsachenwertung und die Vertragsauslegung an, aus denen das Berufungsgericht die Schlussfolgerung gezogen hat, der Kläger habe sein Verwendungseinkommen ausschließlich für seine Tätigkeit für den vRLF und nicht für den privatrechtlich organisierten Semper talis Bund e.V. bezogen. Schon im Hinblick auf ihre fallbezogene Formulierung lässt sich die Frage nicht verallgemeinern und entsprechend fallübergreifend beantworten. Aus demselben Grunde ist auch die weitere Frage nicht klärungsbedürftig,
inwieweit die höchstrichterliche Rechtsprechung, wonach Tätigkeiten für zwei Arbeitgeber nur dann teilbar sind, wenn das Entgelt zu gleichen Teilen von beiden aufgebracht wird, im Falle einer gemeinsamen Kontoverwaltung sowie gemeinsamen Eigentums am (Stiftungs-)Vermögen zu modifizieren ist.

8 Der in diesem Zusammenhang geltend gemachte Verfahrensfehler mangelhafter Aufklärung zum Umfang der Tätigkeit des Klägers zugunsten des Semper talis Bundes e.V. liegt ebenfalls nicht vor. Das Berufungsgericht hat aus den ihm vorgelegten Verträgen und ihrer Entstehungsgeschichte verfahrensfehlerfrei die Überzeugung gewonnen, dass der Kläger spätestens seit 1995 nur noch als hauptamtlicher Geschäftsführer des vRLF tätig war und bezahlt wurde und dem Semper talis Bund e.V. von diesem Zeitpunkt an die Verwaltung des vRLF rechtlich nicht mehr zustand. Hieraus hat das Berufungsgericht in rechtlich nicht zu beanstandender Weise geschlossen, dass der Kläger für den Verein praktisch nicht mehr tätig geworden ist und seine ganze Tätigkeit nur dem vRLF gewidmet hat. Was das Berufungsgericht in diesem Zusammenhang in tatsächlicher Hinsicht weiter hätte aufklären können und müssen, legt die Beschwerde nicht dar.

9 Ohne Erfolg bezeichnet die Beschwerde als klärungsbedürftige Rechtsfrage,
welche Voraussetzungen eine Institution wie der vRLF erfüllen müsse, um sich mit finanziellen Forderungen an den Bund wenden zu können.

10 Mit dieser Frage zielt die Beschwerde auf die Möglichkeit eines Mittelaustauschs zwischen Körperschaften des öffentlichen Rechts, der dem Gedanken der Vermeidung einer Doppelversorgung aus öffentlichen Mitteln zugrunde liegt. Die Frage bedarf indessen keiner Klärung in einem Revisionsverfahren. Das Berufungsgericht hat zutreffend dargelegt, dass sie bereits höchstrichterlich geklärt ist. Es entspricht der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, dass es für die Anwendung der Ruhensvorschriften genügt festzustellen, dass das Verwendungseinkommen von einer Körperschaft des öffentlichen Rechts bezogen wird. Der Gesichtspunkt, eine Doppelversorgung aus öffentlichen Mitteln zu vermeiden, steht zwar als gesetzgeberischer Zweck hinter dieser Regelung, doch bedarf es nicht jeweils der Feststellung, ob zwischen den in Betracht zu ziehenden öffentlich-rechtlichen Körperschaften ein Mittelaustausch tatsächlich stattgefunden hat oder zumindest mit Wahrscheinlichkeit zu erwarten ist. Nur dann, wenn ohne weitere Feststellungen eindeutig erkennbar ist, dass ein Austausch öffentlicher Mittel nicht möglich ist, kommt in Betracht, eine Tätigkeit für eine Körperschaft des öffentlichen Rechts nicht als öffentlichen Dienst anzusehen. Eine andere Auslegung würde den Grundsätzen der Rechtssicherheit und der Praktikabilität widersprechen, denn ansonsten müsste in jedem Wirtschaftsjahr, womöglich in jedem Monat, geprüft werden, aus welcher Quelle die Mittel stammen (vgl. zum Ganzen: Urteile vom 10. März 1965 - BVerwG 6 C 3.63 - Buchholz 232 § 160 BBG Nr. 6 S. 10, vom 29. Mai 1980 - BVerwG 6 C 43.78 - Buchholz 232.5 § 53 BeamtVG Nr. 2 S. 5, vom 23. Oktober 1985 - BVerwG 6 C 86.83 - BVerwGE 72, 174 <180 f.> = Buchholz 238.41 § 53 SVG Nr. 6 S. 19), vom 3. Februar 1988 - BVerwG 6 C 52.85 - Buchholz 239.2 § 53 SVG Nr. 7 S. 2 und vom 26. Juni 2008 - BVerwG 2 C 32.06 - ZBR 2009, 52).

11 Aus diesem Grunde ist auch der verfahrensrechtlichen Rüge nicht nachzugehen, das Berufungsgericht hätte das Bundesministerium der Finanzen beiladen müssen, um sich von ihm Aufschluss über das Nichtbestehen der Möglichkeiten geben zu lassen, den vRLF aus Bundesmitteln zu fördern. Auf der Grundlage der Rechtsauffassung des Berufungsgerichts, dass der vRLF als Stiftung des öffentlichen Rechts fortexistiert, kam es auf die Rechtsauffassung des Finanzministeriums nicht an.

12 Weiterhin hält die Beschwerde für klärungsbedürftig,
inwieweit die von einem privaten Investor zur Verfügung gestellte Liquiditätsvorsorge als öffentlichrechtliches Stiftungsvermögen zu definieren ist.

13 Auf die Beantwortung dieser - ohnehin einzelfallbezogenen und nicht verallgemeinerungsfähigen - Frage kommt es nicht an. Es bedarf keines Revisionsverfahrens, um zu klären, dass § 53 SVG auch dann anwendbar ist, wenn die dem Versorgungsempfänger von einer Stiftung des öffentlichen Rechts zugewandten Mittel nicht aus dem Stiftungsvermögen, sondern aus sonstigen der Stiftung zur Verfügung stehenden Mitteln stammen. Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts hatte der vRLF die Mittel des Privatinvestors zu dem Zweck erhalten, die Zahlungsverpflichtungen der Stiftung hinsichtlich der bereits entstandenen und noch anfallenden Gerichts- und Rechtsanwaltsgebühren zu begleichen und die sonstigen mit der Durchsetzung ihrer vermögensrechtlichen Ansprüche verbundenen Verwaltungskosten einschließlich der Kosten für den hauptamtlichen Geschäftsführer - den Kläger - abzudecken (UA S. 8). Ob die „Liquiditätsvorsorge“ zum Stiftungsvermögen gehörte oder nicht und ob ihre vorgesehene Verwendung dem Stiftungszweck entsprach oder nicht, ist danach ohne Belang. Es kann jedenfalls nicht zweifelhaft sein, dass die Mittel der Stiftung zur Verfügung standen, um dem Kläger die Vergütung für seine Geschäftsführertätigkeit zu zahlen, und dass die Zahlungen damit solche der Stiftung waren.

14 Die weitere Frage,
inwieweit ein mangelnder Hinweis auf eine mehrfach zum Ausdruck gekommene und nach Ansicht der jeweiligen Behörde (hier das BMVg) unzutreffende Rechtsansicht Vertrauensschutz gegenüber einer anderen Behörde (hier der Wehrbereichsverwaltung) begründen kann,

15 kann ebenfalls nicht zur Zulassung der Revision führen. Der Sache nach beanstandet der Kläger, dass seine Versorgungsbezüge rückwirkend geändert worden sind und dass ihm Vertrauensschutz versagt worden ist, weil er über sein Verwendungseinkommen nicht die für die Festsetzung seiner Versorgungsbezüge zuständige Behörde, sondern das Bundesministerium der Verteidigung als Stiftungsaufsicht informiert hat. Vor diesem Hintergrund betrifft die aufgeworfene Frage die konkreten Umstände des Einzelfalls, entbehrt jedoch eines verallgemeinerungsfähigen Inhalts.

16 Schließlich ist auch die Frage nicht klärungsbedürftig,
inwieweit die Ruhensregelung des § 53 SVG als solche, insbesondere aber die hier u.a. auch maßgebliche Regelung bis zum 1. Januar 1999, nach der nicht einmal ein Mindestselbstbehalt in Höhe von 20 % zu beachten war, mit Verfassungsrecht, insbesondere mit dem Alimentationsprinzip und mit der Eigentumsfreiheit vereinbar ist, bzw. inwieweit dieser Selbstbehalt im Sinne einer erweiternden Auslegung auch auf Zeiträume der vor dem 1. Januar 1999 in Kraft getretenen Fassung anzuwenden ist.

17 Dass die Anrechung von Erwerbseinkommen aus einer Tätigkeit im öffentlichen Dienst mit oder ohne Mindestbelassung mit Verfassungsrecht vereinbar ist, ist in der Rechtsprechung des Senats seit langem geklärt (vgl. z.B. Urteile vom 10. März 1987 - BVerwG 2 C 21.85 - Buchholz 239.1 § 53 BeamtVG Nr. 6 S. 2 ff. m.w.N. und vom 21. September 2006 - BVerwG 2 C 22.05 - Buchholz 239.1 § 53 BeamtVG Nr. 15, Rn. 20 ff.). Die Beschwerde zeigt keine Gesichtspunkte auf, die zu einer erneuten Erörterung dieser Frage in einem Revisionsurteil Anlass geben könnten.

18 Die Nebenentscheidungen folgen aus § 154 Abs. 2 VwGO und § 52 Abs. 1 GKG.