Beschluss vom 04.01.2005 -
BVerwG 7 B 111.04ECLI:DE:BVerwG:2005:040105B7B111.04.0

Beschluss

BVerwG 7 B 111.04

  • VG Greifswald - 08.06.2004 - AZ: VG 2 A 1942/98

In der Verwaltungsstreitsache hat der 7. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 4. Januar 2005
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht S a i l e r
und die Richter am Bundesverwaltungsgericht H e r b e r t und N e u m a n n
beschlossen:

  1. Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Verwaltungsgerichts Greifswald vom 8. Juni 2004 wird zurückgewiesen.
  2. Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen, die diese selbst trägt.
  3. Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 50 000 € festgesetzt.

Der Kläger beansprucht als Miterbe die Rückgabe eines Grundstücks, das 1983 auf der Grundlage des Aufbaugesetzes in Volkseigentum überführt wurde. Die nach erfolglosem Verwaltungsverfahren erhobene Klage hat das Verwaltungsgericht abgewiesen. Es hat die Revision gegen sein Urteil nicht zugelassen. Hiergegen richtet sich die Beschwerde des Klägers.
Die Beschwerde ist unbegründet. Die vorgebrachten Gründe für eine Zulassung der Revision liegen nicht vor.
1. Die Rechtssache hat nicht die geltend gemachte grundsätzliche Bedeutung (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO).
a) Der Kläger hält den Begriff der entschädigungslosen Enteignung in § 1 Abs. 1 Buchst. a VermG für weiter klärungsbedürftig. Er hegt verfassungsrechtliche Bedenken gegen die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, nach der Enteignungen nach dem Aufbaugesetz und nach dem Baulandgesetz, die nach den dazu erlassenen Entschädigungsgesetzen entschädigungspflichtig waren, nicht dem Tatbestand des § 1 Abs. 1 Buchst. a VermG unterfallen, weil diese Vorschrift grundsätzlich nur solche Enteignungen erfasst, deren besonderer Unrechtsgehalt darin liegt, dass bereits nach den einschlägigen Vorschriften der DDR für bestimmte Enteignungsmaßnahmen eine Entschädigung generell ausgeschlossen war (Urteil vom 24. März 1994 - BVerwG 7 C 16.93 - BVerwGE 95, 284). Der Kläger ist sinngemäß der Auffassung, mit der Eigentumsgarantie des Art. 14 Abs. 3 GG sei nur eine solche Auslegung des § 1 Abs. 1 Buchst. a VermG vereinbar, nach der alle Enteignungen wiedergutzumachen seien, bei denen keine im Sinne des Art. 14 Abs. 3 GG angemessene Entschädigung gewährt worden sei. Diese Voraussetzung ist nach seiner Ansicht für alle Enteignungen nach dem Aufbaugesetz und dem Baulandgesetz erfüllt, weil die hierzu ergangenen Entschädigungsgesetze den Anforderungen des Art. 14 Abs. 3 GG nicht genügt hätten.
Es bedarf indes nicht erst der Durchführung eines Revisionsverfahrens, um diese verfassungsrechtlichen Bedenken des Klägers zu zerstreuen. Schon aus der bisherigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts und des Bundesverfassungsgerichts ergibt sich, dass die Eigentumsgarantie des Grundgesetzes den Gesetzgeber nicht verpflichtet, alle Enteignungen in der DDR vermögensrechtlich als wiedergutmachungspflichtigen Zugriff auf den enteigneten Vermögenswert zu bewerten, wenn die Enteignung den Maßstäben des Art. 14 Abs. 3 GG nicht genügt hat (vgl. auch Beschluss vom 24. Februar 1998 - BVerwG 7 B 42.98 - Buchholz 428 § 1 VermG Nr. 139). Vielmehr war der Gesetzgeber bei der Auswahl der Tatbestände, an die er eine Wiedergutmachung anknüpfen wollte, nur durch das Sozialstaatsprinzip und den Gleichheitssatz gebunden.
Für Enteignungen in der Deutschen Demokratischen Republik galten die Voraussetzungen des Art. 14 Abs. 3 GG nicht, weil sich der Geltungsbereich des Grundgesetzes auf das Gebiet der Deutschen Demokratischen Republik nicht erstreckte und das Grundgesetz für dieses Gebiet auch nicht rückwirkend in Kraft getreten ist (Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 9. Dezember 1997 - 1 BvR 1611/94 - BVerfGE 97, 89). Art. 14 GG gebietet nicht, dass die Bundesrepublik Deutschland für eigentumsentziehende Handlungen der DDR einsteht, die mit einer nach den Maßstäben des Art. 14 Abs. 3 GG unzureichenden Entschädigung verbunden waren. Eine solche Pflicht besteht auch nicht gegenüber solchen deutschen Staatsangehörigen, die - wie die Rechtsvorgängerin des Klägers - im Zeitpunkt der Enteignung ihren Wohnsitz in der Bundesrepublik Deutschland hatten. Enteignungen im Gebiet der DDR können nicht der Bundesrepublik Deutschland zugerechnet werden, weil deren Staatsgewalt sich nicht nur tatsächlich, sondern auch staatsrechtlich auf das seinerzeitige Gebiet der Bundesrepublik beschränkte. Eine Verantwortlichkeit der Bundesrepublik Deutschland im Sinne eines Einstehenmüssens für etwaige aus ihrer Sicht rechts- oder verfassungswidrige Hoheitsmaßnahmen in der DDR bestand daher nicht. Die Entschädigungslosigkeit einer Enteignung oder ein ihr sonst nach inländischer Gerechtigkeitsvorstellung anhaftender Mangel reicht für sich allein nicht aus, um ihr aufgrund des Vorbehalts zugunsten des ordre public die Wirksamkeit abzusprechen, soweit Objekte im Territorium des enteignenden Staates betroffen sind (Bundesverfassungsgericht, Urteil vom 23. April 1991 - 1 BvR 1170, 1174, 1175/90 - BVerfGE 84, 90 <123 f.>).
b) Der Kläger hält ferner die Frage für klärungsbedürftig, ob eine Enteignung dann eine unlautere Machenschaft im Sinne des § 1 Abs. 3 VermG darstellt, wenn der Enteignungsbeschluss den im Westen lebenden Miteigentümern nicht bekannt gegeben worden ist und diese auch sonst am Enteignungsverfahren ebenso wenig beteiligt worden sind wie die in der DDR lebenden Erben. Den (fortbestehenden) Klärungsbedarf in dieser Frage leitet der Kläger daraus her, dass der Bundesgerichtshof eine Enteignung nach dem Aufbaugesetz nicht für wirksam hält, wenn der Inanspruchnahmebescheid dem Eigentümer nicht bekannt gegeben worden ist (Urteil vom 3. November 2000 - V ZR 189/99 - BGHZ 145, 383 <389 f.>). Er meint, dieser Entscheidung widerspreche die bisherige Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, nach der bei der Enteignung eines Grundstücks in der unterbliebenen Beteiligung des (West-)Eigentümers regelmäßig keine unlautere Machenschaft im Sinne von § 1 Abs. 3 VermG zu sehen ist, weil der Schädigungstatbestand des § 1 Abs. 3 VermG nur dann erfüllt ist, wenn die handelnde Behörde bewusst gegen die jeweiligen Verfahrensvorschriften verstoßen hat, um den hoheitlichen Zugriff auf das Eigentum überhaupt erst zu ermöglichen, die unterbliebene Beteiligung des (West-)Eigentümers am Enteignungsverfahren sich jedoch im Allgemeinen nicht auf den Enteignungserfolg bezogen hat, der auch im Fall der Beteiligung des Eigentümers und gegen dessen Widerstand hätte herbeigeführt werden können (Urteil vom 20. März 1997 - BVerwG 7 C 23.96 - BVerwGE 104, 186 <191>).
Der behauptete Widerspruch zwischen der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts und der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs besteht jedoch nicht; damit entfällt auch der geltend gemachte Klärungsbedarf (so bereits Beschluss vom 26. November 2001 - BVerwG 8 B 204.01 - juris). Der Bundesgerichtshof geht vielmehr in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts davon aus, dass die - auch zielgerichtete - Nichtbeteiligung des in der Bundesrepublik wohnhaften Eigentümers am Enteignungsverfahren den Schädigungstatbestand des § 1 Abs. 3 VermG nicht erfüllt (BGHZ 145, 383 <387>). Auch nach Auffassung des Bundesgerichtshofs bleibt es für den Anwendungsbereich des Vermögensgesetzes bei dem faktischen Enteignungsbegriff, nach dem eine Enteignung im Sinne des Vermögensgesetzes keine bestimmte Form des Zugriffs voraussetzt, sondern immer dann anzunehmen ist, wenn der frühere Eigentümer durch hierauf gerichtete Maßnahmen vollständig und endgültig aus seinem Eigentum verdrängt worden ist. Davon ausgehend führt allein der Verstoß gegen Verfahrensvorschriften und eine damit etwa einhergehende Unwirksamkeit der Enteignung nicht zur vermögensrechtlichen Rückübertragung des Grundstücks. Mögliche Verstöße gegen Rechtsvorschriften begründen vielmehr nicht schon für sich, sondern nur dann die Annahme unlauterer Machenschaften, wenn im Einzelfall in manipulativer, sittlich vorwerfbarer Weise unter Verstoß gegen die Rechtsordnung der DDR auf bestimmte Vermögenswerte zugegriffen wurde.
2. Die Verfahrensrüge einer mangelnden Aufklärung des Sachverhalts ist bereits unzulässig. Der Kläger meint, das Verwaltungsgericht hätte aufklären müssen, ob die Voraussetzungen einer Schädigung im Sinne des § 1 Abs. 2 VermG vorgelegen hätten. Er legt jedoch nicht dar, dass der Sach- und Streitstand Anlass bot, Überlegungen in diese Richtung anzustellen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2, § 162 Abs. 3 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 i.V.m. § 52 Abs. 1 und § 72 Nr. 1 GKG n.F.