Beschluss vom 04.11.2002 -
BVerwG 1 B 300.02ECLI:DE:BVerwG:2002:041102B1B300.02.0

Beschluss

BVerwG 1 B 300.02

  • Schleswig-Holsteinisches OVG - 25.06.2002 - AZ: OVG 4 L 95/02

In der Verwaltungsstreitsache hat der 1. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 4. November 2002
durch die Vizepräsidentin des Bundesverwaltungsgerichts
E c k e r t z - H ö f e r und die Richter am Bundes-verwaltungsgericht Dr. M a l l m a n n und R i c h t e r
beschlossen:

  1. Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Schleswig-Holsteinischen Oberverwaltungsgerichts vom 25. Juni 2002 wird verworfen.
  2. Der Antrag der Klägerin auf "Herstellung der aufschiebenden Wirkung des Rechtsmittels" wird abgewiesen.
  3. Die Klägerin trägt die Kosten des Beschwerde- und des vorläufigen Rechtsschutzverfahrens jeweils mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen, die dieser selbst trägt.
  4. Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 4 000 €, für das vorläufige Rechtsschutzverfahren auf 2 000 € festgesetzt.

Die Beschwerde ist unzulässig. Sie genügt nicht den Darlegungsanforderungen des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO.
Die Beschwerde beruft sich allein auf den Revisionszulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO. Eine Rechtssache hat eine solche Bedeutung nur, wenn sie eine Rechtsfrage aufwirft, die im Interesse der Einheit oder der Fortbildung des Rechts revisionsgerichtlicher Klärung bedarf. Das Darlegungserfordernis des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO verlangt die Bezeichnung einer für die Revisionsentscheidung erheblichen Rechtsfrage und einen Hinweis auf den Grund, der die Anerkennung als grundsätzlich bedeutsam rechtfertigen soll. Die Beschwerdebegründung muss daher erläutern, dass und inwiefern die Revisionsentscheidung zur Klärung einer in verallgemeinerungsfähiger Weise zu beantwortenden, bisher revisionsgerichtlich nicht entschiedenen Rechtsfrage führen kann. Diesen Voraussetzungen entspricht die Beschwerdebegründung nicht.
Die Beschwerde wendet sich gegen die Auffassung des Berufungsgerichts, das dem Niederlassungsabkommen zwischen dem Deutschen Reich und dem Kaiserreich Persien vom 17. Februar 1929 - NAK - zu entnehmende Wohlwollensgebot habe lediglich zur Folge, dass solches Wohlwollen bei der Anwendung der derzeit in Kraft befindlichen ausländerrechtlichen Regelungen zu beachten sei, nicht aber, dass die Behörde sich im Einzelfall vom ausdrücklichen Inhalt der gesetzlichen Bestimmungen - hier des § 28 Abs. 3 AuslG, insbesondere dessen Satz 1 - lösen und eine schlichte Interessenabwägung anstellen könne. Die Beschwerde macht geltend, diese Auffassung verstoße gegen Geist, Inhalt und Text des Niederlassungsabkommens und sei daher vom Revisionsgericht, das sich insoweit bisher auch nicht geäußert habe, zu überprüfen. Die Ausländerbehörde habe mit Rücksicht auf den völkerrechtlichen Vertrag ein "Ermessen im Sinne des Vertrages" auszuüben.
Dieses und das weitere Beschwerdevorbringen verleiht der Beschwerde keine grundsätzliche Bedeutung. In der Beschwerdebegründungsschrift wird die - sich aus Rechtsgründen ergebende - Klärungsbedürftigkeit der angesprochenen Problematik nicht entsprechend den erläuterten Anforderungen hinreichend konkret herausgearbeitet. Die Beschwerde setzt sich namentlich nicht mit der - vom Berufungsgericht teilweise zitierten - höchstrichterlichen Rechtsprechung zur Frage der aufenthaltsrechtlichen Bedeutung des Deutsch-Iranischen Niederlassungsabkommens auseinander. In der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist geklärt, dass iranischen Staatsangehörigen der aufenthaltsrechtliche Schutz des Art. 1 Abs. 1 und 2 NAK nicht zur Seite steht, wenn sie als Einwanderer anzusehen sind und ihnen die Aufenthaltserlaubnis in Anwendung von Vorschriften versagt wird, die auch die Einwanderung in die Bundesrepublik Deutschland regeln (vgl. Urteil vom 4. Oktober 1988 - BVerwG 1 C 1.88 - Buchholz 402.24 § 7 AuslG Nr. 31 = InfAuslR 1989, 37 m.w.N. zum Vorbehalt zugunsten der nationalen Einwanderungsbestimmungen in Art. 1 Abs. 3 NAK). Um eine derartige auch die Einwanderung regelnde Vorschrift handelt es sich bei § 28 Abs. 3 Satz 1 AuslG. Die sich seit siebzehn Jahren im Bundesgebiet aufhaltende Klägerin, die nach den nicht mit durchgreifenden Revisionsrügen angegriffenen, für das Revisionsgericht bindenden (vgl. § 137 Abs. 2 VwGO) Feststellungen des Berufungsgerichts einen Daueraufenthalt im Sinne einer Einwanderung anstrebt (UA S. 12), macht mit ihrer Beschwerde nicht ersichtlich, inwiefern unter diesen Umständen ein über die bisherige höchstrichterliche Rechtsprechung hinausgehender Klärungsbedarf bestehen soll. Auch die von der Beschwerde vertretene nicht näher begründete Auffassung, es gehe hier um eine Gesetzesänderung, die Geist, Zweck, Inhalt und Form sowie Text des in Rede stehenden völkerrechtlichen Vertrages faktisch zunichte mache, führt nicht auf eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache. Die Beschwerde zeigt insbesondere nicht auf, inwiefern sich aus dem Deutsch-Iranischen Niederlassungsabkommen - zumal in Fällen einer Einwanderung im Sinne des Abkommens wie dem vorliegenden - das Erfordernis einer - die Anwendung von Wohlwollensgeboten grundsätzlich erst ermöglichenden - Ermessensentscheidung bzw. ein entsprechender Klärungsbedarf ergeben soll.
Die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache ist darüber hinaus auch deshalb unzureichend dargelegt, weil die Beschwerde ausdrücklich annimmt, dass es sich bei der hier einschlägigen Bestimmung des § 28 Abs. 1 AuslG im Hinblick auf das vom Bundestag und Bundesrat verabschiedete Aufenthaltsgesetz, das am 1. Januar 2003 in Kraft treten solle, um eine "auslaufende gesetzliche Regelung" handle. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts haben Rechtsfragen bei auslaufendem Recht trotz anhängiger Fälle regelmäßig keine grundsätzliche Bedeutung, da die Zulassungsvorschrift des § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO nur eine für die Zukunft geltende Klärung herbeiführen soll (Beschluss vom 20. September 1995 - BVerwG 6 B 11.95 - Buchholz 310 § 132 Abs. 2 Ziff. 1 VwGO Nr. 6 m.w.N.). Von dieser Regel sind zwar Ausnahmen anerkannt, doch lässt sich dem Beschwerdevorbringen nicht entnehmen, dass eine solche Ausnahme vorliegen soll. Unabhängig davon verleihen die Darlegungen der Beschwerde zur vorgesehenen - hier noch nicht anwendbaren - Neuregelung im Aufenthaltsgesetz der Beschwerde keine grundsätzliche Bedeutung.
Im Hinblick auf die rechtskräftige Verwerfung der Beschwerde ist der auf "Herstellung der aufschiebenden Wirkung des Rechtsmittels" gerichtete Antrag gegenstandslos.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2, § 162 Abs. 3 VwGO. Die Streitwertentscheidung beruht auf § 13 Abs. 1 Satz 2, § 20 Abs. 3 GKG.