Beschluss vom 01.11.2006 -
BVerwG 7 B 43.06ECLI:DE:BVerwG:2006:011106B7B43.06.0

Beschluss

BVerwG 7 B 43.06

  • VG Berlin - 08.02.2006 - AZ: VG 29 A 29.98

In der Verwaltungsstreitsache hat der 7. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 1. November 2006
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Sailer
und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Herbert und Neumann
beschlossen:

  1. Die Beschwerde der Beigeladenen zu 1 gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Verwaltungsgerichts Berlin vom 8. Februar 2006 wird zurückgewiesen.
  2. Die Beigeladene zu 1 trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen zu 2, die dieser selbst trägt.
  3. Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 500 000 € festgesetzt.

Gründe

1 Die Beigeladene zu 1 wendet sich gegen die vermögensrechtliche Rückübertragung eines Grundstücks an die Kläger. Das Verwaltungsgericht hat deren Klage stattgegeben und dabei angenommen, die begehrte Rückübertragung sei nicht nach § 4 Abs. 1 Satz 1 VermG wegen Unmöglichkeit der Rückübertragung ausgeschlossen. Das Verwaltungsgericht hat die Revision gegen sein Urteil nicht zugelassen. Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Beigeladenen zu 1.

2 Die Beschwerde ist unbegründet. Die geltend gemachten Gründe für eine Zulassung der Revision liegen nicht vor.

3 1. Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO. Die Beigeladene zu 1 geht mit ihrer Grundsatzrüge von einem Rechtssatz aus, den das Verwaltungsgericht zutreffend der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zu § 4 Abs. 1 Satz 1 VermG entnommen hat. Danach soll mit dem Begriff der Unmöglichkeit von der Natur der Sache her in § 4 Abs. 1 Satz 1 VermG nichts anderes ausgedrückt werden, als dass in diesen Fällen ungeachtet faktisch und rechtlich möglicher Rückgabe eine Restitution wegen der damit einhergehenden Folgen, nämlich der Gefährdung der zwischenzeitlich geänderten Nutzung des Vermögenswertes, vernünftigerweise nicht in Betracht kommen kann (Urteil vom 29. Juli 1999 - BVerwG 7 C 31.98 - Buchholz 428 § 4 Abs. 1 VermG Nr. 2). Die Beigeladene zu 1 möchte im Anschluss hieran geklärt wissen, wie die Regelung des § 4 Abs. 1 Satz 1 VermG zu verstehen sei, wenn eine „Wiederinbenutzungnahme eines Grundstücks oder Gebäudes“ durch die Restitution ausgeschlossen werde.

4 Soweit die Frage auf der Grundlage des festgestellten Sachverhalts in dem angestrebten Revisionsverfahren überhaupt beantwortet werden kann, liegt die Antwort auf der Hand.

5 Der Grund für den Ausschluss der Restitution muss grundsätzlich bei Inkrafttreten des Vermögensgesetzes vorgelegen haben und im Zeitpunkt der Rückgabe des Grundstücks noch vorliegen. Das gilt jedenfalls, wenn das Grundstück nach der schädigenden Maßnahme in seiner Nutzung geändert worden ist und diese geänderte Nutzung durch den Restitutionsausschluss geschützt werden soll. Nutzungsänderungen erst nach Inkrafttreten des Vermögensgesetzes werden durch die Ausschlussgründe regelmäßig nicht erfasst, weil der Verfügungsberechtigte nach Inkrafttreten des Vermögensgesetzes nicht erstmals einen Ausschlussgrund schaffen darf. Wird das Grundstück oder ein aufstehendes Gebäude im Zeitpunkt der Rückgabe überhaupt nicht mehr genutzt, fehlt es an einer Nutzung, die durch die Rückgabe des Grundstücks gefährdet werden kann. Ein möglicherweise zunächst bestehender, durch eine bestimmte Nutzung des Grundstücks begründeter Ausschluss der Restitution fällt mit der Aufgabe dieser Nutzung weg. Die Absicht des Verfügungsberechtigten, künftig eine neue (andere) Nutzung des Grundstücks aufzunehmen, kann grundsätzlich für sich keinen Ausschluss der Restitution begründen.

6 Der Senat könnte in einem künftigen Revisionsverfahren offenlassen, ob und gegebenenfalls unter welchen Voraussetzungen künftige Nutzungen des Grundstücks als Restitutionsausschlussgrund ausnahmsweise berücksichtigt werden dürfen. Denn das Verwaltungsgericht hat hier in tatsächlicher Hinsicht festgestellt, dass die Beigeladene zu 1 über die künftige Verwendung des Grundstücks noch nicht entschieden hat, ihre Behauptung, das Gebäude für Verwaltungszwecke wieder selbst zu nutzen, vielmehr völlig substanzlos, schwer nachvollziehbar und wenig glaubhaft sei.

7 2. Die in diesem Zusammenhang erhobene Verfahrensrüge (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) ist unbegründet. Das Verwaltungsgericht hat seine Pflicht zur Aufklärung des Sachverhalts nicht verletzt.

8 Wie die Beigeladene zu 1 selbst ausführt, hat sie der Berichterstatter des Verwaltungsgerichts am Tag vor der mündlichen Verhandlung darauf hingewiesen, dass das Gericht Fragen dazu habe, ob und in welcher Weise das Gebäude auf den zurück zu übertragenen Grundstücken wieder genutzt werden solle. Er hat die Beigeladene zu 1 aufgefordert, zur Aufklärung des Sachverhalts einen entsprechend informierten Mitarbeiter zur mündlichen Verhandlung mitzubringen. Die Beigeladene zu 1 kann eine mangelnde Aufklärung des Sachverhalts nicht daraus herleiten, dass der von ihr in der mündlichen Verhandlung gestellte Mitarbeiter zu den Fragen des Gerichts keine sachdienlichen Angaben machen konnte, weil es ihr - der Beigeladenen zu 1 - nicht möglich gewesen sei, einen entsprechend informierten Mitarbeiter in weniger als 24 Stunden zur Verfügung zu stellen, da es sich bei ihr um einen deutschen Großkonzern mit entsprechend gegliederten Einzelverantwortlichkeiten handele, die Immobilien durch eine gesonderte Abteilung verwaltet würden und sie zudem dabei durch eine externe Firma unterstützt werde. Die Beigeladene zu 1 hat nicht dargelegt, dass sie diese Schwierigkeiten dem Verwaltungsgericht vorgetragen und mit Blick hierauf um eine Vertagung der mündlichen Verhandlung nachgesucht hat. Aus der Niederschrift über die mündliche Verhandlung ergibt sich insbesondere nicht, dass der dort erschienene Bedienstete der Beigeladenen zu 1 mit den vom Verwaltungsgericht angesprochenen Fragen nicht befasst war, und deshalb nicht er, sondern andere Bedienstete der Beigeladenen zu 1 zu den klärungsbedürftigen Fragen Auskunft geben könnten. Der beanstandete Aufklärungsmangel geht mithin allein zu Lasten der Beigeladenen zu 1. Das Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde ist nicht dafür da, eine in der Vorinstanz versäumte Mitwirkung bei der Aufklärung des Sachverhalts nachzuholen.

9 Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2, § 162 Abs. 3 VwGO. Die Festsetzung des Streitwerts folgt aus § 47 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3, § 52 Abs. 1 und Abs. 4 GKG.