Beschluss vom 02.11.2009 -
BVerwG 1 WB 19.09ECLI:DE:BVerwG:2009:021109B1WB19.09.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 02.11.2009 - 1 WB 19.09 - [ECLI:DE:BVerwG:2009:021109B1WB19.09.0]

Beschluss

BVerwG 1 WB 19.09

In dem Wehrbeschwerdeverfahren hat der 1. Wehrdienstsenat des Bundesverwaltungsgerichts durch
den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Golze,
die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Frentz und
den Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Langer
am 2. November 2009 beschlossen:

  1. Das Verfahren wird eingestellt.
  2. Die dem Antragsteller im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht einschließlich der im vorgerichtlichen Verfahren erwachsenen notwendigen Aufwendungen werden dem Bund auferlegt.

Gründe

I

1 Der Antragsteller ist Berufssoldat in der Laufbahn der Offiziere des militärfachlichen Dienstes.

2 Unter dem 25. Januar 2008 erstellte der Inspektionschef der ... Inspektion der Lehrgruppe ... der ...akademie der Bundeswehr eine planmäßige Beurteilung für den Antragsteller (Vorlagetermin 31. März 2008) nach den neugefassten „Bestimmungen über die Beurteilungen der Soldatinnen und Soldaten der Bundeswehr“ (ZDv 20/6) vom 17. Januar 2007. Bei der Bewertung der Aufgabenerfüllung auf dem Dienstposten erreichte der Antragsteller einen Durchschnittswert von „7,50“. Unter dem 18. Februar 2008 nahm die Kommandeurin der Lehrgruppe ... der ...akademie als nächsthöhere Vorgesetzte zu der Beurteilung Stellung und bestätigte dabei die Bewertung der Aufgabenerfüllung auf dem Dienstposten. Mit seiner Stellungnahme vom 30. Juni 2008 setzte der Kommandeur der ...akademie als weiterer höherer Vorgesetzter die Bewertung der Aufgabenerfüllung auf dem Dienstposten bei zwei Einzelmerkmalen um jeweils einen Punkt herab, sodass sich ein Durchschnittswert von „7,30“ ergab; außerdem änderte er die von der Kommandeurin der Lehrgruppe ... getroffene Entwicklungsprognose „Förderung bis in die höchsten Verwendungen der Laufbahn“ in „oberhalb der allgemeinen Laufbahnperspektive“.

3 Mit Schreiben vom 1. Juli 2008 legte der Antragsteller Beschwerde gegen die Stellungnahme des weiteren höheren Vorgesetzten ein und wandte sich insbesondere gegen die Korrektur der Bewertung seines Persönlichkeits- und Leistungsbilds durch die seiner Auffassung nach unzulässige Verwendung von namentlichen Beurteilungsspiegeln im Zuge von Abstimmungsgesprächen zur Durchsetzung von Richtwertvorgaben. Unter dem 3. August 2008 erhob der Antragsteller weitere Beschwerde wegen Untätigkeit. Mit Bescheid vom 10. Februar 2009 wies der Inspekteur ... der Bundeswehr die weitere Beschwerde zurück; die Vorgehensweise bei der Erstellung der Beurteilung des Antragstellers und insbesondere die Stellungnahme des Kommandeurs der ...akademie entspreche den Vorgaben der ZDv 20/6 und sei rechtlich nicht zu beanstanden. Hiergegen beantragte der Antragsteller die gerichtliche Entscheidung durch das Bundesverwaltungsgericht.

4 Mit Beschluss vom 26. Mai 2009 - BVerwG 1 WB 48.07 - (zur Veröffentlichung in BVerwGE und Buchholz vorgesehen) hat der Senat entschieden, dass für das durch die Beurteilungsbestimmungen vom 17. Januar 2007 eingeführte Richtwertesystem keine hinreichende normative Grundlage besteht. Dienstliche Beurteilungen und Stellungnahmen nächsthöherer Vorgesetzter, die auf der Anwendung dieses Richtwertesystems beruhten, seien daher rechtswidrig.

5 Unter Bezugnahme auf diese Entscheidung hob der Amtschef des ...amts mit Verfügung vom 30. Juli 2009 die Beurteilung des Antragstellers und die dazugehörenden Stellungnahmen von Vorgesetzten auf. Unter dem 13. Oktober 2009 erklärte der Antragsteller daraufhin seinen Antrag für in der Hauptsache erledigt. Der Inspekteur ... teilte mit Schreiben vom 26. Oktober 2009 mit, dass er der Erledigungserklärung nicht entgegentrete.

6 Wegen der Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Akten Bezug genommen. Die Beschwerdeakte des Inspekteurs ... - Az.: WB 14/08 - und die Personalgrundakte des Antragstellers, Hauptteile A bis D, haben dem Senat bei der Beratung vorgelegen.

II

7 Nachdem die Beteiligten den Rechtsstreit in der Hauptsache übereinstimmend für erledigt erklärt haben, ist das Verfahren in entsprechender Anwendung von § 92 Abs. 3 Satz 1 VwGO einzustellen und gemäß § 21 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. § 20 Abs. 3 WBO nur noch über die Kosten des Verfahrens zu entscheiden. Für die Kostenentscheidung sind die im Prozessrecht allgemein geltenden Grundsätze maßgebend. Danach ist bei übereinstimmender Erledigungserklärung über die Kosten nach billigem Ermessen unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes zu entscheiden (§ 20 Abs. 3 WBO, § 161 Abs. 2 Satz 1 VwGO; stRspr, vgl. etwa Beschluss vom 22. April 2008 - BVerwG 1 WB 4.08 - m.w.N.).

8 Der Amtschef des ...amts hat mit Verfügung vom 30. Juli 2009 die Beurteilung vom 25. Januar 2008 einschließlich der dazugehörenden Stellungnahmen, insbesondere der hier angefochtenen Stellungnahme des weiteren höheren Vorgesetzten vom 30. Juni 2008, aufgehoben und den Antragsteller damit klaglos gestellt. In einem solchen Fall entspricht es nach ständiger Rechtsprechung des Senats (vgl. Beschlüsse vom 6. November 2007 - BVerwG 1 WB 27.07 - und vom 22. April 2008 - BVerwG 1 WB 4.08 -) in der Regel der Billigkeit, die dem Antragsteller im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht einschließlich der im vorgerichtlichen Verfahren erwachsenen notwendigen Aufwendungen dem Bund aufzuerlegen.

9 Darüber hinaus hätte der Antrag auf gerichtliche Entscheidung bei streitiger Entscheidung voraussichtlich aus den Gründen des Senatsbeschlusses vom 26. Mai 2009 - BVerwG 1 WB 48.07 - Erfolg gehabt. Die dort getroffene Aussage, dass für das durch die Beurteilungsbestimmungen vom 17. Januar 2007 eingeführte Richtwertesystem keine hinreichende normative Grundlage besteht, gilt auch für die Stellungnahme des weiteren höheren Vorgesetzten gemäß Nr. 911 ZDv 20/6; diese ist rechtswidrig, soweit sie tragend auf der Anwendung des Richtwertesystems beruht. Die Herabsetzung der Bewertung der Aufgabenerfüllung auf dem Dienstposten bei zwei Einzelmerkmalen und damit zugleich des Durchschnittswerts der Aufgabenerfüllung diente - wie sich aus der Stellungnahme vom 30. Juni 2008 selbst, dem Beschwerdebescheid und dem Vorlageschreiben des Inspekteurs ... sowie den in der Beschwerdeakte befindlichen Äußerungen des Amtschefs des ...amts und des Kommandeurs der ...akademie ergibt - erklärtermaßen der Einhaltung und Durchsetzung der Richtwertvorgaben (Nr. 911 Buchst. a Satz 3 i.V.m. Nr. 906 Buchst. c und Nr. 610 ZDv 20/6). Die Stellungnahme des Kommandeurs der ...akademie vom 30. Juni 2008 wäre deshalb aufzuheben gewesen.

10 Soweit der Amtschef des ...amts außer der Stellungnahme des weiteren höheren Vorgesetzten auch die Beurteilung vom 25. Januar 2008 und die Stellungnahme der nächsthöheren Vorgesetzten vom 18. Februar 2008 aufgehoben hat, ist dies nicht Gegenstand des vorliegenden Verfahrens. Der Antragsteller hat mit seiner Beschwerde vom 1. Juli 2008 nur die Stellungnahme des weiteren höheren Vorgesetzten angefochten; die - für ihn günstige - Beurteilung und Stellungnahme der nächsthöheren Vorgesetzten hat er bestandskräftig werden lassen. Die nachträgliche Aufhebung auch dieser beiden Maßnahmen stellt für den Antragsteller eine neue selbstständige Beschwer dar, die er mit einer neuen Beschwerde hätte anfechten müssen, wenn er sich dagegen hätte zur Wehr setzen wollen.