Beschluss vom 04.03.2004 -
BVerwG 3 B 106.03ECLI:DE:BVerwG:2004:040304B3B106.03.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 04.03.2004 - 3 B 106.03 - [ECLI:DE:BVerwG:2004:040304B3B106.03.0]

Beschluss

BVerwG 3 B 106.03

  • VG Chemnitz - 08.07.2003 - AZ: VG 6 K 2383/99

In der Verwaltungsstreitsache hat der 3. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 4. März 2004
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. D r i e h a u s sowie die Richter am Bundesverwaltungsgericht van S c h e w i c k und Dr. D e t t e
beschlossen:

  1. Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Verwaltungsgerichts Chemnitz vom 8. Juli 2003 wird zurückgewiesen.
  2. Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
  3. Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 4 000 € festgesetzt.

Die Beschwerde ist nicht begründet. Die geltend gemachten Zulassungsgründe des Verfahrensmangels (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO), der Divergenz (§ 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) sowie der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) liegen nicht vor.
Der Kläger begehrt seine Rehabilitierung nach den Regelungen des Beruflichen bzw. Verwaltungsrechtlichen Rehabilitierungsgesetzes (BerRehaG bzw. VwRehaG), da das Ministerium für Staatssicherheit der ehemaligen DDR (MfS) auf die Kündigung seines Arbeitsverhältnisses zur Ungarischen Geologischen Anstalt in Budapest im Jahr 1985 Einfluss genommen habe.
1. Entgegen der Auffassung des Klägers führt seine Verfahrensrüge nicht auf einen Zulassungsgrund für die begehrte Revision. Ein Verfahrensmangel im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO ist nur dann "bezeichnet" (§ 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO), wenn er sowohl in den ihn (vermeintlich) begründenden Tatsachen als auch in seiner rechtlichen Würdigung substantiiert dargetan wird (vgl. Beschluss vom 10. November 1992 - BVerwG 3 B 52.92 - Buchholz 303 § 314 ZPO Nr. 5; Weyreuther, Revisionszulassung und Nichtzulassungsbeschwerde in der Rechtsprechung der obersten Bundesgerichte, 1971, Rn. 222 m.w.N.). Er setzt voraus, dass die zur Begründung vorgetragenen Tatsachen, ihre Richtigkeit unterstellt, die Mängel ergeben (Beschluss vom 18. März 1982 - BVerwG 9 CB 1076.81 - Buchholz 310 § 133 VwGO Nr. 35).
Die Beschwerde hält dem Verwaltungsgericht einen Verstoß gegen den Anspruch des Klägers auf rechtliches Gehör und faires Verfahren (Art. 103 Abs. 1 GG, § 108 Abs. 1 und 2 VwGO) vor, da das Urteil entscheidungserhebliche Umstände unberücksichtigt gelassen habe. So lasse "das Urteil nicht erkennen, dass das Gesamtergebnis des Verfahrens, d.h. das gesamte beigezogene Unterlagenmaterial (sowie) die Ergebnisse der zwei mündlichen Verhandlungen, berücksichtigt worden wäre".
Zur Begründung der Verfahrensrüge als Zulassungsgrund hätte jedenfalls der substantiierte Vortrag gehört, welche Tatsachen bei ausreichender Gewährung des rechtlichen Gehörs noch vorgetragen worden wären und dass diese Tatsachen zur Klärung der Rechtslage im Sinne der Partei geeignet gewesen wären (vgl. Beschluss vom 31. Juli 1985 - BVerwG 9 B 71.85 - NJW 1986, 3221). Diesen Vortrag lässt die Beschwerdebegründung vermissen. Deshalb ist auch die für einen Zulassungsgrund notwendige Einschätzbarkeit, inwiefern das Urteil auf der behaupteten Verletzung des rechtlichen Gehörs beruhen kann oder für den Kläger günstiger ausgefallen wäre (vgl. Urteil vom 5. Februar 1962 - BVerwG 6 C 154.60 - BVerwGE 13, 338, 339 ff.), nicht möglich. In Wahrheit wendet sich die Beschwerde mit ihrer Rüge gegen die ihrer Ansicht nach unrichtige verwaltungsgerichtliche Würdigung der Gesamtumstände der Verfolgung des Klägers durch das MfS. Damit kann ein Verfahrensmangel aber nicht begründet werden.
Zudem wird gerügt, dass das Verwaltungsgericht Beweisanträge übergangen habe. Da die Ehefrau des Klägers nicht als Zeugin gehört worden sei, sei für die Klägerseite die Möglichkeit genommen worden, gegenüber der Zeugin Vorhalte zu machen, die sich auf ihre Kenntnis zur Sache beziehen. Auch habe das Verwaltungsgericht die in das Verfahren einbezogenen Unterlagen des MfS trotz der Erheblichkeit des Inhalts übergangen. Damit zielt die Beschwerde auf einen Verstoß gegen die aus §  86 VwGO folgende Aufklärungspflicht.
Das Verwaltungsgericht hat - entgegen der Auffassung des Klägers - seine Pflichten aus § 86 Abs. 1 und 2 VwGO jedoch nicht dadurch verletzt, dass es die Ehefrau des Klägers nicht als Zeugin vernommen hat. Das Gericht hat die vom Kläger vorgelegten eidesstattlichen Erklärungen seiner Ehefrau seiner Entscheidung zugrunde gelegt. Es hat diese - teilweise in der Wiedergabe wörtlicher Zitate bestehenden - Erklärungen dahin gewürdigt, dass sich aus ihnen kein bestimmender Einfluss des MfS auf die Entlassung des Klägers in Ungarn ergebe. Die Vernehmung der Ehefrau als Zeugin hat es abgelehnt, weil weder vom Kläger vorgetragen noch sonst ersichtlich sei, dass die Ehefrau über das eidesstattlich Versicherte hinaus Angaben zur maßgeblichen Beteiligung des MfS an der Entlassung machen könne. Das ist verfahrensrechtlich nicht zu beanstanden. Eine Beweisaufnahme hat zu unterbleiben, wenn die unter Beweis gestellte Behauptung unsubstantiiert ist oder den Schluss auf das Vorliegen der Anspruchsvoraussetzungen nicht trägt. So lag die Sache hier. Die Benennung der Ehefrau des Klägers als Zeugin bezog sich in Ermangelung anderweitigen Vortrags oder sonstiger Anhaltspunkte auf die bereits in den eidesstattlichen Versicherungen verlautbarten Tatsachen. Der Beweisantritt richtet sich damit nicht auf einen für den Klageerfolg ausreichenden Vortrag. Dies wird im Übrigen durch die Beschwerdebegründung bestätigt. Selbst dort beruft sich der Kläger nicht darauf, dass seine Ehefrau bestimmte Tatsachen hätte bezeugen können, die zu einer ihm günstigeren Entscheidung geführt hätten. Er beschränkt sich vielmehr darauf zu behaupten, durch die unterbliebene Vernehmung sei für die Klägerseite die Möglichkeit genommen worden, "gegenüber der Zeugin Vorhalte zu machen, die sich auf ihre Kenntnis zur Sache beziehen".
Anhaltspunkte dafür, dass das Verwaltungsgericht die ihm in Kopie vorliegenden vollständigen den Kläger betreffenden Unterlagen - wie der Kläger behauptet - übergangen hätte, sind nicht ersichtlich und werden von der Beschwerde auch nicht substantiiert behauptet. So hat das Verwaltungsgericht in seinem Urteil insbesondere in nicht zu beanstandender Weise dargelegt, dass es sich auch aufgrund der vom Bundesbeauftragten zur Verfügung gestellten Kopien der Originalunterlagen ein ausreichend deutliches Bild zum Einfluss des MfS auf das Arbeitsverhältnis des Klägers zur Ungarischen Geologischen Anstalt machen konnte.
2. Die Voraussetzungen einer Divergenzrevision gemäß § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO sind ebenfalls nicht gegeben. Eine die Revision eröffnende Divergenz liegt nur vor, wenn die Vorinstanz in der angefochtenen Entscheidung eine Rechtsauffassung vertritt, die einem bestimmten, vom Bundesverwaltungsgericht, dem Gemeinsamen Senat der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder dem Bundesverfassungsgericht aufgestellten Rechtssatz widerspricht. Eine derartige Abweichung wird in der Beschwerdeschrift nicht aufgezeigt.
3. Die Beschwerde sieht schließlich als grundsätzlich klärungsbedürftig im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO die Frage an, "ob die Maßnahmen des MfS in Ungarn ebenfalls hoheitliche Maßnahmen einer deutschen behördlichen Stelle im Sinne des § 1 VwRehaG sind und ob dann, wenn die Kündigung des Arbeitsverhältnisses des Klägers mit der Ungarischen Geologischen Anstalt auf Veranlassung des MfS der DDR erfolgte, es sich ebenfalls um eine Maßnahme handelt, die von § 1 Abs. 1 Nr. 4 BerRehaG erfasst ist". Die vorliegende Rechtssache habe auch deshalb grundsätzliche Bedeutung, "weil das VG Chemnitz sich auf den Standpunkt stellt, die Kündigung des Arbeitsverhältnisses des Klägers zur Ungarischen Geologischen Anstalt habe nicht auf dem Staatsgebiet der DDR stattgefunden, was durch § 1 Abs. 1 Nr. 4 BerRehaG vorausgesetzt worden wäre".
Diese Fragen verleihen der Rechtssache jedoch keine grundsätzliche Bedeutung, weil sie sich in einem Revisionsverfahren nicht stellen würden. Dieses hat nämlich nach § 137 Abs. 2 VwGO von den vom Verwaltungsgericht verfahrensfehlerfrei festgestellten Tatsachen auszugehen. Danach gibt es, wie oben dargelegt, keine ausreichende Grundlage für die Annahme, eine deutsche staatliche Stelle - insbesondere das MfS - habe einen bestimmenden Einfluss auf die vom Kläger als Verfolgungsmaßnahme angesehene Entlassung bei der Ungarischen Geologischen Anstalt in Budapest ausgeübt. Beim Fehlen einer solchen Einflussnahme kommt es auf die vom Kläger aufgeworfenen Fragen der territorialen Zuordnung nicht an, denn in jedem Fall setzt die berufliche Rehabilitierung eine Verfolgungsmaßnahme einer deutschen staatlichen Stelle voraus.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO; die Festsetzung des Streitwertes folgt aus § 14 Abs. 1 und 3 i.V.m. § 13 Abs. 1 Satz 2 GKG.