Beschluss vom 04.02.2005 -
BVerwG 8 B 102.04ECLI:DE:BVerwG:2005:040205B8B102.04.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 04.02.2005 - 8 B 102.04 - [ECLI:DE:BVerwG:2005:040205B8B102.04.0]

Beschluss

BVerwG 8 B 102.04

  • VG Potsdam - 25.08.2004 - AZ: VG 6 K 788/99

In der Verwaltungsstreitsache hat der 8. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 4. Februar 2005
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht G ö d e l ,
den Richter am Bundesverwaltungsgericht G o l z e und die Richterin
am Bundesverwaltungsgericht Dr. von H e i m b u r g
beschlossen:

  1. Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Verwaltungsgerichts Potsdam vom 25. August 2004 wird zurückgewiesen.
  2. Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
  3. Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 500 000 € festgesetzt.

Die Beschwerde ist unbegründet. Es liegt kein Verfahrensmangel vor, auf dem das Urteil beruhen kann (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO). Das Urteil beruht auch nicht auf einer Divergenz im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO zu den von der Beschwerde angeführten Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts und des Bundesgerichtshofs.
1. Die von der Beschwerde erhobene Rüge, das Verwaltungsgericht habe gegen seine Aufklärungspflicht (§ 86 Abs. 1 VwGO) verstoßen, ist unbegründet. Eine erfolgreiche Aufklärungsrüge setzt voraus, dass die Beschwerde darlegt, welche Beweise angetreten worden sind oder welche Ermittlungen sich dem Tatsachengericht hätten aufdrängen müssen, welche Beweismittel in Betracht gekommen wären, welches mutmaßliche Ergebnis die Beweisaufnahme gehabt hätte und inwiefern dieses Ergebnis zu einer für den Beschwerdeführer günstigeren Entscheidung hätte führen können. Diesen Anforderungen wird die Beschwerde nicht gerecht.
a) Soweit die Beschwerde die Beiziehung verschiedener Unterlagen aus dem Landeshauptarchiv vermisst, hat der Kläger ausweislich der Sitzungsniederschrift vom 25. August 2004 keinen entsprechenden Beweisantrag gestellt. Entgegen den Ausführungen der Beschwerdebegründung hat er die Beiziehung der Unterlagen aus dem Landeshauptarchiv auch nicht angeregt. Vielmehr bezog sich die Anregung auf Akten des Bundesarchivs. Es bedarf auch keiner Entscheidung, ob sich dem Gericht die Beiziehung der Akten des Landeshauptarchivs und/oder des Bundesarchivs hätte aufdrängen müssen (vgl. dazu Beschlüsse vom 23. Juli 2003 - BVerwG 8 B 57.03 - Buchholz 310 § 86 Abs. 1 VwGO Nr. 330, vom 28. Juni 2002 - BVerwG 7 B 90.01 - Buchholz 310 § 86 Abs. 1 VwGO Nr. 325 S. 37 f. und vom 28. April 2004 - BVerwG 7 B 75.03 - n.V. sowie insbesondere zur Frage von Archivunterlagen über Gebäude, die für die DDR eine besondere Bedeutung hatten, Beschluss vom 9. November 2001 - BVerwG 8 B 163.01 - n.v.), denn die Beschwerde hat nicht dargetan, dass sich aus den in den genannten Archiven befindlichen Unterlagen Erkenntnisse ergeben, die zu einer anderen Entscheidung des Verwaltungsgerichts hätten führen können.
Das Verwaltungsgericht hat seine Entscheidung, dass ein Schädigungstatbestand im Sinne des § 1 Abs. 3 VermG nicht gegeben sei, im Wesentlichen damit begründet, dass die Enteignung nach dem Aufbaugesetz nicht lediglich vorgeschoben gewesen sei, weil das ursprüngliche Wohngebäude tatsächlich mit erheblichem Aufwand in ein Bürogebäude zur Nutzung durch die FDJ-Bezirks- und Kreisleitung umgestaltet worden sei. Hieran ändert der Hinweis der Beschwerde auf den beim Landeshauptarchiv befindlichen Erläuterungsbericht zum Prüfbescheid der Baubehörde nichts, aus dem sich ergeben soll, die Investitionssumme habe entgegen der Annahme
des Verwaltungsgerichts aufgrund der Zeugenaussagen nicht eine Million bzw. 1,7 Millionen Mark, sondern lediglich 731 000 Mark betragen. Auch die von der Beschwerde aufgrund der Unterlagen des Landeshauptarchivs vorgetragene Einflussnahme der SED auf das Verfahren ist nicht geeignet, die Feststellungen des Verwaltungsgerichts in Zweifel zu ziehen, die Inanspruchnahme nach dem Aufbaugesetz sei nicht vorgeschoben gewesen.
Die weitere Ansicht des Verwaltungsgerichts, das streitbefangene Grundstück sei nicht gemäß § 1 Abs. 1 Buchstabe b VermG gegen eine geringere Entschädigung enteignet worden, als sie Bürgern in der früheren DDR zugestanden hätte, wird im Wesentlichen damit begründet, dass der Wert des Grundstücks entsprechend den damals gültigen Vorschriften nach dem Mittel aus Ertragswert und Sachwert gebildet oder - wie hier - nach dem Sachwert bestimmt worden sei und nicht nur aus dem Ertragswert. Zu Unrecht macht die Beschwerde demgegenüber geltend, aus einem beim Landeshauptarchiv befindlichen Bericht des Amtes für den Rechtsschutz des Vermögens der DDR vom 28. Oktober 1976 gehe hervor, dass zum damaligen Zeitpunkt in der Stadt und im Landkreis Potsdam Maßnahmen getestet worden seien, um Grundbesitz von "Westeigentümern" in Volkseigentum zu überführen. Abgesehen davon, dass dieser Bericht keinen konkreten Hinweis auf das streitgegenständliche Grundstück enthält, hat die in dem Bericht empfohlene Herbeiführung einer
Überschuldung der Grundstücke ausweislich der Feststellungen des Verwaltungsgerichts, die u.a. auf dem eigenen Vortrag des Klägers beruhen, hier nicht stattgefunden. Vielmehr lag im Zeitpunkt der Enteignung eine Überschuldung des Grundstücks nicht vor. Auch ist die Verwaltung des Grundstücks bis zu diesem Zeitpunkt nicht dem Privatverwalter entzogen worden. Aus dem Bericht lassen sich daher keine konkreten Anhaltspunkte dafür entnehmen, dass durch eine diskriminierend geringe Höhe der Entschädigung auf den Enteignungsvorgang hinsichtlich des streitgegenständlichen Grundstücks manipulativ eingewirkt wurde.
b) Auch die Rüge der Beschwerde, das Verwaltungsgericht habe entgegen der Anregung des Klägers in der mündlichen Verhandlung vom 25. August 2004 die weiteren Zeugen E. und P. nicht vernommen, kann nicht zur Zulassung der Revision führen. Hinsichtlich des Zeugen E., der im verwaltungsgerichtlichen Verfahren vom Kläger noch als Zeuge "H." bezeichnet wurde, hat das Verwaltungsgericht die Vernehmung in erster Linie deswegen abgelehnt, weil ein entsprechender Beweisantrag nach § 87b VwGO unzulässig gewesen wäre. Darauf geht die Beschwerde nicht ein. Im Übrigen hatte der Kläger - wie das Verwaltungsgericht weiter ausführt - auch nicht dargelegt, warum der Zeuge in der Lage sein sollte, Angaben zum entscheidungserheblichen Sachverhalt zu machen.
Der weiter benannte Zeuge P. war nach den Ausführungen des Verwaltungsgerichts unerreichbar, weil auch Nachforschungen des Beklagten im Landesarchiv nicht zur Ermittlung des Zeugen geführt hatten. Auch dem tritt die Beschwerde nur mit dem allgemeinen Hinweis entgegen, der Kläger habe sich die Namen der Zeugen nicht ausgedacht. Soweit die Beschwerde beanstandet, das Verwaltungsgericht habe nicht die Möglichkeit genutzt, die vernommenen Zeugen nach der Person des Zeugen P. zu befragen, legt sie nicht dar, warum der in der mündlichen Verhandlung anwaltlich vertretene Kläger nicht seinerseits entsprechende Fragen an die Zeugen gerichtet hat.
Unter diesen Umständen kann dahinstehen, ob es sich - wie das Verwaltungsgericht weiter angenommen hat - bei dem Zeugen auch um ein untaugliches Beweismittel gehandelt hat, weil der Kläger widersprüchliche Angaben über die Funktion des Zeugen gemacht habe und deswegen nicht ersichtlich gewesen sei, inwieweit er zu dem Beweisthema hätte Auskünfte erteilen können.
2. Der Zulassungsgrund der Divergenz (§ 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) ist nur dann gegeben, wenn die Vorinstanz seiner Entscheidung einen Rechtssatz zugrunde gelegt hat, der einem auf dieselbe Rechtsvorschrift bezogenen entscheidungstragenden Rechtssatz in einer Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts, des Bundesverfassungsgerichts oder des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes widerspricht (vgl. Beschluss vom 1. September 1997 - BVerwG 8 B 144.97 - Buchholz 406.11 § 128 BauGB Nr. 50 S. 7 <11>). Diese Voraussetzung legt die Beschwerde nicht dar.
a) Die von der Beschwerde angeführten Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts (Urteile vom 27. März 1980 - BVerwG 3 C 42.79 - Buchholz 427.6 § 4 BFG Nr. 31 und vom 17. April 1975 - BVerwG 3 C 79.73 - BVerwGE 48, 150 = Buchholz 427.6 § 4 BFG Nr. 10) betreffen nicht den hier entscheidungserheblichen § 1 Abs. 3 VermG, sondern § 4 BFG und können schon deswegen nicht Grundlage einer erfolgreichen Divergenzrüge sein.
b) Abweichungen von Entscheidungen des Bundesgerichtshofs sind von vornherein nicht geeignet, eine Divergenzrüge zu begründen. Zwar könnte eine solche Abweichung ggf. die Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) rechtfertigen; hier liegt aber eine Divergenz zur Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs nicht vor. Vielmehr hat der Bundesgerichtshof in dem von der Beschwerde angeführten Urteil vom 3. November 2000 - V ZR 189/99 - (BGHZ 145, 383) in Übereinstimmung mit der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts und mit den Ausführungen in dem angefochtenen Urteil des Verwaltungsgerichts ausgeführt, die - auch zielgerichtete - Nichtbeteiligung des in der Bundesrepublik wohnhaften Eigentümers beim Enteignungsverfahren begründe den Schädigungstatbestand des § 1 Abs. 3 VermG nicht (a.a.O. - Juris Rn. 6). Allein darauf kam es aber für die Entscheidung des Verwaltungsgerichts an. Ob - wie der BGH weiter angenommen hat - in Fällen der unterbliebenen Beteiligung des Eigentümers oder des Verwalters (nach den Feststellungen des Verwaltungsgerichts ist im Übrigen der Bescheid über die Inanspruchnahme des Grundstücks an die private Verwalterin gerichtet gewesen) zur zivilrechtlichen Unwirksamkeit der Enteignung führt, ist hier jedenfalls nicht entscheidungserheblich. Die Frage kann daher auch nicht unter dem Gesichtspunkt der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache zur Zulassung der Revision führen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO, die Festsetzung des Streitwerts beruht auf den §§ 47, 52 GKG.