Beschluss vom 01.12.2006 -
BVerwG 1 B 42.06ECLI:DE:BVerwG:2006:011206B1B42.06.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 01.12.2006 - 1 B 42.06 - [ECLI:DE:BVerwG:2006:011206B1B42.06.0]

Beschluss

BVerwG 1 B 42.06

  • VGH Baden-Württemberg - 17.01.2006 - AZ: VGH A 8 S 878/05

In der Verwaltungsstreitsache hat der 1. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 1. Dezember 2006
durch die Vizepräsidentin des Bundesverwaltungsgerichts Eckertz-Höfer und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Mallmann und Hund
beschlossen:

  1. Die Beschwerde des Beigeladenen gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Beschluss des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg vom 17. Januar 2006 wird verworfen.
  2. Der Beigeladene trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Gründe

1 Die auf die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache und auf Verfahrensfehler (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 und 3 VwGO) gestützte Beschwerde ist unzulässig, da sie nicht den Darlegungsanforderungen des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO entspricht.

2 Das Berufungsgericht hat dem Beigeladenen asylrechtlichen Abschiebungsschutz nach § 51 Abs. 1 AuslG (jetzt: § 60 Abs. 1 AufenthG) versagt, weil er als Staatsangehöriger Nordkoreas nach der völkerrechtlich anerkannten Praxis der Republik Korea (Südkorea) zugleich deren Staatsangehörigkeit besitzt und dort vor politischer Verfolgung sicher ist, unter zumutbaren Bedingungen aufgenommen wird und ohne Existenzgefährdung leben kann (BA S. 3 ff.).

3 1. Die Beschwerde rügt zunächst als Verfahrensfehler, das Berufungsgericht habe den Anspruch des Beigeladenen auf rechtliches Gehör verletzt (Art. 103 Abs. 1 GG), indem es wesentliches Vorbringen offensichtlich nicht zur Kenntnis genommen und nicht in seine Entscheidung mit einbezogen habe. Sie macht geltend, der Beigeladene habe im Berufungsverfahren mit Schriftsatz vom 25. Oktober 2005 vorgetragen, dass es für ihn unmöglich sei, nach Südkorea zu gehen. Er sehe keinerlei Möglichkeit, dort eine Existenz aufzubauen. Es herrsche große Arbeitslosigkeit und nordkoreanische Flüchtlinge würden dort unzumutbar schlecht behandelt. Die tatsächliche Situation sehe anders aus, als die Erkenntnisquellen vermuten ließen. Entscheidend sei jedoch, dass er große Angst davor habe, in Südkorea von nordkoreanischen Spionen entdeckt zu werden. Spione und Agenten seien entgegen den vorhandenen Auskünften in Südkorea „gut verteilt".

4 Damit und mit ihrem weiteren Vorbringen legt die Beschwerde, die offenbar die fehlende Berücksichtigung des Schriftsatzes vom 25. Oktober 2005 rügen will, einen Gehörsverstoß nicht schlüssig dar. Im Rechtsmittelverfahren ist grundsätzlich davon auszugehen, dass das Gericht das Vorbringen der Beteiligten, wie es Art. 103 Abs. 1 GG gebietet, zur Kenntnis genommen und in Erwägung gezogen hat. Nicht jedes Vorbringen der Beteiligten braucht in den Gründen der Entscheidung ausdrücklich beschieden zu werden. Eine Gehörsverletzung kann aber festgestellt werden, wenn die Beschwerde besondere Umstände aufzeigt, aus denen sich deutlich ergibt, dass das Gericht ein bestimmtes Vorbringen nicht ernsthaft in Erwägung gezogen hat. Solche Umstände zeigt die Beschwerde indessen nicht auf. Sie macht auch nicht ersichtlich, dass der angebliche Gehörsverstoß entscheidungserheblich sein könnte. Mit seinen Ausführungen im Schriftsatz vom 25. Oktober 2005 - die im Übrigen mit denjenigen in Schriftsätzen gleichen Datums in zwei Parallelverfahren weitgehend wörtlich übereinstimmen (vgl. Beschwerdeverfahren 1 B 43.06 und 1 B 44.06 ) - ist der Beigeladene den tatsächlichen Feststellungen des Berufungsgerichts zur Problematik der Existenzgefährdung und der Gefährdung durch nordkoreanische Sicherheitsdienste im Urteil vom 3. Juni 2005 - A 8 S 199/04 - entgegengetreten, auf die sich der angegriffene Beschluss stützt. Es fehlt indessen an einer substantiierten Befassung mit diesen Feststellungen, insbesondere mit den vom Berufungsgericht herangezogenen Erkenntnisquellen. Das Berufungsgericht hat ausgeführt, dass Nordkoreaner in Südkorea keine existenzgefährdenden Lebensbedingungen vorfinden. Sie würden in einem zwei Monate dauernden Schnellkurs auf das Leben in Südkorea vorbereitet und erhielten einen größeren Geldbetrag als Starthilfe sowie monatliche Unterstützungszahlungen (BA S. 5). Damit setzt sich der Beigeladene im Schriftsatz vom 25. Oktober 2005 nicht auseinander. Ebenso fehlt es an sonstigem entscheidungserheblichem Vorbringen. Entsprechendes gilt hinsichtlich der Frage der Bedrohung von Südkoreanern durch die nordkoreanischen Sicherheitsdienste. Das Berufungsgericht hat in dem im angegriffenen Beschluss wiedergegebenen Urteil vom 3. Juni 2005 (BA S. 4) insoweit ausgeführt, Südkorea treffe vorsorglich Maßnahmen, um die Identität in Südkorea lebender Nordkoreaner geheim zu halten oder zu verschleiern. Es bestehe (nur) eine Gefährdung von Funktionären der nordkoreanischen Arbeiterpartei und von übergelaufenen Soldaten oder Offizieren. Mit diesen Feststellungen setzt sich der Beigeladene im Schriftsatz vom 25. Oktober 2005 ebenfalls nicht substantiiert auseinander. Auch insoweit zeigt die Beschwerde nicht auf, dass der gerügte Gehörsverstoß entscheidungserheblich sein könnte.

5 2. Die Beschwerde hält folgende Frage für grundsätzlich bedeutsam:
„Besteht trotz allem aufgrund der besonderen Situation des Beigeladenen ein Anspruch auf Feststellung der Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG (a.F.)/§ 60 Abs. 1 AufenthG hinsichtlich der Demokratischen Volksrepublik Korea (Nordkorea), selbst wenn Mehrstaatigkeit dergestalt vorliegt, dass alle nordkoreanischen Staatsangehörigen nach der südkoreanischen Verfassung auch die südkoreanische Staatsangehörigkeit besitzen?“

6 Die Beschwerde macht hierzu geltend, dem Beigeladenen drohe zum einen bei einer Rückkehr nach Nordkorea schwere Bestrafung bis hin zur Todesstrafe. Zum anderen wolle und könne er aufgrund seiner Befürchtung, in Südkorea von Agenten des Nordens entdeckt zu werden, ein Schutzangebot Südkoreas nicht annehmen.

7 Damit und mit ihren weiteren Ausführungen zeigt die Beschwerde nicht auf, inwiefern die aufgeworfene Frage, die sich ausdrücklich auf die besondere Situation des Beigeladenen bezieht, über den vorliegenden Einzelfall hinaus der rechtsgrundsätzlichen Klärung bedarf. Unabhängig davon ist in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts bereits rechtsgrundsätzlich geklärt, dass ein Anspruch auf asylrechtlichen Abschiebungsschutz nicht besteht, wenn ein Staat, dessen Staatsangehörigkeit der Asylsuchende besitzt, bereit und fähig ist, diesen gegen Verfolgungsmaßnahmen auf seinem Territorium zu schützen. Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den den Beteiligten bekannten Beschluss des Senats vom 29. September 2005 - BVerwG 1 B 98.05 - Bezug genommen. Soweit die Beschwerde eine Gefährdung des Beigeladenen durch „Agenten des Nordens" behauptet, steht dies mit den nicht mit durchgreifenden Verfahrensrügen angegriffenen Feststellungen des Berufungsgerichts nicht im Einklang.

8 Im Übrigen weist der Senat zur Vermeidung von Missverständnissen darauf hin, dass der Beigeladene nicht, wie er zu befürchten scheint, in Bezug auf Nordkorea schutzlos bleiben könnte. Dem Bescheid des Bundesamts für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge (jetzt: Bundesamt für Migration und Flüchtlinge) vom 21. August 2003 zufolge darf er dorthin nicht abgeschoben werden.

9 Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab (§ 133 Abs. 5 Satz 2 Halbs. 2 VwGO).

10 Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Gerichtskosten werden gemäß § 83b AsylVfG nicht erhoben. Der Gegenstandswert ergibt sich aus § 30 Satz 1 RVG.