Beschluss vom 04.02.2003 -
BVerwG 20 F 2.03ECLI:DE:BVerwG:2003:040203B20F2.03.0

Beschluss

BVerwG 20 F 2.03

  • OVG des Landes Sachsen-Anhalt - 05.07.2002 - AZ: OVG 9 P 1/02

In der Verwaltungsstreitsache hat der Fachsenat für Entscheidungen nach § 99 Abs. 2 VwGO
am 4. Februar 2003
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht
Dr. S i l b e r k u h l und die Richter am Bundes-
verwaltungsgericht Prof. D a w i n und Dr. K u g e l e
beschlossen:

  1. Die Beschwerde des Beigeladenen gegen den Beschluss des Oberverwaltungsgerichts des Landes Sachsen-Anhalt vom 5. Juli 2002 wird zurückgewiesen.
  2. Der Beigeladene trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
  3. Der Wert des Streitgegenstandes wird für dieses Beschwerdeverfahren auf 4 000 € festgesetzt.

Die nach § 99 Abs. 2 Satz 12 VwGO statthafte Beschwerde ist unbegründet. Der angefochtene Beschluss ist rechtlich nicht zu beanstanden. Die Weigerung des Beigeladenen, dem Verwaltungs-
gericht die unter dem Aktenzeichen 92-04311/0787-S/97 geführten Akten des Staatlichen Rechnungsprüfungsamts vorzulegen, ist nicht rechtmäßig.
Im Verwaltungsrechtsstreit sind Behörden nach § 99 Abs. 1 Satz 1 VwGO zur Vorlage von Akten und Urkunden verpflichtet. Das Staatliche Rechnungsprüfungsamt ist aus den im angefochtenen Beschluss wiedergegebenen Gründen eine Behörde im Sinne dieser Vorschrift. Dass die Mitglieder des Landesrechnungshofes, unter dessen Dienst- und Fachaufsicht das Rechnungsprüfungsamt steht, richterliche Unabhängigkeit besitzen (vgl. Art. 98 Abs. 1 VerfLSA, § 3 Abs. 1 Satz 2 des Gesetzes über den Landesrechungshof für das Land Sachsen-Anhalt <Landesrechnungshofgesetz - LRHG> vom 7. März 1991 <GVBl S. 33>, geändert durch Gesetz vom 13. Dezember 1993 <GVBl S. 765>), ist ohne Bedeutung für die Behördeneigenschaft sowohl der staatlichen Rechnungsprüfungsämter als auch des Landesrechnungshofs.
§ 99 Abs. 1 Satz 2 VwGO berechtigt den Landesrechnungshof nicht, die Vorlage der Akten des Rechnungsprüfungsamts über die Prüfung der Vergabe eines Zuschusses an die Antragstellerin zu verweigern. Nach dieser Vorschrift kann die zuständige
oberste Aufsichtsbehörde die Vorlage von Urkunden oder Akten u.a. dann verweigern, wenn das Bekanntwerden ihres Inhalts dem Wohl eines deutschen Landes Nachteil bereiten würde oder wenn die Vorgänge nach einem Gesetz oder ihrem Wesen nach geheim gehalten werden müssen. Diese Voraussetzungen sind hier nicht gegeben. Die Vorlage der Akten des Staatlichen Rechnungsprüfungsamts würde nicht, wie der Beigeladene geltend macht, seine Zusammenarbeit mit den geprüften Stellen beeinträchtigen, so dass der Verweigerungsgrund des Nachteilbereitens zu Lasten des Landes Sachsen-Anhalt nicht vorliegt. Die Vorgänge sind auch nicht nach einem Gesetz oder ihrem Wesen nach geheim zu halten. Der Gesetzgeber hat erkannt, dass der Landesrechnungshof bei seiner Prüfungstätigkeit auf Informationen der Bediensteten in den geprüften Verwaltungen angewiesen ist. Er hat deshalb in § 95 Abs. 2 LHO diese Bediensteten verpflichtet, dem Landesrechnungshof und seinen Beauftragten die erbetenen Auskünfte zu erteilen. Dass diese Auskünfte Vertraulichkeit genießen, insbesondere in verwaltungsgerichtlichen Verfahren gegen Maßnahmen, die durch die Ergebnisse der Rechnungsprüfung ausgelöst worden sind, hat der Gesetzgeber dagegen nicht vorgesehen.
Die Geheimhaltungsbedürftigkeit der Urkunden und Akten folgt nicht daraus, dass es sich bei der Rechnungsprüfung um eine in der Verfassung sowohl des Landes Sachsen-Anhalt als auch der Bundesrepublik Deutschland vorgesehene Staatstätigkeit handelt. Die Erwähnung und Regelung einer bestimmten staatlichen Aufgabe in der Verfassung besagt nicht, dass die bei dieser Tätigkeit entstandenen Akten und Urkunden geheim zu halten sind.
Ob die richterliche Unabhängigkeit, die den Mitgliedern des Landesrechnungshofs zukommt, die Offenlegung der Voten, internen Vermerke und etwaiger Niederschriften über die Beratungen des Senats nicht zulässt (so Urteil des Verfassungsgerichts des Landes Brandenburg vom 20. November 1997 - VfGBbg 12/97 -), ist hier ohne Belang. Der Vorlage der Akte 92-04311/0787-S/97 des Staatlichen Rechnungsprüfungsamts steht sie nicht entgegen. Denn diese Akte enthält keine Voten, Vermerke oder Entwürfe, die den Meinungsbildungsprozess innerhalb des Prüfungsgremiums des Landesrechnungshofs erkennen lassen. Dies hat eine Durchsicht der Akte, die dem Fachsenat vorgelegt worden ist, ergeben.
Lediglich auf Blatt 1 der Hauptakte finden sich schriftliche Äußerungen von Mitgliedern des Landesrechnungshofs. Es handelt sich um zwei Verfügungen auf dem Schreiben, mit dem beim Landesrechnungshof die Prüfung der Zuschussvergabe an die Antragstellerin angeregt worden war. Die eine Verfügung ist eine Eingangsverfügung der üblichen Art, mit der die Sache in den Geschäftsgang gegeben worden ist. Soweit in der anderen Verfügung Einschätzungen des Senatsmitglieds zum Ausdruck gebracht werden, betreffen sie nicht die innerhalb des Senats zu bildende Meinung zur Gesetzeskonformität der Mittelvergabe, sondern Äußerlichkeiten der Gestaltung eines etwaigen Prüfungsverfahrens. Auf Blatt 50 der Nebenakte hat ein Mitglied des Landesrechnungshofs durch die Kürze "Kg" lediglich bestätigt, dass es von dem Vermerk des Staatlichen Rechnungsprüfungsamts vom 28. Janu-ar 1998 Kenntnis genommen hat, in dem der äußere Ablauf der durchgeführten Prüfung dargestellt ist. Nach ihrem Inhalt und nach ihrer Funktion im Prüfungsverfahren des Staatlichen Rechnungsprüfungsamts ist die Akte 92-04311/0787-S/97 vergleichbar der Gerichtsakte in einem Verwaltungsgerichtsprozess, in die die Beteiligten nach § 100 Abs. 1 VwGO uneingeschränkt Einblick nehmen können.
Die Vorlage der Akten des Staatlichen Rechnungsprüfungsamts beeinträchtigt auch nicht deshalb die Unabhängigkeit der Rechnungshofmitglieder, weil das Rechnungsprüfungsamt die Mittelvergabe an die Antragstellerin unter der Dienst- und Fachaufsicht des Landesrechnungshofs geprüft hat (§ 100 Abs. 2 Satz 1 LHO). Ob die Offenlegung von Weisungen, die in Wahrnehmung dieser Fachaufsicht den Prüfern eines Rechnungsprüfungsamts erteilt werden, mit der Unabhängigkeit der Mitglieder des Landesrechnungshofs vereinbar ist, kann unentschieden bleiben. Die Akte 92-04311/0787-S/97 enthält, wie ausgeführt, keine Weisungen und Hinweise des Landesrechnungshofs an das Rechnungsprüfungsamt, die Rückschlüsse auf den Meinungsbildungsprozess innerhalb des Senats erlauben.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung für das Zwischenverfahren ergibt sich aus § 13 Abs. 1 Satz 2, § 73 Abs. 1 Satz 2 GKG.