Beschluss vom 02.03.2007 -
BVerwG 5 B 63.06ECLI:DE:BVerwG:2007:020307B5B63.06.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 02.03.2007 - 5 B 63.06 - [ECLI:DE:BVerwG:2007:020307B5B63.06.0]

Beschluss

BVerwG 5 B 63.06

  • VG Berlin - 17.03.2006 - AZ: VG 31 A 85.06

In der Verwaltungsstreitsache hat der 5. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 2. März 2007
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Hund
und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Schmidt und Dr. Franke
beschlossen:

  1. Die Beschwerde des Beklagten gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Verwaltungsgerichts Berlin vom 17. März 2006 wird zurückgewiesen.
  2. Der Beklagte trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
  3. Der Wert des Streitgegenstandes wird auch für das Beschwerdeverfahren auf 500 000 € festgesetzt.

Gründe

1 Die in erster Linie auf eine Grundsatzbedeutung (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) gestützte Beschwerde ist unbegründet.

2 1. Die von der Beschwerde als rechtsgrundsätzlich bedeutsam aufgeworfene Frage, „inwieweit die Ausübung einer der in der Kontrollratsdirektive Nr. 38 in Anhang A, Abschnitt I und II bezeichneten Funktion die widerlegliche Vermutung für ein erhebliches Vorschubleisten des NS-Systems begründet“ bzw. welche Indizwirkung von der Inhaberschaft einer der in der Kontrollratsdirektive einer im Anhang A zur Kontrollratsdirektive Nr. 38 aufgeführten Funktion (eines Dienstrangs) hinsichtlich der Unwürdigkeit des Betroffenen im Sinne von § 1 Abs. 4 AusglLeistG ausgehe, rechtfertigt die Zulassung der Revision nicht.

3 Die sich insoweit stellenden Fragen sind durch das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 19. Oktober 2006 - BVerwG 3 C 39.05 - (juris) geklärt. In dieser Entscheidung, in der eine ehrenamtliche Tätigkeit als NSDAP-Kreisrichter sowie als Leiter nachgeordneter Ämter in einer NSDAP-Kreisleitung zu beurteilen war, ist ausgeführt, dass „aus der Zuordnung von Inhabern dieser Funktionen in die Kategorie der Hauptschuldigen nach der Kontrollratsdirektive Nr. 38 ... keine Vermutung dafür entnommen werden (kann), dass der Betroffene auch gemäß § 1 Abs. 4 AusglLeistG dem nationalsozialistischen System erheblichen Vorschub geleistet hat“ (vgl. Leitsatz 2 des Urteils a.a.O.). In den Entscheidungsgründen (vgl. Rn. 18 ff., 38 ff. des Urteils a.a.O. unter Bezugnahme auf das Urteil vom 17. März 2005 - BVerwG 3 C 20.04 - BVerwGE 123, 142) heißt es dazu, dass § 1 Abs. 4 AusglLeistG keine Grundlage für eine solche Vermutung aufweise und auch nach der Kontrollratsdirektive selbst eine Einstufung als Hauptschuldiger lediglich den Einstieg in das Entnazifizierungsverfahren bedeutet, die endgültige Einstufung und Sanktionierung des Betroffenen dagegen noch nicht vorgegeben habe.

4 Neue oder weiterführende Rechtsfragen in diesem Zusammenhang, welche im Interesse der Rechtseinheit und Rechtssicherheit fallübergreifend klärungsbedürftig wären und gleichwohl eine Zulassung der Revision nach § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO rechtfertigen könnten, wirft die Beschwerde nicht auf.

5 2. Soweit der Beklagte in der Beschwerdebegründung (S. 2/3) ferner geltend gemacht hat, es sei darüber hinaus „die vom Verwaltungsgericht nicht präzis ermittelte Leitungsfunktion des Rechtsvorgängers der Klägerinnen in der Militär- und Zivilverwaltung in den von der Deutschen Wehrmacht besetzten Gebieten zu rügen“, ist schon nicht klar, ob damit eine Aufklärungsrüge (Verfahrensfehler nach § 132 Abs. 2 Nr. 3 i.V.m. § 86 Abs. 1 VwGO) erhoben sein sollte. Jedenfalls wäre eine solche Verfahrensrüge unzulässig, weil sie nicht den Anforderungen des § 133 Abs. 3 VwGO entsprechend bezeichnet ist. Eine den Anforderungen des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO genügende Sachaufklärungsrüge verlangt die substantiierte Darlegung, hinsichtlich welcher tatsächlichen Umstände Aufklärungsbedarf bestanden hat, welche für geeignet und erforderlich gehaltenen Aufklärungsmaßnahmen hierfür in Betracht gekommen wären und welche tatsächlichen Feststellungen bei Durchführung der unterbliebenen Sachverhaltsaufklärung voraussichtlich getroffen worden wären. Weiterhin muss entweder dargelegt werden, dass bereits im Verfahren vor dem Tatsachengericht auf die Vornahme der Sachverhaltsaufklärung, deren Unterbleiben nunmehr gerügt wird, hingewirkt worden ist, oder dass sich dem Gericht die bezeichneten Ermittlungen auch ohne ein solches Hinwirken von sich aus hätten aufdrängen müssen (stRspr; vgl. etwa Beschluss vom 19. August 1997 - BVerwG 7 B 261.97 - Buchholz 310 § 133 VwGO n.F. Nr. 26 = NJW 1997, 3328). Daran fehlt es hier. Auch der nach Ablauf der Begründungsfrist eingereichte und schon deshalb unbeachtliche Schriftsatz vom 14. Juni 2006 wird diesen Anforderungen nicht gerecht.

6 Der Senat bemerkt allerdings, dass im Verwaltungsverfahren und im Verwaltungsgerichtsverfahren eine weitere Aufklärung bereits im Hinblick auf die bei den Verwaltungsakten befindliche Stellungnahme des Bundesamts zur Regelung offener Vermögensfragen an das Landesamt vom 11. September 2001 (S. 6/7 des Schreibens, VA Bd. II, S. 403 ff. <405 Rückseite/406>) mit den darin angeregten Anfragen an das Institut für Zeitgeschichte in München und das Niederländische Reichsinstitut für Kriegsdokumentation in Amsterdam nahegelegen hätte, obwohl das Landesamt diesen Anregungen von seinem Standpunkt aus nicht nachzugehen brauchte. Im Übrigen hätte auch schon eine Internet-Recherche unter den Suchbegriffen „Werkdienst Holland“ und „Generalbezirk Charkow“ zusätzliche Erkenntnisgewinne zur Beurteilung der festgestellten Funktionen und Tätigkeiten des Rechtsvorgängers der Klägerinnen erbringen können.

7 Von einer weiteren Begründung wird abgesehen (§ 133 Abs. 5 Satz 2 Halbs. 2 VwGO).

8 Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, die Festsetzung des Streitwerts auf § 52 Abs. 1 GKG.