Beschluss vom 03.03.2004 -
BVerwG 7 B 43.03ECLI:DE:BVerwG:2004:030304B7B43.03.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 03.03.2004 - 7 B 43.03 - [ECLI:DE:BVerwG:2004:030304B7B43.03.0]

Beschluss

BVerwG 7 B 43.03

  • VG Berlin - 18.02.2003 - AZ: VG 9 A 97.99

In der Verwaltungsstreitsache hat der 7. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 3. März 2004
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht S a i l e r
und die Richter am Bundesverwaltungsgericht G ö d e l und N e u m a n n
beschlossen:

  1. Die Beschwerde der Kläger gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Verwaltungsgerichts Berlin vom 18. Februar 2003 wird zurückgewiesen.
  2. Die Kläger tragen als Gesamtschuldner die Kosten des Beschwerdeverfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen.
  3. Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 500 000 € festgesetzt.

Die Kläger wenden sich gegen den Bescheid des Amtes zur Regelung offener Vermögensfragen Berlin ..., der die Anspruchsberechtigung der Beigeladenen auf den Erlös aus der investiven Veräußerung des Grundstücks I.straße 100 in Berlin-... festgestellt hat. Der frühere Eigentümer des Grundstücks, der jüdische Kaufmann O. M., hatte das Grundstück im Jahr 1938 an den Rechtsvorgänger der Kläger veräußert. Das Verwaltungsgericht hat die Klage abgewiesen, weil es sich bei der Veräußerung um einen Zwangsverkauf i.S. des § 1 Abs. 6 VermG gehandelt habe; die Vermutung eines verfolgungsbedingten Vermögensverlustes sei durch die Kläger nicht widerlegt worden. Die Revision hat das Verwaltungsgericht nicht zugelassen.
Die Beschwerde der Kläger gegen die Nichtzulassung der Revision hat keinen Erfolg. Die von ihnen geltend gemachten Gründe rechtfertigen nicht eine Zulassung der Revision nach § 132 Abs. 2 VwGO.
Es bedarf keiner Klärung, ob die von den Klägern angeführten Gründe für eine Zulassung der Revision durchgreifen, die die Annahme des Verwaltungsgerichts betreffen, die Kläger hätten nicht nachweisen können, dass der Veräußerer über den Kaufpreis habe frei verfügen können. Auch wenn dies zu bejahen wäre, würde dies nicht zur Zulassung der Revision führen. Ist die Entscheidung der Vorinstanz - wie hier - auf mehrere selbständig tragende Begründungen gestützt, so kann die Revision nur zugelassen werden, wenn hinsichtlich jeder dieser Begründungen ein Revisionszulassungsgrund vorliegt (stRspr; z.B. Beschluss vom 9. Dezember 1994 - BVerwG 11 PKH 28.94 - Buchholz 310 § 132 Abs. 2 Ziffer 1 Nr. 4 S. 4 m.w.N.). Diese Voraussetzung ist nicht erfüllt.
Das Verwaltungsgericht hat die Klage abgewiesen, weil die Vermutung eines verfolgungsbedingten Vermögensverlustes nach § 1 Abs. 6 Satz 2 VermG i.V.m. Art. 3 Abs. 1 Buchst. b der Anordnung BK/0 (49) 180 der Alliierten Kommandantur Berlin vom 26. Juli 1949 (VOBl für Groß-Berlin I S. 221) - zukünftig: REAO - nicht widerlegt worden sei. Zur Widerlegung der Vermutung ist der Nachweis erforderlich, dass der Veräußerer einen angemessenen Kaufpreis erhalten hat und dass er über ihn frei verfügen konnte. Bei Veräußerungen ab dem 15. September 1935 ist zur Widerlegung der Vermutung zusätzlich der Nachweis erforderlich, dass das Rechtsgeschäft seinem wesentlichen Inhalt nach auch ohne die Herrschaft des Nationalsozialismus abgeschlossen worden wäre oder der Erwerber in besonderer Weise und mit wesentlichem Erfolg den Schutz der Vermögensinteressen des Berechtigten oder seines Rechtsvorgängers wahrgenommen hat, z.B. durch Mitwirkung bei einer Vermögensübertragung ins Ausland. Das Verwaltungsgericht hat offen gelassen, ob der vereinbarte Kaufpreis angemessen war. Zur Widerlegung der Vermutung sei aber der Nachweis nicht erbracht, dass der Kaufpreis in die freie Verfügung des Veräußerers O. M. gelangt ist (Art. 3 Abs. 2 REAO). Außerdem scheitere die Widerlegung der Vermutung daran, dass den Klägern nicht i.S. des Art. 3 Abs. 3 REAO der Nachweis gelungen sei, dass das Rechtsgeschäft seinem wesentlichen Inhalt nach auch ohne die Herrschaft des Nationalsozialismus abgeschlossen worden wäre; ebenso hätten sie nicht nachweisen können, dass der Erwerber G. B. in besonderer Weise und mit wesentlichem Erfolg den Schutz der Vermögensinteressen des Veräußerers O. M. wahrgenommen habe.
Durchgreifende Zulassungsgründe gegen die Feststellung des Verwaltungsgerichts, dass eine Widerlegung der Vermutung i.S. des Art. 3 Abs. 3 REAO nicht gelungen sei, machen die Kläger nicht geltend. Sie greifen insoweit die Feststellung des Verwaltungsgerichts an, dass eine besondere Fürsorge des G. B. hinsichtlich der Vermögensinteressen des O. M. nicht nachgewiesen sei. Ihre Ausführungen hierzu beschränken sich im Wesentlichen darauf, dass sie ihre eigene Beweiswürdigung an die Stelle derjenigen des Gerichts setzen. Die Grundsätze der Beweiswürdigung sind jedoch revisionsrechtlich dem materiellen Recht zuzuordnen. Mit Angriffen gegen die Beweiswürdigung kann daher grundsätzlich ein Verfahrensmangel i.S. von § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO nicht begründet werden (Beschluss vom 12. Januar 1995 - BVerwG 4 B 197.94 - Buchholz 406.12 § 22 BauNVO Nr. 4 S. 4). Einen Verstoß gegen Denkgesetze, der im Rahmen eines Indizienbeweises als Verfahrensfehler in Betracht kommt (Beschluss vom 12. Januar 1995 - a.a.O.), zeigen die Kläger nicht auf.
Der allgemeine Hinweis der Kläger darauf, das Verwaltungsgericht habe die Rückerstattungsakten nicht mit der gebotenen Sorgfalt erforscht und verwertet, bezeichnet noch keinen Verfahrensfehler. Soweit die Kläger geltend machen wollen, dass das Verwaltungsgericht unter Verstoß gegen § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO auf der Grundlage eines unvollständigen oder unrichtigen Sachverhalts entschieden habe, hätte es zur Bezeichnung des Verfahrensmangels i.S. des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO im Einzelnen der Darlegung bedurft, welche konkreten entscheidungserheblichen Tatsachen das Verwaltungsgericht ausgeblendet hat. Hieran fehlt es, soweit es die Widerlegung nach Art. 3 Abs. 3 REAO betrifft.
Auch die insoweit erhobene Rüge einer Abweichung von dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 24. Januar 2002 - BVerwG 8 C 12.01 - (BVerwGE 115, 360) genügt nicht den Darlegungsanforderungen des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO. Eine Divergenz i.S. des § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO kann nur dann als hinreichend bezeichnet angesehen werden, wenn die Beschwerdeführer einen inhaltlich bestimmten, die angefochtene Entscheidung tragenden abstrakten Rechtssatz benennen, mit dem die Vorinstanz einem in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts aufgestellten ebensolchen Rechtssatz in Anwendung derselben Rechtsvorschrift widersprochen hat. Das Aufzeigen einer vermeintlich fehlerhaften oder unterbliebenen Anwendung von Rechtssätzen, die das Bundesverwaltungsgericht in seiner Rechtsprechung aufgestellt hat, genügt dagegen nicht den Zulässigkeitsanforderungen einer Divergenzrüge (Beschluss vom 19. August 1997 - BVerwG 7 B 261.97 - Buchholz 310 § 133 <n.F.> VwGO Nr. 26 S. 14). Hierauf beschränken sich die Darlegungen der Kläger.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2, § 159 Satz 2 und § 162 Abs. 3 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 14 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3, § 13 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 sowie § 73 Abs. 1 Satz 2 GKG.