Beschluss vom 03.05.2011 -
BVerwG 2 B 68.11ECLI:DE:BVerwG:2011:030511B2B68.11.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 03.05.2011 - 2 B 68.11 - [ECLI:DE:BVerwG:2011:030511B2B68.11.0]

Beschluss

BVerwG 2 B 68.11

  • OVG für das Land Nordrhein-Westfalen - 03.02.2011 - AZ: OVG 6 A 988/10

In der Verwaltungsstreitsache hat der 2. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 3. Mai 2011
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Herbert und
die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Maidowski und Dr. Hartung
beschlossen:

  1. Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Beschluss des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 3. Februar 2011 wird zurückgewiesen.
  2. Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
  3. Der Wert des Streitgegenstandes für das Beschwerdeverfahren wird auf die Wertstufe bis 30 000 € festgesetzt.

Gründe

1 Die Nichtzulassungsbeschwerde bleibt ohne Erfolg.

2 Der 1968 geborene Kläger leistete 1991/92 seinen Zivildienst und schloss bis 1995 eine Schreinerlehre an. Zwischen 1995 und 2003 studierte er Architektur (Abschluss: Diplom) und legte nach einem einjährigen Aufbaustudium und dem Vorbereitungsdienst im Januar 2007 seine Zweite Staatsprüfung für das Lehramt an Grund-, Haupt- und Realschulen ab. Seit Februar 2007 steht er als Lehrer in einem unbefristeten Angestelltenverhältnis im Dienst des beklagten Landes. Im Mai 2009 beantragte er seine Übernahme in das Beamtenverhältnis auf Probe. Die Bezirksregierung Düsseldorf lehnte dies durch Bescheid vom 30. September 2009 ab, weil er die Höchstaltersgrenze von 40 Jahren gem. § 6 Abs. 1 und § 52 Abs. 1 der Verordnung über die Laufbahnen der Beamten im Lande Nordrhein-Westfalen in der seit dem 18. Juli 2009 geltenden Fassung (LVO NRW n.F.) überschritten habe. Sein Zivildienst habe ihn nicht gehindert, vor Überschreiten der Altersgrenze in ein Beamtenverhältnis einzutreten. Sein Begehren blieb vor dem Verwaltungsgericht und dem Oberverwaltungsgericht erfolglos.

3 Die von der Beschwerde aufgeworfene Rechtsfrage führt nicht zur Zulassung der Revision. Die Rechtssache hat nicht die grundsätzliche Bedeutung (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO), die der Kläger ihr zumisst.

4 Eine Rechtssache hat grundsätzliche Bedeutung, wenn sie eine abstrakte, in dem zu entscheidenden Fall erhebliche Frage des revisiblen Rechts mit einer über den Einzelfall hinausgehenden allgemeinen Bedeutung aufwirft, die im Interesse der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder im Interesse der Rechtsfortbildung in einem Revisionsverfahren geklärt werden muss. Diese Voraussetzungen sind insbesondere dann nicht erfüllt, wenn eine von der Beschwerde aufgeworfene Frage bereits geklärt ist, auf Grund des Gesetzeswortlauts mit Hilfe der üblichen Regeln sachgerechter Auslegung und auf der Grundlage der einschlägigen Rechtsprechung ohne Durchführung eines Revisionsverfahrens beantwortet werden kann oder wenn sie nur einzelfallbezogen zu beantworten ist und deshalb keine allgemeine Bedeutung hat.

5 Die von der Beschwerde aufgeworfene Frage
„Darf bezogen auf den Bewerberkreis des § 6 Abs. 2 Ziffer a LVO NRW n.F. weiterhin das Kausalitätserfordernis aufgestellt werden, darf mithin weiterhin verlangt werden, dass die Inanspruchnahme des Nachteilsausgleiches für abgeleisteten Grundwehr- und Zivildienst nur dann erfolgen kann, wenn die dem Nachteilsausgleich zugrunde liegenden Tatbestände unmittelbare Ursache für eine Überschreitung der Höchstaltersgrenze sind?“
lässt nicht erkennen, dass die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat und rechtfertigt deshalb die Zulassung der Revision nicht. Die für die Auslegung und Handhabung des Kausalitätserfordernisses in § 6 Abs. 2 LVO NRW n.F. maßgeblichen Grundsätze ergeben sich unter Heranziehung der zu der früheren Fassung der Vorschrift ergangenen obergerichtlichen und höchstrichterlichen Rechtsprechung ohne weiteres aus Wortlaut und Sinn der Vorschrift, ohne dass es der Durchführung eines Revisionsverfahrens bedarf (vgl. Beschluss vom 24. Januar 2011 - BVerwG 2 B 2.11 ).

6 Nach § 6 Abs. 2 LVO NRW n.F. darf die Altersgrenze des § 6 Abs. 1 i.V.m. § 52 Abs. 1 LVO NRW n.F. überschritten werden, wenn sich die Einstellung oder Übernahme wegen der in der Vorschrift genannten Gründe verzögert. Das Ausmaß der Überschreitung ist auf den Umfang der Verzögerung sowie zusätzlich nach § 6 Abs. 2 Sätze 2 bis 4 LVO NRW n.F. beschränkt.

7 Aus dem Wortlaut der Vorschrift folgt, dass die im Verordnungstext genannten Verzögerungsgründe für den vom Bewerber gewünschten verspäteten Einstellungszeitpunkt kausal sein müssen. Dies entspricht auch dem Sinn der Vorschrift. Durch sie soll nicht das Höchstalter für die Einstellung oder Übernahme in ein Probebeamtenverhältnis pauschal um die im Einzelnen benannten Verzögerungszeiten hinausgeschoben werden. Die Übernahme ins Beamtenverhältnis soll vielmehr lediglich dann nicht an Zeiten des Wehr- oder Zivildienstes, der Kindererziehung, eines sozialen Jahres oder geleisteter Betreuung von Angehörigen scheitern, wenn diese Zeiten der maßgebliche Grund für die Überschreitung des Höchstalters darstellen, wenn also der Bewerber ohne diese Zeiten hätte eingestellt werden können. Es sollen nur diejenigen Nachteile ausgeglichen werden, die mit den geregelten Ausnahmetatbeständen ursächlich zusammenhängen. Unterbrechungen des Kausalzusammenhangs durch weitere, vom Verordnungsgeber nicht privilegierte Ursachen bleiben deshalb bedeutsam, da insoweit kein Grund für eine Privilegierung der betroffenen Bewerber besteht (zu früheren Normfassungen vgl. Urteile vom 25. Februar 2010 - BVerwG 2 C 22.09 - Buchholz 11 Art. 33 Abs. 2 GG Nr. 45, Rn. 28, vom 20. Januar 2000 - BVerwG 2 C 13.99 - Buchholz 237.7 § 15 NWLBG Nr. 4, und vom 18. Juni 1998 - BVerwG 2 C 6.98 - Buchholz 237.7 § 15 NWLBG Nr. 3; OVG NRW, Urteil vom 6. Juli 1994 - 6 A 1725/93 -, ZBR 1995, 202, und vom 13. Dezember 2007 - 6 A 2173/05 - ZBR 2008, 384).

8 § 6 Abs. 2 LVO NRW n.F. führt in dieser Auslegung nicht - wie die Beschwerde meint - dazu, dass die Vorschrift keinen Anwendungsbereich mehr hätte. Dies ergibt sich ebenfalls aus der zu den früheren Fassungen der Vorschrift vorliegenden Rechtsprechung. So ist es nicht erforderlich, dass die Verzögerung - etwa durch Geburt und Betreuung eines Kindes - unmittelbar vor der Bewerbung um die Einstellung in ein Probebeamtenverhältnis eingetreten ist. Hat etwa eine Lehramtsbewerberin nach Geburt und Erziehung eines Kindes ihr Studium nur noch mit erheblichen Verzögerungen abschließen können und überschreitet sie deshalb die Höchstaltersgrenze, ist der erforderliche Kausalzusammenhang gegeben (vgl. OVG NRW, Urteil vom 13. Dezember 2007, a.a.O.). Wenn indes der spätere Einstellungsbewerber - wie im vorliegenden Fall - nach Abschluss des Wehr- oder Zivildienstes nicht sogleich die zum Erwerb der erforderlichen Qualifikation führende Berufsausbildung anschließt, sondern zunächst eine andere Berufsausbildung durchläuft oder eine Berufstätigkeit aufnimmt, wird der erforderliche Kausalzusammenhang zwischen seiner zeitlichen Beanspruchung durch den Wehr- oder Zivildienst und der späteren Überschreitung des Einstellungshöchstalters unterbrochen.

9 Das Kausalitätserfordernis stellt in dieser Auslegung keine Verletzung des Art. 33 Abs. 2 GG dar. Es beschränkt die Berufung auf Ausnahmetatbestände vielmehr in nicht zu beanstandender Weise auf Fälle, in denen ein Festhalten an der Höchstaltersgrenze von 40 Jahren unverhältnismäßig wäre, weil ein Verhalten des Bewerbers zur Überschreitung des Höchstalters geführt hat, das - wie die Ableistung von Diensten oder Betreuung von Kindern und Angehörigen - im öffentlichen Interesse liegt. Der Umstand, dass die Handhabung des Kausalitätserfordernisses stets alle Aspekte des jeweiligen Einzelfalles zu berücksichtigen hat, verleiht der Regelung nicht die rechtsgrundsätzliche Bedeutung, die die Beschwerde ihr zumisst. Dies betrifft sowohl Einzelfragen im Zusammenhang mit Fällen der Kindererziehung als auch des Grundwehrdienstes, des Zivildienstes oder der Ableistung eines freiwilligen sozialen Jahres.

10 Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Festsetzung des Streitwerts beruht für das Beschwerdeverfahren auf § 47 Abs. 1 und 3 sowie § 52 Abs. 5 Satz 1 Nr. 2 GKG.