Beschluss vom 03.08.2016 -
BVerwG 1 B 91.16ECLI:DE:BVerwG:2016:030816B1B91.16.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 03.08.2016 - 1 B 91.16 - [ECLI:DE:BVerwG:2016:030816B1B91.16.0]

Beschluss

BVerwG 1 B 91.16

  • VG Schleswig - 20.02.2015 - AZ: VG 6 A 224/13
  • OVG Schleswig - 14.04.2016 - AZ: OVG 2 LB 25/15

In der Verwaltungsstreitsache hat der 1. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 3. August 2016
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. Berlit, den Richter am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. Dörig und
die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Fricke
beschlossen:

  1. Die Beschwerden der Klägerin und des Beigeladenen zu 2 gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Schleswig-Holsteinischen Oberverwaltungsgerichts vom 14. April 2016 werden verworfen.
  2. Die Klägerin und der Beigeladene zu 2 tragen die Kosten des Beschwerdeverfahrens jeweils zur Hälfte.
  3. Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 10 000 € festgesetzt.

Gründe

I

1 Die Beteiligten streiten über die Berechtigung der Klägerin zur Umgestaltung zweier Grabstätten. Die Eltern des Ehemannes der Klägerin (des Beigeladenen zu 2) sind in einer Grabstätte auf dem Friedhof der Beklagten beerdigt. Nachdem die Mutter der Klägerin verstorben war, wurde sie auf einer daneben liegenden, gesonderten Grabstätte beigesetzt. Im Mai 2012 veranlasste die Klägerin, dass die beiden nebeneinander liegenden Grabstellen zusammengefasst und der Grabstein, der bisher die Namen der Eltern ihres Mannes trug, um den Namen ihrer Mutter ergänzt wurde. Nachdem sich der Halbbruder des Ehemannes (Beigeladener zu 1), dem das Nutzungsrecht an der Grabstelle der Eltern übertragen worden war, hiergegen gewandt hatte, forderte die Beklagte die Klägerin auf, die Grabstellen wieder zu trennen und in den ursprünglichen Zustand zurück zu versetzen. Der von der Klägerin dagegen eingelegte Widerspruch sowie ihre Klage blieben in beiden Instanzen ohne Erfolg. Die Klägerin und der Beigeladene zu 2 erstreben mit ihren Beschwerden die Zulassung der Revision.

II

2 Die Beschwerden sind unzulässig. Die geltend gemachten Zulassungsgründe der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) und der Divergenz (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) sind nicht den Anforderungen des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO entsprechend dargetan.

3 1. Die Klägerin wendet sich mit ihrer Beschwerde gegen die Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts, die verkenne, dass das Grabnutzungsrecht dem Eigentumsschutz und dem Erbrecht gemäß Art. 14 GG unterliege und daher nach dem Tod der Schwiegermutter auf ihren Ehemann als Alleinerben und nicht auf dessen Halbbruder übergegangen sei. Die Regelung der Friedhofssatzung, wonach das Nutzungsrecht bei mehreren Kindern des Verstorbenen auf das älteste Kind übergehe (hier: den Halbbruder), verstoße gegen das Diskriminierungsverbot des Art. 3 GG. Ihr Ehemann habe der Zusammenlegung der Grabstätten und der neuen Beschriftung des Grabsteins zugestimmt.

4 1.1 In diesem Zusammenhang hält die Beschwerde folgende Fragen für grundsätzlich klärungsbedürftig:

5 a) Fällt ein nach öffentlichem Recht eingeräumtes Grabnutzungsrecht unter den Schutz des Art. 14 GG?

6 b) Darf die Bestimmung eines von mehreren Kindern eines Grabnutzungsberechtigten als sein Rechtsnachfolger von Todes wegen hinsichtlich des Grabnutzungsrechts durch den öffentlichen Friedhofsträger von dem Alter der Kinder abhängig gemacht, insbesondere ein Recht des Erstgeborenen (Primogenitur) durch Satzung bestimmt werden?

7 Das Beschwerdevorbringen genügt nicht den Darlegungsanforderungen an eine Grundsatzrüge. Eine Rechtssache hat grundsätzliche Bedeutung im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO, wenn sie eine abstrakte, in dem zu entscheidenden Fall erhebliche Frage des revisiblen Rechts mit einer über den Einzelfall hinausgehenden allgemeinen Bedeutung aufwirft, die im Interesse der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder im Interesse der Rechtsfortbildung in einem Revisionsverfahren geklärt werden muss. Diese Voraussetzungen sind nicht erfüllt, wenn sich die aufgeworfene Frage im Revisionsverfahren nicht stellen würde, wenn sie bereits geklärt ist bzw. aufgrund des Gesetzeswortlauts mit Hilfe der üblichen Regeln sachgerechter Auslegung und auf der Grundlage der einschlägigen Rechtsprechung ohne Durchführung eines Revisionsverfahrens beantwortet werden kann oder wenn sie einer abstrakten Klärung nicht zugänglich ist (BVerwG, Beschluss vom 1. April 2014 - 1 B 1.14 - AuAS 2014, 110).

8 Die Beschwerde legt die Entscheidungserheblichkeit der aufgeworfenen Fragen nicht dar. Sie setzt sich nicht damit auseinander, dass die Beklagte ihre Verfügung zur Rückgängigmachung der Grabzusammenlegung nicht nur darauf gestützt hat, dass damit das Nutzungsrecht des Beigeladenen zu 1 verletzt werde, sondern selbständig auch darauf, dass beide Grabstätten eine unterschiedliche Nutzungsdauer aufwiesen, was eine Zusammenlegung ausschließe. Die Beschwerde geht im Weiteren dann zwar darauf ein, dass das Berufungsgericht die Forderung zur Beseitigung des auf dem Grabstein zusätzlich angebrachten Namens der verstorbenen Mutter der Klägerin nicht mit einem Nutzungsrecht des Beigeladenen zu 1 begründet, sondern mit der fehlenden Genehmigungsfähigkeit der durchgeführten Maßnahme, weil die Mutter in der benachbarten Grabstätte ruhe, nicht hingegen in derjenigen, auf der der Grabstein stehe (UA S. 15). Sie wendet sich auch gegen die Rechtsauffassung des Berufungsgerichts und hält sie für nicht vereinbar mit einem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts (Urteil vom 8. November 1963 - 7 C 148.60 - BVerwGE 17, 119), ohne jedoch einen Widerspruch von einander gegenübergestellten abstrakten Rechtssätzen aufzuzeigen, wie es für eine Divergenz nach § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO erforderlich ist (dazu unten Nr. 1.2). Kann die angegriffene Verfügung aber unabhängig von der Frage des Nutzungsberechtigten auf die fehlende Genehmigungsfähigkeit der vorgenommenen Änderungen an den Grabstätten und am Grabstein gestützt werden, kommt es auf die aufgeworfenen Grundsatzfragen nicht entscheidungserheblich an.

9 Im Übrigen legt die Beschwerde nicht dar, dass für die Auslegung der als Maßstabsnormen herangezogenen Grundgesetzvorschriften des Art. 14 und Art. 3 GG selbst Klärungsbedarf besteht und es nicht nur um die Vereinbarkeit der einschlägigen landesrechtlichen Normen mit dem Grundgesetz geht. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts kann die Rüge der Nichtbeachtung von Bundes(verfassungs)recht bei der Auslegung und Anwendung von Landesrecht die Zulassung der Revision nach § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO allenfalls dann rechtfertigen, wenn die Auslegung der - gegenüber dem Landesrecht als korrigierender Maßstab angeführten - bundesrechtlichen Norm ihrerseits ungeklärte Fragen von grundsätzlicher Bedeutung aufwirft. Wird eine Verletzung von Bundesverfassungsrecht durch eine Landesrechtsnorm beanstandet, muss die Beschwerdebegründung aufzeigen, dass in einer bestimmten Frage die Auslegung des Grundgesetzes einschließlich der bundesverfassungsrechtlichen Grundsätze insbesondere durch die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts bisher nicht ausreichend ist, um eine zutreffende Umsetzung in dem landesrechtlich geprägten Ausgangsfall zu gewährleisten. Ein verfassungsrechtlich vermeintlich bedenkliches oder gar zu beanstandendes Ergebnis allein verschafft einer Rechtssache keine im revisionszulassungsrechtlichen Sinne "grundsätzliche Bedeutung" (vgl. hierzu BVerwG, Beschluss vom 6. Juli 2016 - 1 B 39.16 - Rn. 7 m.w.N.). Gemessen daran genügt die Beschwerde nicht den Darlegungsanforderungen.

10 Denn die Beschwerde legt selbst dar, dass das Bundesverfassungsgericht etwa in seiner Entscheidung vom 28. April 1999 zu Rentenanwartschaften von (ehemaligen) Bürgern der DDR (BVerfGE 100, 1 - 1 BvL 32/95 und 1 BvR 2105/95 <32 f.>) die Kriterien genannt hat, nach denen subjektive öffentliche Rechte den Schutz von Art. 14 Abs. 1 GG genießen. In der Entscheidung hebt das Verfassungsgericht zugleich hervor, dass sich die konkrete Reichweite der Eigentumsgarantie erst aus der Bestimmung von Inhalt und Schranken des Eigentums ergibt, die nach Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG Sache des Gesetzgebers ist. Der Gesetzgeber genießt dabei aber keine völlige Freiheit. Er muss vielmehr die grundsätzliche Privatnützigkeit und Verfügungsbefugnis, die zum Begriff des Eigentums gehören, achten und darf diese nicht unverhältnismäßig einschränken. Doch variiert sein Spielraum dabei je nach dem Anteil personaler und sozialer Komponenten des Eigentumsobjekts (BVerfG, Urteil vom 28. April 1999 - 1 BvL 32/95 und 1 BvR 2105/95 - BVerfGE 100, 1 <37>). Das Beschwerdevorbringen zielt nicht auf eine weitere Klärung dieser Maßstäbe, sondern auf die Vereinbarkeit der landesrechtlichen Regelung mit den bereits entwickelten Maßstäben zu Art. 14 GG.

11 Auch für die zum Diskriminierungsverbot nach Art. 3 Abs. 1 GG aufgeworfene Frage ergibt sich aus dem Beschwerdevorbringen kein Klärungsbedarf für die verfassungsrechtlichen Maßstäbe. Danach gebietet der allgemeine Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG dem Normgeber, wesentlich Gleiches gleich und wesentlich Ungleiches ungleich zu behandeln. Das gilt sowohl für ungleiche Belastungen als auch für ungleiche Begünstigungen (vgl. BVerfG, Beschluss vom 10. Juli 2012 - 1 BvL 2/10 u.a. - BVerfGE 132, 72 m.w.N.). Eine Ungleichbehandlung kann gerechtfertigt sein, wenn hierfür hinreichend gewichtige Sachgründe sprechen oder ein Ausgleich mit anderen verfassungsrechtlich geschützten Interessen herzustellen ist (vgl. etwa BVerfG, Beschlüsse vom 27. Juni 2014 - 1 BvR 1313/14 - juris zur Höchstaltersgrenze für Notare, vom 21. April 2015 - 2 BvR 1322/12 u.a. - BVerfGE 139, 19 zur Einstellungsaltersgrenze für Beamte und vom 12. Januar 2016 - 1 BvR 3102/13 - NJW 2016, 930). Die Beschwerde zeigt nicht auf, dass und inwiefern eine weitere Klärung dieser verfassungsrechtlichen Maßstäbe geboten ist. Sie soll vielmehr die Vereinbarkeit der angegriffenen landesrechtlichen Regelung mit den bereits entwickelten Maßstäben zu Art. 3 Abs. 1 GG klären. Das rechtfertigt nicht die Zulassung der Revision. Im Übrigen geht die Beschwerde nicht darauf ein, dass nach der angegriffenen Satzungsregelung grundsätzlich der Nutzungsberechtigte einer Grabstätte bestimmen kann, auf wen das Nutzungsrecht im Fall seines Ablebens übergeht. Nur für den Fall, dass keine solche Bestimmung getroffen worden ist, gibt die Satzung dem ältesten Kind des Verstorbenen den Vorrang.

12 Des Weiteren besteht für die Frage der Erstreckung des Schutzes nach Art. 14 GG auf das Sondernutzungsrecht an der Grabstätte auch kein Klärungsbedarf. Denn der Erwerber des Sondernutzungsrechts hat dieses von vornherein mit der sich aus der Friedhofsatzung ergebenden Beschränkung erworben, dass es auf den ältesten unter den Mitgliedern der gleichen Personengruppe (hier: Kinder der Verstorbenen) übergeht, wenn zu Lebzeiten keine abweichende schriftliche Regelung getroffen wurde. Selbst wenn das Recht unter dem Schutz des Art. 14 GG stünde, würde seine von vornherein bestehende Beschränkung nicht durch eine Rechtsnachfolge entfallen.

13 1.2. Die Beschwerde der Klägerin hat auch die Voraussetzungen einer Divergenz im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO nicht den Anforderungen des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO entsprechend dargelegt.

14 Eine Divergenz ist nur dann im Sinne des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO hinreichend bezeichnet, wenn die Beschwerde einen inhaltlich bestimmten, die angefochtene Entscheidung tragenden abstrakten Rechtssatz benennt, mit dem die Vorinstanz einem in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts oder eines anderen in der Vorschrift genannten Gerichts aufgestellten ebensolchen entscheidungstragenden Rechtssatz in Anwendung derselben Rechtsvorschrift widersprochen hat. Die nach Auffassung des Beschwerdeführers divergierenden Rechtsätze müssen einander präzise gegenübergestellt werden (stRspr, BVerwG, Beschlüsse vom 17. Dezember 2010 - 8 B 38.10 - ZOV 2011, 45 und vom 17. Februar 2015 - 1 B 3.15 - juris Rn. 7). Das Aufzeigen einer fehlerhaften oder unterbliebenen Anwendung von Rechtssätzen, die das Bundesverwaltungsgericht (oder der Gemeinsame Senat der obersten Bundesgerichte oder das Bundesverfassungsgericht) in der Rechtsprechung aufgestellt hat, genügt den Zulässigkeitsanforderungen einer Divergenzrüge nicht.

15 Diesen Anforderungen wird die Beschwerde nicht gerecht. Sie hält die Aufforderung der Beklagten, den Namen der Mutter der Klägerin vom Grabstein zu entfernen, für unvereinbar mit dem Gestaltungsrecht des Eigentümers des Grabsteins. Sie bezieht sich insoweit auf das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 8. November 1963 (7 C 148.60 - BVerwGE 17, 119), stellt dem Zitat aus diesem Urteil aber keinen divergierenden Rechtssatz aus dem Berufungsurteil gegenüber, was zur Darlegung einer Divergenz im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO erforderlich ist. Mit der Rüge einer Abweichung der Berufungsentscheidung vom zitierten Urteil in der konkreten Rechtsanwendung kann sie die Zulassung der Revision nicht erreichen.

16 2. Die allein auf eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache gestützte Beschwerde des Beigeladenen zu 2 ist schon deshalb unzulässig, weil sie keine klärungsbedürftige Rechtsfrage formuliert, sondern sich lediglich gegen die Rechtsanwendung durch das Berufungsgericht im vorliegenden Fall sowie gegen die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts wendet. Selbst wenn sie Fragen zur Vereinbarkeit der streitgegenständlichen Satzungsregelungen mit Art. 14 Abs. 1 GG und Art. 21 GRC aufgeworfen hätte, würden sich diese im vorliegenden Fall nicht stellen, wie bereits zur Beschwerde der Klägerin ausgeführt (oben Ziffer 1).

17 3. Von einer weiteren Begründung wird abgesehen (§ 133 Abs. 5 Satz 2 Halbs. 2 VwGO).

18 4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Die Festsetzung des Streitwerts für die beiden Beschwerden ergibt sich aus § 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 2, § 39 Abs. 1 GKG.