Beschluss vom 04.03.2011 -
BVerwG 8 C 14.10ECLI:DE:BVerwG:2011:040311B8C14.10.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 04.03.2011 - 8 C 14.10 - [ECLI:DE:BVerwG:2011:040311B8C14.10.0]

Beschluss

BVerwG 8 C 14.10

In der Verwaltungsstreitsache hat der 8. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 4. März 2011
durch die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. von Heimburg,
den Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Deiseroth und
die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Hauser
beschlossen:

  1. Die Anhörungsrüge der Klägerinnen gegen das Urteil des Senats vom 24. Februar 2010 - BVerwG 8 C 10.09 - wird zurückgewiesen.
  2. Die Klägerinnen tragen die Kosten des Rügeverfahrens.

Gründe

1 Die Anhörungsrüge der Klägerinnen hat keinen Erfolg.

2 Soweit die Klägerinnen einen Verstoß gegen das in Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG normierte Recht auf den gesetzlichen Richter rügen, weil die angegriffene Entscheidung willkürlich sei und der Senat verpflichtet gewesen wäre, eine Vorabentscheidung des Europäischen Gerichtshofs einzuholen, ist ihr Rechtsbehelf schon nicht statthaft. Nach § 152a Abs. 1 VwGO ist die Anhörungsrüge nur gegeben, wenn ein Beteiligter geltend macht, das Gericht habe den Anspruch dieses Beteiligten auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) in entscheidungserheblicher Weise verletzt. Für andere Verfahrensrügen steht die Anhörungsrüge nicht offen (vgl. Beschluss vom 25. Februar 2008 - BVerwG 3 C 3.08 - juris). Die Klägerinnen legen auch nicht dar, warum in der gerügten Verletzung des Rechts auf den gesetzlichen Richter, des Willkürverbots und des Art. 20 Abs. 3 GG eine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör liegen soll.

3 Die Anhörungsrüge bleibt erfolglos, weil das Urteil vom 24. Februar 2010 die Klägerinnen nicht in ihrem Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt. Der Grundsatz rechtlichen Gehörs gemäß Art. 103 Abs. 1 GG wird in § 108 Abs. 2 VwGO konkretisiert und gewährleistet, dass die Beteiligten sich zu allen entscheidungserheblichen tatsächlichen und rechtlichen Fragen äußern können. Er verbietet, eine Gerichtsentscheidung ohne vorherigen Hinweis auf einen rechtlichen Gesichtspunkt zu stützen, mit dem ein gewissenhafter und kundiger Prozessbeteiligter nach dem Prozessverlauf nicht rechnen musste. Ein Gehörsverstoß liegt aber nicht schon dann vor, wenn das Gericht dem zur Kenntnis genommenen und in Erwägung gezogenen Vorbringen nicht folgt, sondern das Vorbringen aus Gründen des formellen oder materiellen Rechts unberücksichtigt lässt oder zu einem anderen Ergebnis gelangt, als der Beteiligte es für richtig hält (vgl. Beschluss vom 13. Januar 2009 - BVerwG 9 B 64.08 u.a. - Buchholz 310 § 86 Abs. 1 VwGO Nr. 372 m.w.N.).

4 Die Frage, wie der Begriff „einzelne Vermögen“ im Sinne des § 1 Abs. 1a Satz 2 Nr. 3 KWG auszulegen ist, war Gegenstand der die mündliche Verhandlung vorbereitenden Schriftsätze und der mündlichen Verhandlung. Der Senat hat in dem angefochtenen Urteil dargelegt, wie der Begriff der Verwaltung „einzelner“ Vermögen auszulegen ist und warum es einer Vorlage an den Europäischen Gerichtshof nicht bedarf (UA S. 11). Nach der ausführlichen vorangegangenen Diskussion dieser Frage konnten diese Ausführungen für die Klägerinnen nicht überraschend sein. Eines (weiteren) vorherigen Hinweises bedurfte es nicht. Das Gericht ist grundsätzlich nicht verpflichtet, vor der Entscheidung auf seine Rechtsauffassung oder die beabsichtigte Würdigung des Prozessstoffs hinzuweisen, weil sich die rechtliche Würdigung regelmäßig erst auf Grund der abschließenden Beratung ergibt (vgl. Beschluss vom 13. Januar 2009 a.a.O.). Ein Hinweis ist nur erforderlich, wenn ein Beteiligter bei Anwendung der von ihm zu verlangenden Sorgfalt nicht zu erkennen vermag, auf welchen Vortrag es für die Entscheidung ankommen kann. Das ist nicht der Fall, wenn, wie hier, ein gewissenhafter kundiger Prozessbeteiligter unter Berücksichtigung der Vielfalt vertretbarer Rechtsauffassungen nach dem bisherigen Verlauf des Verfahrens damit rechnen musste, dass ein rechtlicher Gesichtspunkt für die Entscheidung erheblich sein könnte (vgl. BVerfG, Beschluss vom 29. Mai 1991 - 1 BvR 1383/90 - BVerfGE 84, 188 <190>; Urteil vom 8. Juli 1997 - 1 BvR 1934/93 - BVerfGE 96, 189 <204> und Plenumsbeschluss vom 30. April 2003 - 1 PBvU 1/02 - BVerfGE 107, 395 <409>). Wie bereits dargelegt, ist mit dem Grundsatz rechtlichen Gehörs nicht der Anspruch verbunden, dass das Gericht dem Vorbringen eines Beteiligten folgt.

5 Die materiellrechtliche Würdigung durch das Revisionsgericht kann nicht Gegenstand einer Anhörungsrüge nach § 152a VwGO sein. Darauf zielen die Ausführungen der Rüge zu einem Verstoß gegen Art. 20 Abs. 3 GG aber ab. Auch die weiteren umfangreichen Ausführungen zur vermeintlichen Fehlerhaftigkeit der Auslegung materiellen Rechts durch den Senat können der Anhörungsrüge deshalb nicht zum Erfolg verhelfen.

6 Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.