Beschluss vom 04.08.2003 -
BVerwG 9 B 12.03ECLI:DE:BVerwG:2003:040803B9B12.03.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 04.08.2003 - 9 B 12.03 - [ECLI:DE:BVerwG:2003:040803B9B12.03.0]

Beschluss

BVerwG 9 B 12.03

  • OVG für das Land Nordrhein-Westfalen - 10.10.2002 - AZ: OVG 9a D 147/00.G

In der Verwaltungsstreitsache hat der 9. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 4. August 2003
durch den Präsidenten des Bundesverwaltungsgerichts H i e n
und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. S t o r o s t und Dr. E i c h b e r g e r
beschlossen:

  1. Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 10. Oktober 2002 wird zurückgewiesen.
  2. Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
  3. Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 4 000 € festgesetzt.

Die Beschwerde kann keinen Erfolg haben. Die zu ihrer Begründung angeführten Gesichtspunkte rechtfertigen die Zulassung der Revision nicht.
Soweit der Kläger rügt, das Flurbereinigungsgericht habe gegen den Grundsatz einer fairen Prozessführung verstoßen, in dem es den Beweisantrag, seine Flächen im Bereich Dolleseite/Aufm Loh durch einen öffentlich bestellten und vereidigten Sachverständigen neu schätzen zu lassen, "völlig überraschend" mit der Begründung abgelehnt habe, dass das Gericht über eigene Sachkunde verfüge, ist die Beschwerde unzulässig. Denn der Kläger hat aufgrund des im Verwaltungsprozess gemäß § 173 VwGO entsprechend anwendbaren § 295 Abs. 1 ZPO sein Rügerecht insoweit verloren, weil er in der nach Ablehnung des Beweisantrags fortgesetzten mündlichen Verhandlung den jetzt geltend gemachten Verfahrensmangel nicht gerügt und auch nicht durch Antrag auf Vertagung oder auf weitere mündliche Verhandlung zum Ausdruck gebracht hat, er werde sich mit der Verfahrensweise des Gerichts nicht abfinden.
Unabhängig davon hat er mit der genannten Rüge einen Verfahrensmangel entgegen § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO schon deshalb nicht schlüssig bezeichnet, weil er nicht substantiiert dargelegt hat, inwiefern das angegriffene Urteil auf dem geltend gemachten Mangel beruhen kann. Der Vortrag, bei einem vorherigen Hinweis des Gerichts, dass es an diesem Tage noch eine Ortsbesichtigung mit Bodenbewertung unter Inanspruchnahme eigener Sachkunde in Betracht zog, wäre der vom Kläger gestellte Sachverständige an Gerichtsstelle verblieben und hätte "entsprechend für den Kläger, sachverständig an der Beweisaufnahme mitwirken können", reicht dafür nicht aus.
Ebenso wenig schlüssig bezeichnet ist ein Verfahrensmangel mit der Rüge, es verletze den Grundsatz eines fairen Verfahrens, dass das Gericht eigene Sachkunde vermittelt durch einen Beisitzer "ohne Befragungsmöglichkeit" erkläre. Zum einen ist nicht ersichtlich, dass es dem Kläger nach Ablehnung seines Beweisantrages nicht möglich gewesen wäre, das Gericht um nähere Erläuterung zu der in Anspruch genommenen Sachkunde des betreffenden Beisitzers zu bitten und etwaige Zweifel hieran vorzutragen. Zum anderen hat der Kläger mit der Beschwerde auch insoweit nicht substantiiert dargelegt, inwiefern das angegriffene Urteil auf der angeblich fehlenden Befragungsmöglichkeit beruhen kann. Die Äußerung bloßer Zweifel an der Sachkunde des betreffenden Beisitzers reicht dafür nicht aus.
Soweit der Kläger sinngemäß rügt, das Flurbereinigungsgericht habe seine Aufklärungspflicht verletzt, indem es seinen Beweisantrag unter Berufung auf eigene Sachkunde zurückgewiesen habe, ist die Beschwerde jedenfalls unbegründet. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts hat das Tatsachengericht grundsätzlich nach richterlichem Ermessen zu entscheiden, ob es sich selbst die für die Aufklärung und Würdigung des Sachverhalts erforderliche Sachkunde zutraut. Dieses Ermessen überschreitet das Gericht erst dann, wenn es sich eine ihm nicht zur Verfügung stehende Sachkunde zuschreibt und sich nicht mehr in den Lebens- und Erkenntnisbereichen bewegt, die den ihm angehörenden Richtern allgemein zugänglich sind (vgl. BVerwGE 68, 177 <182 f.>; 75, 119 <126 f.>). Das Flurbereinigungsgesetz hat durch die besondere Besetzung des Flurbereinigungsgerichts mit sachverständigen Richtern (§ 139 Abs. 2 Satz 2 und Abs. 3 FlurbG) Sorge dafür getragen, dass eine sachverständige Würdigung der im Rahmen der Flurbereinigung zu beurteilenden Sachverhalte regelmäßig gewährleistet ist. Dementsprechend ist nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts das Flurbereinigungsgericht nur unter besonderen Umständen gehalten, Sachverständige hinzuzuziehen, etwa in Fällen, die schwierig gelagert sind oder besondere Spezialkenntnisse erfordern (BVerwG, Beschluss vom 22. September 1989 - BVerwG 5 B 146.88 - Buchholz 424.01 § 139 FlurbG Nr. 14 m.w.N.).
Hier hat das Flurbereinigungsgericht sich über die tatsächlichen Verhältnisse hinsichtlich der im Bereich Dolleseite/Aufm Loh gelegenen Abfindungsflurstücke insbesondere durch Einnahme des Augenscheins und Entnahme von Bodenproben unter Heranziehung der vom Kläger in Bezug genommenen Aussagen des Sachverständigen Dr. L. E. unterrichtet und ausgehend von dieser Tatsachengrundlage ausgesprochen, dass es auch ohne weitere Feststellungen beurteilen könne, ob eine offenbare Fehlbewertung der dortigen Abfindungsflurstücke des Klägers vorliege. Die Beschwerde legt nicht schlüssig dar, dass das Gericht sich damit in einen Erkenntnisbereich begeben hat, der nicht aufgrund der ihm zur Verfügung stehenden Fachkenntnisse beurteilt werden kann. Die Rüge, die Proben hätten nach einem gleichmäßig über die Gesamtflächen beider Parzellen verteilten Raster entnommen und bewertet werden müssen, liegt insoweit neben der Sache. Denn nach der für die Beurteilung des geltend gemachten Verfahrensmangels maßgeblichen materiellrechtlichen Auffassung des Flurbereinigungsgerichts kam es nicht auf eine flächendeckende Neubewertung der Parzellen, sondern nur auf die Prüfung an, ob in den vom Kläger unter Berufung auf seinen Sachverständigen als überbewertet angesehenen Teilflächen dieser Parzellen die damalige Bewertung der in der Wertermittlungsreinkarte dokumentierten Ergebnisse der Bodenproben als offenbare Fehlbewertung anzusehen war.
Die weiteren Rügen,
- die Aufteilung der Flurstücke 8 und 11 sei durch das Gericht zu Unrecht nicht als ermessensfehlerhaft bewertet worden,
- der Beklagte habe durch Einbeziehung der Hof- und Gebäudefläche des Klägers in die Flurbereinigung gegen § 45 Abs. 1 Nr. 1 FlurbG verstoßen und
- die Abfindungsfläche Flur 6 Flurstück 61 sei dem Kläger nicht sachgerecht zugewiesen worden,
weisen nicht auf Verfahrensmängel, sondern betreffen die materiellrechtliche Würdigung des Sachverhalts, die der Kläger für falsch hält. Ein Grund für die Zulassung der Revision nach § 132 Abs. 2 VwGO wird damit nicht dargelegt.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO, die Streitwertfestsetzung aus § 13 Abs. 1 Satz 2, § 14 GKG. Dabei geht der Senat davon aus, dass der Kläger ausweislich seiner Beschwerdebegründung die erstinstanzliche Entscheidung nur noch insoweit angreift, als sein Klageantrag, ihm eine wertgleiche Abfindung entsprechend seinen Vorstellungen zu gewähren, abgewiesen wurde.