Urteil vom 03.06.2003 -
BVerwG 5 C 32.02ECLI:DE:BVerwG:2003:030603U5C32.02.0

Leitsatz:

Gründe im Sinne des § 2 Abs. 1 AsylbLG liegen nicht vor, wenn der Ausreise und dem Vollzug aufenthaltsbeendender Maßnahmen lediglich der tatsächliche Grund entgegensteht, dass der zur Ausreise verpflichtete Ausländer nicht über Pass- oder Passersatzpapiere verfügt und diese auch nicht zu beschaffen sind.

Urteil

BVerwG 5 C 32.02

  • OVG Lüneburg - 09.07.2002 - AZ: OVG 4 LB 151/02 -
  • Niedersächsisches OVG - 09.07.2002 - AZ: OVG 4 LB 151/02

In der Verwaltungsstreitsache hat der 5. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
ohne mündliche Verhandlung am 3. Juni 2003
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. S ä c k e r
und die Richter am Bundesverwaltungsgericht S c h m i d t , Dr. R o t h k e g e l ,
Dr. F r a n k e und Prof. Dr. B e r l i t
für Recht erkannt:

  1. Der Beschluss des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts vom 9. Juli 2002 wird aufgehoben. Die Berufung der Kläger gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Hannover vom 19. Oktober 2001 wird zurückgewiesen.
  2. Die Kläger tragen die Kosten des Berufungs- und des Revisionsverfahrens. Gerichtskosten werden nicht erhoben.

I


Die Kläger begehren die Verpflichtung des Beklagten, ihnen für die Zeit vom 1. Februar 2001 bis 19. April 2001 Hilfe zum Lebensunterhalt in entsprechender Anwendung des Bundessozialhilfegesetzes zu gewähren. Die Beteiligten streiten über die Frage, ob der Ausreise der Kläger und dem Vollzug aufenthaltsbeendender Maßnahmen im Sinne des § 2 Abs. 1 AsylbLG beachtliche Gründe entgegenstehen, weil die Kläger nicht über Pass- oder Passersatzpapiere verfügen und sich diese auch nicht beschaffen können.
Die Kläger sind nach ihrem Vorbringen libanesische Staatsangehörige. Sie reisten im Juli 1993 auf dem Luftweg in das Bundesgebiet ein und beantragten ihre Anerkennung als Asylberechtigte. Der Asylantrag der Kläger blieb ohne Erfolg (Abweisung der Asylklage durch rechtskräftig gewordenes Urteil des VG Oldenburg vom 18. September 1996). Die Kläger verfügen nicht über Pass- bzw. Passersatzpapiere oder sonstige Identitätsnachweise; nach ihren Angaben sind ihnen die für die Einreise genutzten Pässe unmittelbar nach der Einreise von den sog. "Schleppern" wieder abgenommen worden. Bemühungen des Bundesamtes für die Anerkennung ausländische Flüchtlinge, für die Kläger Heimreisedokumente zu beschaffen, blieben ohne Erfolg. Auf die Aufforderung der Beklagten zum Nachweis ihrer Bemühungen zur Beschaffung von Identitätsnachweisen und Ausreisepapieren teilten die Kläger im Jahre 1994 mit, weder über einen Reisepass noch eine Geburtsurkunde zu verfügen und, soweit im Libanon noch Verwandte lebten, zu diesen keinen Kontakt mehr zu haben.
Die Beklagte gewährte den Klägern, die bereits seit dem 1. Juni 1997 ununterbrochen Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz erhalten hatten, auch für die Zeit ab dem 1. Juni 2000 Leistungen nach § 3 ff. AsylbLG und nicht die von den Klägern begehrten Leistungen in entsprechender Anwendung des Bundessozialhilfegesetzes. Die Kläger legten gegen die für die im Verfahren streitigen Zeiträume ergangenen Bescheide erfolglos Widerspruch ein (Widerspruchsbescheid der Bezirksregierung Hannover vom 19. April 2001).
Das Verwaltungsgericht hat die von den Klägern erhobene Verpflichtungsklage im Kern mit der Erwägung abgewiesen, dass das tatsächliche Ausreise- und Abschiebungshindernis der Passlosigkeit kein rechtliches Abschiebungshindernis begründe und auch sonst keinen humanitären, rechtlichen oder persönlichen Grund im Sinne des § 2 Abs. 1 AsylbLG bilde (Urteil vom 19. Oktober 2001). Das Berufungsgericht hat der Klage mit Beschluss nach § 130 a VwGO vom 9. Juli 2002 stattgegeben. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt: Bei den Klägern, die bereits über eine Dauer von insgesamt 36 Monaten Leistungen nach § 3 AsylbLG erhalten hätten, lägen im Sinne des § 2 Abs. 1 AsylbLG beachtliche Gründe vor, die einer Ausreise oder dem Vollzug aufenthaltsbeendender Maßnahmen entgegenstünden. Das Fehlen von Pass- oder Passersatzpapieren sei ausländerrechtlich zwar ein tatsächlicher Grund im Sinne des § 55 Abs. 2 AuslG, der eine Abschiebung unmöglich mache. Dass ausländerrechtlich für die Duldung die rechtlichen oder humanitären Gründe von den tatsächlichen Gründen abgesetzt seien, bedeute indes nicht, dass tatsächliche Gründe nicht zugleich einen humanitären, persönlichen oder rechtlichen Grund im Sinne des § 2 Abs. 1 AsylbLG bilden könnten. Dies sei für die Anwendung des Asylbewerberleistungsgesetzes selbstständig zu prüfen und jedenfalls für den hier vorliegenden Fall anzunehmen, dass der Ausreise oder der Abschiebung Gründe entgegenstünden, die von den Leistungsberechtigten nicht (mehr) beeinflusst werden könnten. Die in § 2 Abs. 1 AsylbLG genannten Gründe ähnelten zwar den ausländerrechtlichen Voraussetzungen für eine Duldung, seien aber - allzumal nach dem Verzicht des Gesetzgebers auf die Anknüpfung an eine ausländerrechtliche Duldung - mit diesen nicht identisch und selbstständig auszulegen. Es sei auch mit dem Sozialstaatsprinzip und dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz unvereinbar, Ausländer, die mangels Pass(ersatz)papieren nicht in ihr Heimatland zurückkehren könnten, dauerhaft auf die abgesenkten Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz zu verweisen. Die Gewährung lediglich abgesenkter Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz sei nur deswegen mit dem Gleichheitssatz vereinbar, weil bei ihnen nur auf die Bedürfnisse eines vorübergehenden Aufenthalts abzustellen sei, der betroffene Personenkreis nicht über ein verfestigtes Aufenthaltsrecht verfüge und hier ein sozialer Integrationsbedarf fehle; dies sei nach der Entscheidung des Gesetzgebers grundsätzlich nur für einen Zeitraum von drei Jahren zuzumuten. Der entgegenstehenden Rechtsauffassung des 12. Senats des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts sei nicht zu folgen. Allerdings seien nach der Systematik des Asylbewerberleistungsgesetzes ausschließlich tatsächliche Gründe, die Ausreise oder Abschiebungen entgegenstünden, (für sich allein) nicht zu berücksichtigen; es sei indes nach Maßgabe sozialrechtlicher Systematik zu bestimmen, wann konkrete Umstände, die tatsächlich Ausreise und Abschiebung hinderten, zugleich oder zusätzlich humanitäre oder persönliche Gründe im Sinne des § 2 Abs. 1 AsylbLG bildeten. Dies sei in den Fällen, in denen eine Abschiebung oder Ausreise wegen fehlender Pass- oder Passersatzpapieren nicht möglich sei, dann der Fall, wenn festgestellt werden könne, dass der Betroffene diese Situation nicht durch eigene Bemühungen beenden könne. So liege es bei den Klägern.
Mit ihrer Revision verfolgt die Beklagte ihr Klagabweisungsbegehren weiter. Sie rügt eine Verletzung des § 2 Abs. 1 AsylbLG.
Die Kläger verteidigen das angefochtene Berufungsurteil.

II


Die zulässige Revision der Beklagten, über die das Bundesverwaltungsgericht gemäß § 141 Satz 1 i.V.m. § 125 Abs. 1 Satz 1 und § 101 Abs. 2 VwGO infolge des Einverständnisses der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entscheiden kann, ist begründet. Der Beschluss des Berufungsgerichts verletzt Bundesrecht (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO), so dass er aufzuheben und die Berufung der Kläger gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts zurückzuweisen ist (§ 144 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 VwGO).
Mit Bundesrecht nicht vereinbar ist die Rechtsauffassung des Berufungsgerichts, das Fehlen für den Vollzug aufenthaltsbeendender Maßnahmen erforderlicher Pass- oder Passersatzpapiere bilde jedenfalls dann einen nach § 2 Abs. 1 AsylbLG beachtlichen Grund, wenn festgestellt werden könne, dass der Betroffene diese Situation nicht durch eigene Bemühungen beenden könne.
Nach § 2 Abs. 1 AsylbLG in der hier anzuwendenden Fassung des Gesetzes vom 26. Mai 1997 (BGBl I S. 1130) ist abweichend von den §§ 3 bis 7 das Bundessozialhilfegesetz auf Leistungsberechtigte entsprechend anzuwenden, die über eine Dauer von insgesamt 36 Monaten, frühestens beginnend am 1. Juni 1997, Leistungen nach § 3 erhalten haben, wenn die Ausreise nicht erfolgen kann und aufenthaltsbeendende Maßnahmen nicht vollzogen werden können, weil humanitäre, rechtliche oder persönliche Gründe oder das öffentliche Interesse entgegenstehen. Solche Gründe liegen nicht vor, wenn der Ausreise und aufenthaltsbeendenden Maßnahmen lediglich der tatsächliche Grund entgegensteht, dass der zur Ausreise verpflichtete Ausländer nicht über Pass- oder Passersatzpapiere verfügt und diese auch nicht zu beschaffen sind.
1. Bereits der Wortlaut des Gesetzes spricht dagegen, den Fall, dass ein Identitätsnachweis oder sonstige Reisedokumente nicht vorhanden sind und daher der Vollzug aufenthaltsbeendender Maßnahmen tatsächlich nicht möglich ist, weil der (vermeintliche) Herkunftsstaat einen rechtskräftig zum Verlassen des Bundesgebietes verpflichteten Ausländer mangels Identitätsnachweises nicht aufzunehmen bereit ist, den in § 2 Abs. 1 AsylbLG genannten, namentlich den persönlichen oder humanitären Gründen zuzuordnen.
Bei rechtskräftig festgestellter Ausreisepflicht begründet das Fehlen von Reisedokumenten kein der Abschiebung entgegenstehendes öffentliches Interesse und ist auch kein rechtliches Hindernis. Ob eine Abschiebung aus Rechtsgründen nicht möglich ist, richtet sich ausschließlich nach den rechtlichen Verhältnissen und Beziehungen zwischen dem Ausländer und der Bundesrepublik Deutschland; unerheblich ist, ob sich Hindernisse aus den völkerrechtlichen Verhältnissen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Abschiebezielstaat ergeben (s. - m.w.N. - GK AuslG § 55 Rn. 18). Bei Passlosigkeit scheitert eine Abschiebung nicht an einem nach nationalem Recht bestehenden rechtlichen Hinderungsgrund, sondern allein tatsächlich an der fehlenden Aufnahmebereitschaft des mutmaßlichen Herkunftsstaates bzw. daran, dass kein anderer Staat zur Aufnahme bereit ist. Passlosigkeit hindert mithin allein tatsächlich die Durchführung einer rechtlich zulässigen Abschiebung.
Unzureichende Reisedokumente bilden auch kein Abschiebungshindernis aus humanitären Gründen. Solche sind Gründe, welche wegen ihrer Eigenart und ihres Gewichts die (sofortige) Vollziehung aufenthaltsbeendender Maßnahmen als unmenschlich erscheinen lassen, wobei nicht jede menschliche Schwierigkeit oder Härte bereits das Gewicht eines "humanitären Grundes" erreicht. Gegen eine Zuordnung (vorübergehender oder dauerhafter) Passlosigkeit zu den "persönlichen Gründen" im Sinne des § 2 Abs. 1 AsylbLG spricht, dass diese keine (vorübergehende oder dauerhafte) Eigenschaft einer Person oder ein ihre Lebenssituation oder –umstände im Sinne eines persönlichkeitsbezogenen Merkmals unmittelbar prägender Umstand ist. Zu einem "persönlichen Grund" wird Passlosigkeit auch nicht dadurch, dass sie die Handlungsmöglichkeiten der Ausländer, ihrer Ausreisepflicht nachzukommen, beschränkt. Schließlich rechnen die Folgen der Anwendbarkeit beziehungsweise Nichtanwendbarkeit des § 2 Abs. 1 AsylbLG nicht zu den dort als Voraussetzung genannten Gründen. Diese Gründe müssen bezogen sein auf den Vollzug aufenthaltsbeendender Maßnahmen und diesen entgegenstehen. Nach § 2 Abs. 1 AsylblG ist es nicht allein ausreichend, dass (vorübergehend oder dauerhaft) aufenthaltsbeendende Maßnahme nicht vollzogen werden können; § 2 Abs. 1 AsylbLG stellt für die entsprechende Anwendung des Bundessozialhilfegesetzes erkennbar nicht auf Fälle oder Gründe, in denen bzw. aus denen eine Abschiebung nicht vollzogen werden kann, sondern nur die dort genannten Gründe ab.
2. Dieses Ergebnis wird durch die Entstehungsgeschichte des Gesetzes und die Anknüpfung an die Regelungen und Begriffe des Ausländergesetzes gestützt. Bereits bei einem Wortlautvergleich knüpft § 2 Abs. 1 AsylbLG an die in § 55 AuslG bezeichneten Gründe an, aus denen einem zur Ausreise verpflichteten Ausländer eine Duldung erteilt werden kann. § 55 AuslG unterscheidet zwischen den in Absatz 2 geregelten Fällen, in denen eine Abschiebung aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen unmöglich ist oder nach § 53 Abs. 6 oder § 54 AuslG ausgesetzt werden soll, und den von Absatz 3 erfassten Fällen, in denen dringende humanitäre oder persönliche Gründe oder erhebliche öffentliche Interessen die vorübergehende weitere Anwesenheit des Ausländers im Bundesgebiet erfordern. Diese Unterscheidung greift § 30 AuslG mit der Maßgabe auf, dass zusätzlich darauf abzustellen ist, ob der Ausländer die Gründe zu vertreten hat, die einer freiwilligen Ausreise oder seiner Abschiebung entgegenstehen (Absatz 3), oder der Ausländer sich weigert, zumutbare Anforderungen zur Beseitigung des Abschiebungshindernisses zu erfüllen (Absatz 4). Es ist nichts dafür ersichtlich, dass der Gesetzgeber den in § 2 AsylbLG genannten Gründen einen anderen Bedeutungsgehalt hätte beimessen wollen als den im Ausländergesetz verwendeten Begriffen.
2.1.  § 2 Abs. 1 AsylbLG übernimmt nicht alle Gründe, die einer Ausreise und Abschiebung entgegenstehen und die nach § 55 AuslG die Erteilung einer Duldung ermöglichen oder gebieten. Genannt werden allein die rechtlichen (§ 55 Abs. 2 AuslG) sowie - ohne die in § 55 AuslG vorgesehenen Qualifizierungen - die persönlichen und humanitären Gründe sowie das öffentliche Interesse. Nicht genannt sind aus dem Katalog des § 55 AuslG die tatsächlichen Gründe, aus denen die Ausreise nicht erfolgen kann oder wegen derer aufenthaltsbeendende Maßnahmen nicht vollzogen werden können. Sie sind daher nicht geeignet, nach § 2 AsylbLG eine Leistungsgewährung in entsprechender Anwendung des Bundessozialhilfegesetzes zu rechtfertigen.
Nach der Begrifflichkeit des Ausländergesetzes liegen Fälle der tatsächlichen Unmöglichkeit der Abschiebung dann vor, wenn diese aus Gründen scheitern, die nicht oder nur mit unverhältnismäßigem Aufwand behoben werden können (GK AuslG, § 55 Rn. 39). Diesen Gründen ist auch die Fallgruppe zuzuordnen, dass Ausländer - für einen nicht absehbaren Zeitraum - keinen gültigen Pass besitzen und auch eine Abschiebung mit einem Reisedokument (§ 16 DV AuslG) nicht möglich ist (s. - m.w.N. - GK AuslG § 55 Rn. 41), soweit nicht ausreichende und zuverlässige Anhaltspunkte dafür bestehen, dass eine Abschiebung auch ohne gültiges Reisedokument möglich ist und alsbald durchgeführt werden kann (vgl. Renner, Ausländerrecht, 7. Aufl., § 55 Rn. 8; Hailbronner, Ausländerrecht, § 55 Rn. 20, 42).
Dem Berufungsgericht ist nicht darin zu folgen, dass für das Ausländergesetz kein Anlass zur abschließenden Klärung der Frage bestanden habe, ob Gründe, die als "tatsächliche" im Sinne des § 55 Abs. 2 AuslG die Erteilung einer Duldung gebieten, nicht - zusätzlich - auch persönliche, humanitäre oder Gründe des öffentlichen Interesses bilden können, und daher jedenfalls bei einer leistungsrechtlichen Auslegung der ausländerrechtlichen Begriffe Raum für eine Differenzierung sei. Jedenfalls das Ausländergesetz geht in §§ 30, 55 AuslG von einer klaren systematischen Einteilung der unterschiedlichen Gründe aus, die dem Vollzug aufenthaltsbeendender Maßnahmen entgegenstehen können, und ordnet - wie im Ansatz auch das Berufungsgericht - den Umstand, dass das Fehlen von Pass- oder Passersatzpapieren Ausreise und Abschiebung hindern, den tatsächlichen Hinderungsgründen im Sinne des § 55 Abs. 2 AuslG zu. Diese Unterscheidung hat auch rechtliche Konsequenzen, weil der Ausländer bei Vorliegen der tatbestandlichen Voraussetzungen des § 55 Abs. 2 AuslG einen Rechtsanspruch auf Erteilung der Duldung hat (BVerwGE 105, 232 <239>), während in den Fällen des § 55 Abs. 3 AuslG die Duldung in das Ermessen der Ausländerbehörde gestellt ist. Diese ausländerrechtliche Differenzierung wird - ergänzt um zusätzliche Tatbestandsmerkmale - in § 30 AuslG aufgegriffen.
2.2.  § 2 Abs. 1 AuslG knüpft nach seiner Entstehungsgeschichte bewusst an die ausländergesetzliche Terminologie an; es fehlt jeder Anhalt, dass die Nichtberücksichtigung lediglich tatsächlicher Hinderungsgründe auf einem Redaktionsversehen des Gesetzgebers beruhen könnte. Im Mittelpunkt der Überlegungen zur Neufassung des § 2 AuslG stand der ausländerrechtliche Status des Leistungsberechtigten (s. BTDrucks 13/2746 S. 11 ff.). Das Leistungsrecht des Asylbewerberleistungsgesetzes sollte "wesentlich dem Ausländer- und Asylrecht angepasst werden, um aufeinander abgestimmte und an den gleichen Zielen ausgerichtete Regelungen zu ermöglichen"; mit den Gesetzesänderungen sollten auch sonst Schwierigkeiten im Leistungsverfahren begegnet werden, die "mit einer noch nicht ausreichenden Verknüpfung des Leistungsrechts und des Ausländer- und Asylrechts" zusammenhängen (ebd. S. 11). Auch die Einzelbegründung des Gesetzentwurfes zu § 2 AuslG (BTDrucks 13/2746 S. 15) - die am Gesetzestext im nachfolgenden Gesetzgebungsverfahren vorgenommenen Änderungen sind für die im vorliegenden Fall entscheidungserhebliche Frage nicht von Bedeutung - nimmt Bezug auf bestimmte Gründe für eine ausländergesetzliche Duldung. Diese Entstehungsgeschichte bestätigt, dass die in § 2 Abs. 1 AuslG genannten Gründe den Bestimmungen des Ausländergesetzes über die Erteilung einer Duldung entlehnt und daher nach dem Willen des Gesetzgebers auch durch die für die Bewilligung von Leistungen zuständige Behörde wie im Ausländergesetz auszulegen und anzuwenden sind (so etwa auch OVG Greifswald, Beschluss vom 24. Januar 2001 - 1 M 71/00 -, GK AsylbLG VII - zu § 2 Abs. 1 <OVG Nr.  25>; FEVS 52, 367, <369 f.>; VG Sigmaringen, Urteil vom 16. Januar 2002 - 3 K 388/01 -, GK AsylbLG VII - zu § 2 Abs. 1 <VG Nr. 31>; Deibel, ZAR 1998, 28, <34>; ders. DVBl 2001, 866, <869, 871>).
2.3. Systematisch ist weiterhin zu berücksichtigen, dass § 2 Abs. 1 AsylbLG eine Ausnahme von der Regel des § 1 Abs. 1 Nr. 4 AsylbLG bildet, wonach leistungsberechtigt alle Ausländer sind, die sich im Bundesgebiet aufhalten und "eine Duldung nach § 55 Ausländergesetz besitzen". Das Gesetz unterwirft mithin zunächst alle lediglich geduldeten Ausländer unabhängig vom Grund der Duldung dem Leistungsrecht des Asylbewerberleistungsgesetzes und nimmt in § 1 a Nr. 2 AsylbLG auch diejenigen Ausländer in den Blick, "bei denen aus von ihnen zu vertretenden Gründen aufenthaltsbeendende Maßnahmen nicht vollzogen werden können". Das Merkmal des Vertretenmüssens, auf das § 2 Abs. 1 Nr. 2 AsylbLG in der bis zum 31. Mai 1997 geltenden Fassung hinsichtlich der Ausreise und Abschiebung hindernden Gründe (insoweit in Anlehnung an § 30 Abs. 4 AuslG) abgestellt hatte, ist in der im vorliegenden Fall anzuwendenden Fassung des Asylbewerberleistungsgesetzes vom 26. Mai 1997 nicht vollständig aufgegeben worden; es bestimmt allerdings nicht mehr die Abgrenzung zwischen dem Leistungsanspruch nach dem Asylbewerberleistungsgesetz und den (höheren) Leistungen in entsprechender Anwendung des Bundessozialhilfegesetzes, sondern (zunächst) die Abgrenzung zwischen den (im Verhältnis zu den Leistungen nach den Bundessozialhilfegesetz abgesenkten) Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz und den gemäß § 1 a Nr. 2 AsylbLG noch einmal - auf das Maß dessen, was im Einzelfall nach den Umständen unabweisbar geboten ist - reduzierten Leistungen.
3. Sinn und Zweck des Asylbewerberleistungsgesetzes rechtfertigen keine andere Beurteilung. Die Zuordnung von Personen, die lediglich im Besitz einer Duldung sind, zum Personenkreis der nach dem Asylbewerberleistungsgesetz Leistungsberechtigten (§ 1 Abs. 1 Nr. 4 AsylbLG) rechtfertigt sich aus dem Umstand, dass diese Personen kein gesichertes Aufenthaltsrecht im Bundesgebiet haben und lediglich ihre Abschiebung zeitweilig ausgesetzt wird. Die Duldung bedeutet allein die zeitweilige, nach § 56 Abs. 2 AuslG zu befristende Aussetzung einer an sich zulässigen Abschiebung; sie setzt die Ausreisepflicht voraus und lässt diese unberührt (§ 56 Abs. 1 AuslG). Die ausländerbehördlichen Feststellungen zu den Gründen, aus denen eine Duldung erteilt (bzw. versagt) wird, entfalten zwar im leistungsrechtlichen Verfahren nach § 2 Abs. 1 AsylbLG mangels ausdrücklicher gesetzlicher Anordnung keine Bindungswirkung, so dass die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 2 Abs. 1 AsylbLG von der zuständigen Leistungsbehörde zu prüfen sind (OVG Münster, Beschluss vom 28. August 2000 - 16 E 137/98 -, GK AsylbLG VII - zu § 2 Abs. 1 <OVG Nr. 17>). Dies ändert indes nichts daran, dass nach der eindeutigen Entscheidung des Gesetzgebers (§ 1 Abs. 1 Nr. 4 AsylbLG) zunächst an den ausländerrechtlichen Status einer Person anzuknüpfen ist, und bedeutet nicht, dass die in § 2 Abs. 1 AsylbLG genannten Gründe abweichend vom Ausländerrecht auszulegen sind. Die selbstständige Pflicht und Befugnis der Leistungsbehörde zur Prüfung der Tatbestandsvoraussetzungen des § 2 Abs. 1 AsylbLG berechtigt diese nicht, bei einem lediglich geduldeten, also ausreisepflichtigen Ausländer tatsächlich und abweichend vom ausländerrechtlichen Status von einem (faktisch) dauerhaften Bleiberecht auszugehen und damit eine vom Ausländerrecht unabhängige leistungsrechtliche Bewertung vorzunehmen. Die Grundentscheidung des Gesetzgebers, bei diesem Personenkreis von einem lediglich vorübergehenden Aufenthalt im Bundesgebiet auszugehen und ihm daher lediglich die abgesenkten Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz zu gewähren, für die auf die Bedürfnisse eines hier in aller Regel nur kurzen oder vorübergehenden Aufenthalts abzustellen ist (BTDrucks 13/2746 S. 11), bleibt durch die in § 2 Abs. 1 AsylbLG getroffene Ausnahmeregelung unberührt. Sie steht daher einer erweiternden Auslegung der tatbestandlichen Voraussetzungen einer Leistungsgewährung in entsprechender Anwendung des Bundessozialhilfegesetzes entgegen. Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts ist der Gesetzgeber im Rahmen der ihm zustehenden typisierenden Betrachtung bei der Neufassung des § 2 Abs. 1 AsylbLG nicht generell davon ausgegangen, dass bei einem 36 Monate übersteigenden Bezug von Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz unabhängig von dem ausländerrechtlichen Aufenthaltsstatuts und den Gründen des zeitlich länger andauernden Inlandsaufenthalts eine Aufenthaltsverfestigung mit entsprechendem höheren Integrationsbedarf unter Angleichung der zu gewährenden Leistungen an die Lebensverhältnisse im Bundesgebiet anzunehmen sei. Durch die Nichtberücksichtigung lediglich tatsächlicher Ausreise- und Abschiebungshindernisse hat er vielmehr entschieden, dass nur bei qualifizierten Gründen für einen längeren Inlandsaufenthalt ein tatsächlich etwa bestehender höherer Integrations- und Angleichungsbedarf auch normativ durch Leistungen in entsprechender Anwendung des Bundessozialhilfegesetzes anzuerkennen ist. Der Sinn und Zweck des § 2 Abs. 1 AsylbLG, lediglich bestimmten an sich nach dem Asylbewerberleistungsgesetz Leistungsberechtigten ein dauerhaft existentiell gesichertes und sozial integriertes Leben zu ermöglichen, lässt mithin keine Rückschlüsse auf den Personenkreis zu, der hiervon begünstigt sein soll, und gebietet nicht die Zuordnung aller vom (ausreisepflichtigen) Ausländer nicht zu beeinflussenden tatsächlichen Gründe, die einer Ausreise und Abschiebung entgegenstehen, zu den nach § 2 Abs. 1 AsylbLG beachtlichen Gründen.
4. Die vom Berufungsgericht vorgenommene Auslegung ist auch nicht aus verfassungsrechtlichen Gründen geboten. Zwischen ausreisepflichtigen Ausländern, deren Abschiebung persönliche, rechtliche oder humanitäre Gründe entgegenstehen, und solchen Ausländern, bei denen der Abschiebung lediglich tatsächliche Gründe entgegenstehen, bestehen Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht, dass sie in § 2 Abs. 1 AsylbLG vorgenommene Differenzierung rechtfertigen. Der bestehenden Ausreisepflicht entspricht eine normativ schwächere Bindung an das Bundesgebiet, die auch die aus dem Sozialstaatsgebot folgende Einstandspflicht des Gesetzgebers für die auf seinem Gebiet lebenden Ausländer beeinflusst. Der Gesetzgeber darf ausreisepflichtige Ausländer, die aus tatsächlichen Gründen an einer Ausreise gehindert sind, zwar nicht durch Vorenthaltung von das absolute Existenzminimum sichernden Leistungen in eine ausweglose Lage bringen; er kann aber bei der Leistungshöhe berücksichtigen, dass es sich um einen Personenkreis handelt, für den er gemäß seiner eigenen Rechtsordnung keine Verantwortung übernehmen will, weil es sich um ausreisepflichtige Personen handelt. Der Gesetzgeber hat für die Festlegung, an welche Merkmale er bei lediglich geduldeten Ausländern eine leistungsrechtliche Besserstellung knüpfen will, einen breiten Gestaltungsspielraum. Dieser ist mit der Nichtberücksichtigung lediglich tatsächlicher Gründe, die dem Vollzug aufenthaltsbeendender Maßnahmen entgegenstehen, nicht überschritten. Dass eine leistungsrechtliche Besserstellung solcher ausreisepflichtiger Ausländer möglich wäre, welche die Dauer des Aufenthalts nicht rechtsmissbräuchlich selbst beeinflusst haben (s. dazu BTDrucks 15/420, 50, 120) oder die an der Beseitigung tatsächlicher Ausreise- bzw. Abschiebungshindernisse mitwirken, ist für die verfassungsrechtliche Beurteilung unerheblich.
5. Bei der Auslegung des § 2 Abs. 1 AsylbLG ist weiterhin zu berücksichtigen, dass in den Fällen, in denen die tatsächlichen Ausreise- und Abschiebungshindernisse voraussichtlich für einen längeren Zeitraum oder dauerhaft bestehen und von dem ausreisepflichtigen Ausländer nicht zu beeinflussen sind, die Erteilung einer Aufenthaltsbefugnis nach § 30 AuslG in Betracht kommt (s.a. BTDrucks 13/2746 S. 15); jedenfalls in den Fällen, in denen sich ein Ausländer nicht weigert, zumutbare Anforderungen zur Beseitigung des Abschiebungshindernisses zu erfüllen, lassen die allgemeinen und besonderen tatbestandlichen Voraussetzungen für die Erteilung einer Aufenthaltsbefugnis hinreichend Raum, dem besonderen Fall eines tatsächlich voraussichtlich dauerhaften Inlandsaufenthalts eines lediglich geduldeten, ausreisepflichtigen Ausländers und den vom Berufungsgericht herangezogenen verfassungsrechtlichen Bedenken (s. aber BVerwG, Beschluss vom 29. September 1998 - BVerwG 5 B 82.97 -, FEVS 49, 97; s.a. BayVGH FEVS 53, 45 <47>; NdsOVG NVwZ-Beil. 2001, 11) gegen eine dauerhafte Gewährung lediglich der Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz Rechnung zu tragen. Dies ist auch systemgerecht, weil primär die Ausländerbehörde berufen ist zu beurteilen, ob das tatsächliche Abschiebungshindernis tatsächlich dauerhaft ist oder doch auf einen unabsehbaren Zeitraum fortbestehen wird oder ob tatsächliche Anhaltspunkte die Annahme rechtfertigen, dass sich insoweit Veränderungen ergeben können (z.B. Änderung der Kooperationsbereitschaft des vermeintlichen Herkunftsstaates).
6. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1, § 159 Satz 1 VwGO in Verbindung mit § 100 Abs. 1 ZPO, die Gerichtskostenfreiheit auf § 188 Satz 2 VwGO.
Dr. Säcker Schmidt Dr. Rothkegel