Beschluss vom 03.11.2016 -
BVerwG 3 B 4.16ECLI:DE:BVerwG:2016:031116B3B4.16.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 03.11.2016 - 3 B 4.16 - [ECLI:DE:BVerwG:2016:031116B3B4.16.0]

Beschluss

BVerwG 3 B 4.16

  • VG Cottbus - 23.10.2015 - AZ: VG 1 K 1025/13

In der Verwaltungsstreitsache hat der 3. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 3. November 2016
durch die Vorsitzende Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Philipp,
den Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Wysk und
die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Kuhlmann
beschlossen:

  1. Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Verwaltungsgerichts Cottbus vom 23. Oktober 2015 wird zurückgewiesen.
  2. Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
  3. Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 5 000 € festgesetzt.

Gründe

I

1 Der Kläger begehrt das Wiederaufgreifen seines beruflichen Rehabilitierungsverfahrens mit dem Ziel, die ihm ausgestellte Rehabilitierungsbescheinigung hinsichtlich der Beschäftigung, die ohne die Verfolgung ausgeübt worden wäre, zu ändern. Das Verwaltungsgericht hat die Klage als unzulässig abgewiesen. Die Klagefrist gegen den ablehnenden Bescheid vom 7. August 2013 sei am 10. September 2013 abgelaufen. Wiedereinsetzung in den vorigen Stand könne dem Kläger nicht gewährt werden. Angesichts des Umstandes, dass er sich Mitte September 2013 an die Enquete-Kommission habe wenden können und ausweislich des Schreibens an die Kommission schon vorher die Prüfung des Bescheides durch eine Rechtsanwältin veranlasst habe, habe er nicht zur Überzeugung der Kammer belegt, dass es ihm nicht auch möglich und zumutbar gewesen sei, die Klagefrist zu wahren bzw. jedenfalls den Wiedereinsetzungsantrag früher zu stellen (UA S. 9, 10). Die Einschätzung des ärztlichen Attestes vom 12. Mai 2014, der Kläger sei bis Mitte Dezember 2013 schwer depressiv und psychisch außer Stande gewesen, auf behördliche Schreiben sach- und termingerecht zu reagieren, vermöge nicht zu überzeugen. Der Kläger habe jedenfalls Ende November Hilfe in Anspruch genommen und das Nötige veranlasst. Die Einschätzung sei, da sie keinerlei Angaben zur Befunderhebung und zum Behandlungsverlauf enthalte, nicht nachvollziehbar und daher nicht plausibel. Die Klage sei darüber hinaus auch unbegründet.

II

2 Die auf den Zulassungsgrund des § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO gestützte Beschwerde bleibt ohne Erfolg.

3 Der Kläger macht geltend, das Verwaltungsgericht habe seine Aufklärungspflicht verletzt, weil es die beantragte Wiedereinsetzung in die Klagefrist abgelehnt habe, ohne den Facharzt für Psychiatrie und Neurologie, Herrn Dr. med. K., als Zeugen zu den von ihm ausgestellten Attesten und dem Gesundheitszustand des Klägers vor Stellung des Wiedereinsetzungsantrags zu vernehmen. Darin liege zugleich ein Verstoß gegen den Rechtsgrundsatz eines fairen Verfahrens gemäß Art. 6 EMRK i.V.m. Art. 20 GG.

4 Die Rüge ist unbegründet. Ein Gericht verletzt seine Pflicht zur erschöpfenden Sachverhaltsaufklärung gemäß § 86 Abs. 1 VwGO grundsätzlich dann nicht, wenn es von einer sich nicht aufdrängenden Beweiserhebung absieht, die ein anwaltlich vertretener Beteiligter nicht ausdrücklich beantragt hat (BVerwG, Beschluss vom 25. August 2015 - 1 B 40.15 [ECLI:​DE:​BVerwG:​2015:​250815B1B40.15.0] - Buchholz 402.25 § 3 AsylVfG Nr. 19 Rn. 16 m.w.N.). Der Prozessbevollmächtigte des Klägers hatte zwar in seinen vorbereitenden Schriftsätzen Herrn Dr. K. als Zeugen dafür angeboten, dass die schweren gesundheitlichen Beeinträchtigungen des Klägers bis zum Gespräch mit Herrn Reinhard D. in der 47. Kalenderwoche 2013 fortbestanden; in der mündlichen Verhandlung hat er einen entsprechenden Beweisantrag aber nicht gestellt. Dem Verwaltungsgericht musste sich auch nicht aufdrängen, Herrn Dr. K. als Zeugen zu vernehmen. Es hat nach Befragung des Klägers und Vernehmung seiner Ehefrau als Zeugin angenommen, der Kläger habe bereits vor Absendung des Schreibens an die Enquete-Kommission die Prüfung des Bescheides durch eine Rechtsanwältin veranlasst. Auch das Schreiben an die Enquete-Kommission sei jedenfalls nicht ohne seine Billigung und Mitwirkung verfasst und in den Rechtsverkehr gebracht worden (UA S. 9). Ausgehend hiervon hat es nicht die Überzeugung gewinnen können, dass es dem Kläger auch nicht unter Inanspruchnahme der Hilfe Dritter möglich und zumutbar war, die Klagefrist zu wahren oder jedenfalls bereits etwa Mitte September einen Wiedereinsetzungsantrag zu stellen (UA S. 10 f., 13). Dass Herr Dr. K. Erkenntnisse zu den Anteilen des Klägers an dem Schreiben an die Enquete-Kommission und der Einschaltung der Rechtsanwältin hatte, war in den vorbereitenden Schriftsätzen nicht dargelegt worden und wird auch jetzt mit der Beschwerde nicht geltend gemacht. Dem Verwaltungsgericht musste sich ohne ein entsprechendes Hinwirken des Klägers, insbesondere eine Entbindung von der Schweigepflicht, auch nicht aufdrängen, dass Herr Dr. K. würde darlegen können, warum der Kläger während der attestierten Erkrankung die Prüfung des Bescheids durch eine Rechtsanwältin und das Schreiben an die Enquete-Kommission veranlassen konnte, nicht aber in der Lage gewesen sein sollte, einen Bevollmächtigten mit der fristwahrenden Erhebung einer Klage zu beauftragen. Eine Krankheit greift als Entschuldigungsgrund für die Versäumung einer Rechtsmittelfrist nur dann durch, wenn sie so schwer war, dass der von ihr betroffene Verfahrensbeteiligte nicht bloß unfähig war, selbst zu handeln, sondern auch außerstande, einen Bevollmächtigten mit der Wahrnehmung seiner Interessen zu beauftragen und im gebotenen Umfang zu informieren (BVerwG, Beschluss vom 22. Juli 2008 - 5 B 50.08 - juris Rn. 7 m.w.N.). Aus den dargelegten Gründen liegt auch kein Verstoß gegen den Grundsatz des fairen Verfahrens vor.

5 Da die Klage unzulässig ist, stellen sich die Ausführungen des Verwaltungsgerichts zur Sache lediglich als nicht entscheidungserhebliche ergänzende Hinweise an die Parteien dar, die nicht geeignet sind, an der Rechtskraft des Urteils teilzunehmen (vgl. BVerwG, Urteil vom 12. Juli 2000 - 7 C 3.00 - BVerwGE 111, 306 <312>). Schon aus diesem Grund kommt insoweit eine Zulassung der Revision nicht in Betracht.

6 Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, die Festsetzung des Streitwertes auf § 47 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3, § 52 Abs. 2 GKG.