Beschluss vom 02.02.2007 -
BVerwG 8 B 45.06ECLI:DE:BVerwG:2007:020207B8B45.06.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 02.02.2007 - 8 B 45.06 - [ECLI:DE:BVerwG:2007:020207B8B45.06.0]

Beschluss

BVerwG 8 B 45.06

  • VG Potsdam - 22.09.2005 - AZ: VG 1 K 2904/97

In der Verwaltungsstreitsache hat der 8. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 2. Februar 2007
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Gödel,
den Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Pagenkopf und
die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Hauser
beschlossen:

  1. Das Urteil des Verwaltungsgerichts Potsdam vom 22. September 2005 wird aufgehoben.
  2. Die Sache wird zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das Verwaltungsgericht zurückverwiesen.
  3. Die Entscheidung über die Kosten bleibt der Schlussentscheidung vorbehalten.
  4. Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 25 564,59 € festgesetzt.

Gründe

1 Die zulässige Beschwerde des Klägers ist begründet.

2 Es liegt ein geltend gemachter Verfahrensmangel vor, auf dem die Entscheidung beruhen kann (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO). Die Beschwerde rügt zu Recht, dass das Verwaltungsgericht seiner gesetzlichen Pflicht zur Aufklärung des entscheidungserheblichen Sachverhalts, § 86 Abs. 1 VwGO, nicht ausreichend nachgekommen ist. Zu den konkreten Umständen, ob und in welchem Umfang die streitgegenständlichen Grundstücke auch in Zukunft für den Schulbetrieb benötigt werden, hat es keinen Beweis erhoben, obwohl sich ihm eine solche Beweiserhebung nach Lage der Dinge aufdrängen musste. Auf die Fragen, ob das Verwaltungsgericht seine Begründungspflicht gemäß § 86 Abs. 2 VwGO verletzt hat und ob die Einholung eines Sachverständigengutachtens das geeignete Beweismittel für die aufgestellten Behauptungen ist, braucht daher nicht näher eingegangen zu werden.

3 Das Verwaltungsgericht ist ohne die erforderliche Sachaufklärung davon ausgegangen, dass der Restitutionsausschlussgrund des § 5 Abs. 1 Buchst. a VermG im vorliegenden Fall eingreift. Es ist ohne nähere Prüfung und trotz offenkundigen Rückgangs der Schülerzahlen in dem Gebiet der Beitrittsländer, die sich auch während der Verfahrensdauer im vorliegenden Verfahren manifestiert hat, ohne weitere Sachverhaltsaufklärung davon ausgegangen, dass noch zur Zeit der mündlichen Verhandlung ein öffentliches Interesse an der Nutzung der streitbefangenen Grundstücke zu Schulzwecken bestand.

4 Das Gericht hätte aber prüfen müssen, ob angesichts des Rückgangs der Schülerzahlen von 390 auf 149 zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung noch ein öffentliches Interesse an der Nutzung insbesondere des Gaststättengebäudes und der im früheren Stallgebäude eingerichteten Klassenräume besteht, und, wenn nicht, ob eine teilweise Restitution des Grundstücks möglich ist, falls weiterhin ein öffentliches Interesse an der Nutzung der Turnhalle anzunehmen ist. Ferner wäre zu klären, ob sich der Restitutionsausschlussgrund, wenn er weiterhin besteht, auch auf das - nach den Angaben des Klägers unbebaute - 80 m² große Flurstück Nr. 385 bezieht. Aufgrund der Schulentwicklungspläne aus den Jahren 1996 und für die Schuljahre 2002/2003 - 2007/2008 für das Amt B. mit seinen Aussagen über den deutlichen Rückgang der Stärke der künftigen Einschulungsjahrgänge von 1996 an (vgl. S. 252 der Gerichtsakte Bd. 2 und S. 470 Bd. 3) und aufgrund des früheren Charakters des Schulgebäudes als eine polytechnische Oberschule mit damals insgesamt 390 Schülern musste sich dem Verwaltungsgericht aufdrängen, die Tatsache einer weiteren Schulnutzung der streitgegenständlichen Grundstücke zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung im September 2005 zu überprüfen. Gerade im Hinblick auf die Äußerungen der Schulleiterin im Erörterungstermin vom 6. September 2000 zu den sinkenden Schülerzahlen und zum Umfang der tatsächlichen Nutzung und Nutzbarkeit des ehemaligen Gaststättengebäudes hätte sich dem Verwaltungsgericht eine weitere Aufklärung des Sachverhalts - durch Zeugeneinvernahme der Schulleiterin und eines Vertreters des Schulträgers - aufdrängen müssen, ob und in welchem Umfang die streitigen Flächen und Baulichkeiten für den Schulbetrieb tatsächlich benötigt werden. Es liegt auf der Hand, dass die Feststellungen aus dem Jahre 2000 die Entscheidung nicht mehr tragen können.

5 Bei einer erneuten Prüfung darf nicht außer Acht gelassen werden, dass nach der Äußerung des Vertreters der Beigeladenen in der mündlichen Verhandlung vom 22. September 2005 die Schule in R. voraussichtlich geschlossen wird. Ob und wie sich diese Schließung auf den Bedarf an der Nutzung der betroffenen Baulichkeiten auswirkt, wird das Verwaltungsgericht zu klären haben. Der vom Verwaltungsgericht bejahte Ausschlussgrund des § 5 Abs. 1 Buchst. a VermG steht und fällt mit dem Fortbestand der bisherigen Schulnutzung im öffentlichen Interesse.

6 Im Interesse der Verfahrensbeschleunigung macht der Senat daher von der Möglichkeit Gebrauch, dass angefochtene Urteil durch Beschluss aufzuheben und den Rechtsstreit zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das Verwaltungsgericht zurückzuverweisen (§ 133 Abs. 6 VwGO). Das Verwaltungsgericht hat damit Gelegenheit, dieses langwierige Verfahren durch Klärung der tatsächlichen Voraussetzungen des Ausschlussgrundes des § 5 Abs. 1 VermG einem baldigen Ende zuzuführen.

7 Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 47, 52, 72 GKG.