Beschluss vom 01.02.2011 -
BVerwG 1 WB 6.10ECLI:DE:BVerwG:2011:010211B1WB6.10.0

Leitsätze:

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1. § 23 Abs. 1 Satz 1 SBG enthält keinen Beteiligungstatbestand für die Anhörung der Vertrauensperson zur vorzeitigen Beendigung einer besonderen Auslandsverwendung („Repatriierung“).

  • Rechtsquellen
    SBG § 23 Abs. 1 Satz 1

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 01.02.2011 - 1 WB 6.10 - [ECLI:DE:BVerwG:2011:010211B1WB6.10.0]

Beschluss

BVerwG 1 WB 6.10

In dem Wehrbeschwerdeverfahren hat der 1. Wehrdienstsenat des Bundesverwaltungsgerichts durch
den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Golze,
die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Frentz,
den Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Langer,
den ehrenamtlichen Richter Oberstleutnant Held und
den ehrenamtlichen Richter Hauptfeldwebel Sommerlad
am 1. Februar 2011 beschlossen:

Der Antrag wird zurückgewiesen.

Gründe

I

1 Der Antragsteller wendet sich gegen die vorzeitige Beendigung seiner besonderen Auslandsverwendung beim .... Deutschen Einsatzkontingent ISAF in Mazar-e Sharif/Afghanistan.

2 Der 1961 geborene Antragssteller ist Berufssoldat, dessen Dienstzeit voraussichtlich mit Ablauf des 31. Juli 2015 enden wird. Mit Wirkung vom 1. Mai 2005 wurde er zum Oberstabsfeldwebel ernannt. Seit dem 1. September 2005 wurde er in der ..../Feldjägerbataillon ... in B. verwendet. Nach Mitteilung seines Bevollmächtigten ist er zurzeit bei der ..../Feldjägerbataillon ..., B., eingesetzt.

3 Das Feldjägerbataillon ... kommandierte den Antragsteller mit Verfügung vom 11. November 2008 für die Zeit vom 16. November 2008 bis zum 31. März 2009 zum .... Deutschen Einsatzkontingent ISAF in Mazar-e Sharif/ Afghanistan. Dort war der Antragsteller als Teileinheits- und Zugführer des .... Zuges im Feldjägerausbildungskommando Afghan National Police (ANP) im Camp Marmal eingesetzt.

4 Der Kompaniechef und Führer dieses Ausbildungskommandos verhängte am 20. Januar 2009 gegen den Antragsteller eine Disziplinarbuße in Höhe von 2 500 €; er legte dem Antragsteller dabei folgendes Verhalten als Dienstvergehen zur Last:
„Herr Oberstabsfeldwebel ... hat im Rahmen der Besonderen Auslandsverwendung seine Pistole P8 nicht regelmäßig nach dem 01.12.2008 ‚am Mann’ getragen, obwohl er Kenntnis von der Camp-Ordnung für das Camp Marmal in Mazar-e Sharif hatte, wo das Tragen der Waffe von allen Soldatinnen und Soldaten des Deutschen Einsatzkontingents ISAF im Rahmen des Weapon-Codes verlangt wird. Er hat seine Pistole P8 nicht getragen, obwohl ich dazu am 01.12.2008 während der Teileinheitsführerbesprechung, wo alle Teileinheitsführer vertreten waren, aufgefordert habe. Er hat seine Pistole P8 im weiteren Verlauf trotz des ‚Befehl(s) zur Regelung der Anzugsordnung und Trageweise der Oberschenkelholster für die Soldatinnen und Soldaten des Feldjägerausbildungskommandos ANP’ vom 11.12.2008 am 13., 14., 19., 22. und 23.12.2008 nicht ‚am Mann’ getragen. Insofern er sich am 20. und 21.12.2008 nicht in Ausbildungsverantwortung und der dazugehörigen Nachbereitung befand, hat er seine Pistole P8 an diesen Tagen ebenfalls nicht im Camp Marmal getragen. Des Weiteren hat er einen ihm unterstellten Soldaten, Herrn Hauptfeldwebel ..., nach dem 01.12.2008 aufgefordert, dass er eine Befehlsgebung für die Richtschützenausbildung nicht auszuarbeiten hat, obwohl ich ihm am 29.11.2008 dazu während der Teileinheitsführerbesprechung den Auftrag gegeben habe.“

5 Am 22. Januar 2009 schlug der Kompaniechef und Kommandoführer des Feldjägerausbildungskommandos ANP, Hauptmann ..., als nächster Diszi-plinarvorgesetzter die vorzeitige Beendigung der besonderen Auslandsverwendung des Antragstellers vor. Zur Begründung verwies er auf seine „Anlage Pflichtverletzungen des OStFw ...“ und führte darin aus, dass der Antragsteller infolge des wiederholten Nichttragens seiner Dienstwaffe Pistole P8 mehrfach nicht den gültigen Vorgaben nachgekommen sei, hier der Camp-Ordnung für das Camp Marmal und den Vorgaben, die auf einer Teileinheitsführerbesprechung des Feldjägerausbildungskommandos ANP vom 1. Dezember 2008 basierten sowie auf dem „Befehl zur Regelung der Anzugsordnung und Trageweise der Oberschenkelholster für die Soldatinnen und Soldaten des Feldjägerausbildungskommandos ANP“ vom 11. Dezember 2008. Außerdem habe sich der Antragsteller im Rahmen von drei Vier-Augen-Gesprächen am 23., 24. und 25. Dezember 2008 derart unsachlich geäußert, dass der Vertrauensverlust ihm gegenüber den Dienstbetrieb unannehmbar belaste. Der nächste Disziplinarvorgesetzte bezog sich in Nummern 1 bis 4 und Nr. 8 seiner Antragsbegründung auf die mit der Disziplinarbuße geahndeten Verhaltensweisen des Antragstellers; eine Kopie der Disziplinarmaßnahme war dem Vorschlag beigefügt. In Nummern 5 bis 7 seiner Antragsbegründung referierte er den Inhalt der mit dem Antragsteller geführten Vier-Augen-Gespräche. Ergänzend führte er aus, dass er sich eine erneute und konstruktive Zusammenarbeit, die auf gegenseitigem Vertrauen basieren sollte, nicht vorstellen könne.

6 Den Entwurf dieses Vorschlags hatte der Antragsteller am 18. Januar 2009 ausgehändigt erhalten; der Kompaniechef und Kommandoführer räumte ihm eine Frist zur Äußerung bis zum 21. Januar 2009 ein. Die Erörterung erfolgte am 22. Januar 2009 im persönlichen Gespräch. Ebenfalls am 18. Januar 2009 hatte der Kompaniechef den Antragsteller schriftlich über die Möglichkeit belehrt, die Anhörung der zuständigen Vertrauensperson zu beantragen. Diesen Antrag stellte der Antragsteller mit Schreiben vom 19. Januar 2009. Die Vertrauensperson der Unteroffiziere des Feldjägerausbildungskommandos ANP, Hauptfeldwebel ..., gab am 20. Januar 2009 seine Stellungnahme ab. Der Antragsteller selbst äußerte sich mit Schreiben vom 21. Januar 2009 zu der beabsichtigten Maßnahme. Als nächsthöherer Disziplinarvorgesetzter stimmte der Kommandeur des Logistikunterstützungsbataillons MES unter dem 22. Januar 2009 der vorzeitigen Beendigung der besonderen Auslandsverwendung zu. Die Endfassung des Repatriierungsvorschlags wurde dem Antragsteller am 22. Januar 2009 eröffnet und mit ihm besprochen.

7 Am 22. Januar 2009 entschied der Kommandeur des .... Deutschen Einsatzkontingents ISAF, die besondere Auslandsverwendung des Antragstellers vorzeitig mit sofortiger Wirkung zu beenden und ihn unverzüglich nach Deutschland zurückzuführen. Zur Begründung führte er aus, dass gegen den Antragsteller während seines Dienstes im Feldjägerausbildungskommando ANP eine Disziplinarmaßnahme wegen Verstoßes gegen die Camp-Ordnung und gegen geltende Befehle verhängt worden sei. Außerdem habe der Antragsteller einen unterstellten Soldaten aufgefordert, einen Auftrag des Disziplinarvorgesetzten nicht auszuführen. Aufgrund der begangenen Dienstvergehen habe der Antragsteller das Vertrauensverhältnis zu seinen Vorgesetzten unwiederbringlich zerstört und sei in der besonderen Auslandsverwendung nicht mehr tragbar.

8 Die Entscheidung des Kontingentführers wurde dem Antragsteller am 23. Januar 2009 eröffnet. Er wurde am 28. Januar 2009 nach Deutschland zurückgeführt und legte mit Schreiben vom 5. Februar 2009 gegen die Repatriierungsentscheidung Beschwerde ein. Er machte unter anderem geltend, er habe das ihm vorgeworfene Dienstvergehen nicht begangen. Überdies habe Hauptfeldwebel ... im Zeitpunkt der Entscheidung des Kontingentführers das Amt der Vertrauensperson nicht mehr innegehabt. Nach dessen Rücktritt sei er selbst, der Antragsteller, am 22. Januar 2009 amtierende Vertrauensperson gewesen. Die Entscheidung des Kontingentführers sei auch deshalb verfahrensfehlerhaft zustande gekommen, weil ein unzuständiger Disziplinarvorgesetzter die Repatriierung vorgeschlagen habe; diese Kompetenz habe nur dem nächsthöheren Disziplinarvorgesetzten zugestanden.

9 Der Befehlshaber des Einsatzführungskommandos der Bundeswehr wies die Beschwerde mit Beschwerdebescheid vom 8. April 2009 zurück. Die weitere Beschwerde des Antragstellers vom 18. Mai 2009 wies der Stellvertreter des Generalinspekteurs der Bundeswehr und Inspekteur der Streitkräftebasis mit Beschwerdebescheid vom 23. Oktober 2009 zurück.

10 Mit Schriftsatz seiner Bevollmächtigten vom 23. November 2009 hat der Antragsteller die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts beantragt. Der Stellvertreter des Generalinspekteurs der Bundeswehr und Inspekteur der Streitkräftebasis hat den Antrag mit seiner Stellungnahme vom 5. Januar 2010 dem Senat zur Entscheidung vorgelegt.

11 Zur Begründung seines Rechtschutzbegehrens trägt der Antragsteller insbesondere vor:
Die Repatriierungsentscheidung sei rechtswidrig. Die ihm vorgeworfenen Dienstpflichtverletzungen stünden nicht fest. Die Disziplinarbuße des Kompaniechefs habe er angefochten. Das Truppendienstgericht Süd habe darüber noch keine rechtskräftige Entscheidung getroffen. Er selbst sei am 22. Januar 2009 amtierende Vertrauensperson gewesen; deshalb habe er in analoger Anwendung des § 15 Abs. 1 SBG nicht repatriiert werden dürfen. Im Übrigen sei nicht der Kompaniechef Hauptmann ... für den Vorschlag zur Beendigung der besonderen Auslandsverwendung zuständig gewesen, sondern der nächsthöhere Vorgesetzte. Die eingeräumte Frist für die Stellungnahme zum Repatriierungsvorschlag sei zu kurz gewesen; sie hätte mindestens bis zum 23. Januar 2009 laufen müssen. Er selbst habe auch zur Stellungnahme des Bataillonskommandeurs vom 22. Januar 2009 angehört werden müssen, weil dieser Vorgesetzte mit seinen Wertungen über die Äußerungen des Kompaniechefs hinausgegangen sei. Insofern weise er auf § 29 Abs. 5 SG hin. Die beabsichtigte Repatriierung sei eine beteiligungspflichtige Maßnahme nach § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SBG gewesen. Am 20. Januar 2009 sei eine unzuständige Vertrauensperson beteiligt worden, weil Hauptfeldwebel ... am 19. Januar 2009 seinen Rücktritt vom Amt der Vertrauensperson der Unteroffiziere erklärt habe. Am 22. Januar 2009 sei er selbst, der Antragsteller, Vertrauensperson der Unteroffiziere gewesen; da er als verhindert habe gelten müssen, hätte sein Vertreter Hauptfeldwebel ... als Vertrauensperson angehört werden müssen. Die Anhörung der Vertrauensperson habe er im Übrigen erst am 22. Januar 2009 beantragt; diese sei anschließend jedoch nicht erfolgt. Für die Durchführung der Anhörung der Vertrauensperson sei nicht der Verfasser des Repatriierungsvorschlags, Hauptmann ..., zuständig gewesen, sondern der Kontingentführer als Träger der Rückführungsentscheidung. Der Kontingentführer hätte die Vertrauensperson zum Entwurf seiner Repatriierungsentscheidung anhören müssen. Das sei jedoch unterblieben. Im Übrigen sei mit Nichtwissen zu bestreiten, dass die angehörte Vertrauensperson vor Abgabe ihrer Äußerung überhaupt ausreichend über den Sachverhalt informiert worden sei. Hauptfeldwebel ... sei unter Verstoß gegen § 14 Abs. 1 SBG in seinen Rechten als Vertrauensperson verletzt worden.

12 Der Antragsteller beantragt
festzustellen, dass die Ablösungsentscheidung des Kommandeurs des .... Deutschen Einsatzkontingents ISAF vom 22. Januar 2009 und die Beschwerdebescheide des Befehlshabers des Einsatzführungskommandos vom 8. April 2009 sowie des Stellvertreters des Generalinspekteurs der Bundeswehr und Inspekteurs der Streitkräftebasis vom 23. Oktober 2009 rechtswidrig waren.

13 Der Stellvertreter des Generalinspekteurs der Bundeswehr und Inspekteur der Streitkräftebasis beantragt,
den Antrag zurückzuweisen.

14 Er trägt vor, für die vorzeitige Beendigung der besonderen Auslandsverwendung des Antragstellers habe ein dienstliches Bedürfnis bestanden. Gegen ihn habe der Verdacht schuldhafter Dienstpflichtverletzungen bestanden, der in der Disziplinarbuße vom 20. Januar 2009 konkretisiert sei. Die Vorgesetzten des Antragstellers hätten das Vertrauen in ihn verloren. Der Umstand, dass der Antragsteller am 23. Januar 2009 amtierende Vertrauensperson gewesen sei, habe seiner Repatriierung nicht entgegengestanden, weil die Schutzvorschrift des § 15 Abs. 1 SBG gemäß § 15 Abs. 2 SBG in diesem Fall nicht gelte. Der Antragsteller sei zum Entwurf des Repatriierungsvorschlags mit einer ausreichenden - dreitägigen - Frist zur Stellungnahme angehört worden. Seine zusätzliche Anhörung zur Stellungnahme des nächsthöheren Disziplinarvorgesetzten sei nicht erforderlich gewesen, weil dessen Äußerungen und Wertungen inhaltlich nicht über die Antragsbegründung des Kompaniechefs hinausgingen. § 29 Abs. 5 SG sei entgegen der Annahme des Antragstellers nicht einschlägig, weil Verfahrensunterlagen einer Repatriierung keine Aufnahme in die Personalakte des betroffenen Soldaten fänden. Die Vertrauensperson sei verfahrensfehlerfrei beteiligt worden.

15 Die 6. Kammer des Truppendienstgerichts Süd hat mit Beschluss vom 6. August 2009 (Az.: ...) die weitere Beschwerde des Antragstellers gegen die Disziplinarbuße vom 20. Januar 2009 - unter Nichtzulassung der Rechtsbeschwerde - mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wird. Diese Entscheidung hat das Bundesverwaltungsgericht auf die Nichtzulassungsbeschwerde des Antragstellers durch Beschluss vom 21. April 2010 (Az.: BVerwG 2 WNB 2.10 ) aufgehoben und die Sache wegen eines Verfahrensfehlers zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das Truppendienstgericht zurückverwiesen. Eine abschließende Entscheidung des Truppendienstgerichts in der Disziplinarbeschwerdesache des Antragstellers ist noch nicht ergangen.

16 Wegen des Vorbringens im Einzelnen wird auf den Inhalt der Akten Bezug genommen. Die Beschwerdeakte des Feldjägerausbildungskommandos ANP im .... Deutschen Einsatzkontingent ISAF, die Beschwerdeakten des Stellvertreters des Generalinspekteurs der Bundeswehr und Inspekteurs der Streitkräftebasis - ... und ..., die Handakte des Einsatzführungskommandos der Bundeswehr „Personalführung und -bearbeitung für Soldaten und Soldatinnen der Bundeswehr in besonderen Auslandsverwendungen“ vom 4. Januar 2008 (Stand: 29. September 2008), die Personalgrundakte des Antragstellers, Hauptteile A bis D, und die Gerichtsakte BVerwG 2 WNB 2.10 haben dem Senat bei der Beratung vorgelegen.

II

17 Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung hat keinen Erfolg.

18 1. Der Feststellungsantrag ist zulässig.

19 Die Entscheidung des Kommandeurs des .... Deutschen Einsatzkontingents ISAF vom 22. Januar 2009, die besondere Auslandsverwendung des Antragstellers vorzeitig mit sofortiger Wirkung zu beenden, stellt eine truppendienstliche Maßnahme im Sinne des § 17 Abs. 3 Satz 1 WBO dar, die der Überprüfung durch die Wehrdienstgerichte - hier durch das Bundesverwaltungsgericht (§ 22 WBO i.V.m. § 21 Abs. 1 WBO) - unterliegt.

20 Diese Maßnahme ist mit der tatsächlichen Rückführung des Antragstellers nach Deutschland am 28. Januar 2009 vollzogen worden und hat sich mit Ablauf des ursprünglich festgesetzten Kommandierungszeitraums am 31. März 2009 erledigt. Dieser Sachlage hat der Antragsteller Rechnung getragen, indem er die Feststellung beantragt, dass die Entscheidung über die vorzeitige Beendigung seiner besonderen Auslandsverwendung rechtswidrig war.

21 Nach der Rechtsprechung des Senats stellt die Entscheidung über die vorzeitige Beendigung eines Auslandseinsatzes bzw. einer besonderen Auslandsverwendung („Repatriierung“) einen Befehl dar (Beschlüsse vom 12. August 2008 - BVerwG 1 WB 35.07 - BVerwGE 132, 1 = Buchholz 450.1 § 19 WBO Nr. 2 = NZWehrr 2009, 69 und vom 28. September 2010 - BVerwG 1 WB 11.10 -). Im Falle eines ausgeführten oder anders erledigten Befehls ist ein Fortsetzungsfeststellungsantrag gemäß § 21 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. § 19 Abs. 1 Satz 2 WBO ohne Weiteres zulässig, insbesondere unabhängig davon, ob der betroffene Antragsteller ein Fortsetzungsfeststellungsinteresse dargelegt hat.

22 2. Der Antrag ist jedoch nicht begründet.

23 Die angefochtene Entscheidung des Kontingentführers vom 22. Januar 2009 war rechtmäßig und hat den Antragsteller nicht in seinen Rechten verletzt.

24 Ein Soldat hat keinen Anspruch auf eine bestimmte fachliche oder örtliche Verwendung oder auf Verwendung auf einem bestimmten Dienstposten. Ein dahingehender Anspruch lässt sich auch nicht aus der Fürsorgepflicht ableiten. Vielmehr entscheidet der zuständige Vorgesetzte oder die zuständige personalbearbeitende Stelle über die Verwendung nach pflichtgemäßem Ermessen. Das ihm nach § 3 Abs. 1 SG zustehende Verwendungsermessen hat das Bundesministerium der Verteidigung im Sinne der Gewährleistung einer gleichmäßigen Verwaltungspraxis (Art. 3 Abs. 1 GG) unter anderem in den Richtlinien zur Versetzung, zum Dienstpostenwechsel und zur Kommandierung von Soldaten vom 3. März 1988 (VMBl S. 76), zuletzt geändert durch Erlass vom 9. Juni 2009 (VMBl 2009 S. 86) - im Folgenden: Versetzungsrichtlinien - gebunden. Die Praxis orientiert sich auch in den Fällen der vorzeitigen Beendigung einer besonderen Auslandsverwendung an den Versetzungsrichtlinien. Zu ihrer Umsetzung hat das Einsatzführungskommando der Bundeswehr spezifische Regelungen in der Handakte „Personalführung und -bearbeitung für Soldaten und Soldatinnen der Bundeswehr in besonderen Auslandsverwendungen“ (EinsFüKdoBw - J 1 - Az.: 16-01-00 vom 4. Januar 2008, für das vorliegende Verfahren maßgeblicher Stand: 29. September 2008) - im Folgenden: Handakte - getroffen. Diese Praxis ist, wie der Senat wiederholt entschieden hat, rechtlich nicht zu beanstanden (Beschlüsse vom 12. August 2008 a.a.O. m.w.N. und vom 28. September 2010 - BVerwG 1 WB 11.10 -).

25 Gemäß Nr. 4 1. Spiegelstrich der Versetzungsrichtlinien kann ein Soldat versetzt - hier: vorzeitig von einer besonderen Auslandsverwendung abgelöst - werden, wenn ein dienstliches Bedürfnis besteht. Die Fallkonstellationen eines dienstlichen Bedürfnisses sind in Nr. 802 der Handakte - in Anlehnung an Nr. 5 der Versetzungsrichtlinien - näher bestimmt. Die unter Berücksichtigung des dienstlichen Bedürfnisses zu treffende Ermessensentscheidung des zuständigen Vorgesetzten kann von den Wehrdienstgerichten darauf überprüft werden, ob der Vorgesetzte den Soldaten durch Überschreiten oder Missbrauch dienstlicher Befugnisse in seinen Rechten verletzt (§ 17 Abs. 3 Satz 2 WBO) bzw. die gesetzlichen Grenzen des ihm insoweit zustehenden Ermessens überschritten oder von diesem in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht hat (§ 23a Abs. 2 WBO i.V.m. § 114 VwGO).

26 a) Unter Beachtung dieser Maßgaben weist die Repatriierungsentscheidung des - nach Nr. 803 der Handakte dafür zuständigen - Kontingentführers keine materiellrechtlichen Fehler auf.

27 aa) Für die vorzeitige Beendigung der besonderen Auslandsverwendung des Antragstellers bestand ein dienstliches Bedürfnis. Gemäß Nr. 802 5. Spiegelstrich der Handakte (in Anlehnung an Nr. 5 Buchst. h der Versetzungsrichtlinien) liegt ein dienstliches Bedürfnis regelmäßig vor, wenn Störungen, Spannungen und/oder Vertrauensverluste, die den Dienstbetrieb unannehmbar belasten, nur durch vorzeitige Beendigung der besonderen Auslandsverwendung des Soldaten behoben werden können.

28 Der Kontingentführer hat zutreffend angenommen, dass Vertrauensverluste in diesem Sinne eingetreten waren. Maßgeblicher Zeitpunkt für die rechtliche Beurteilung ist bei einem erledigten Anfechtungsantrag der Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung, spätestens aber der Zeitpunkt, in dem sich die angefochtene Maßnahme erledigt hat (vgl. Beschlüsse vom 12. August 2008 a.a.O. m.w.N. und vom 28. September 2010 - BVerwG 1 WB 11.10 -). Das war hier der 31. März 2009, der Zeitpunkt, an dem die Kommandierung des Antragstellers zum .... Deutschen Einsatzkontingent ISAF ursprünglich planmäßig enden sollte.

29 Vertrauensverluste, die den Dienstbetrieb unannehmbar belasten, können sich nach ständiger Rechtsprechung des Senats nicht nur aus einem feststehenden Dienstvergehen, sondern grundsätzlich auch schon aus dem Verdacht einer schuldhaften Dienstpflichtverletzung durch den Soldaten ergeben (vgl. Beschlüsse vom 29. Mai 2008 - BVerwG 1 WDS-VR 10.08 -, vom 12. August 2008, a.a.O. und vom 28. September 2010 - BVerwG 1 WB 11.10 -). Hierfür genügen nicht, wie der Antragsteller in seiner Stellungnahme zum Repatriierungsvorschlag andeutet, beliebige aus der Luft gegriffene Beschuldigungen. Erforderlich ist - je nach den Umständen des Einzelfalls - ein hinreichendes Maß an Konkretheit des Verdachts sowie ein hinreichendes Gewicht des Dienstvergehens, auf das sich der Verdacht bezieht (Beschluss vom 12. August 2008 a.a.O.). Diese Voraussetzungen sind hier erfüllt. Am Einsatzort in Mazar-e Sharif wurden gegen den Antragsteller wegen der in Rede stehenden Vorwürfe umfangreiche Ermittlungen durch den Disziplinarvorgesetzten durchgeführt. Zahlreiche Zeugen wurden vernommen. Der Verdacht der wiederholten Dienstpflichtverletzung hat sich dann in der gegen den Antragsteller - noch vor seiner Repatriierung - verhängten Disziplinarbuße vom 20. Januar 2009 konkretisiert. Das Gewicht der strittigen Dienstpflichtverletzungen beruht darauf, dass ihm mehrfache Verstöße gegen Anordnungen und Befehle vorgeworfen werden, woraus unter anderem Verletzungen der Pflichten aus § 7 SG und § 11 Abs. 1 SG resultieren können. Der gegen den Antragsteller bestehende Verdacht schuldhafter Dienstpflichtverletzungen war am 31. März 2009 - und ist bis heute - nicht ausgeräumt oder soweit gemildert, dass er die Ablösung des Antragstellers nicht mehr hätte rechtfertigen können.

30 Die Einschätzung des Kontingentführers, dass das mit der Disziplinarbuße geahndete Fehlverhalten des Antragstellers zu Vertrauensverlusten geführt hat, die den Dienstbetrieb im Einsatzkontingent und insbesondere im Feldjägerausbildungskommando „ANP“ unannehmbar belasteten, ist rechtlich nicht zu beanstanden. Mit dem hinreichend konkretisierten Verdacht wiederholter Dienstpflichtverletzungen wurde nicht nur die Vorbildfunktion des Antragstellers als eines Teileinheits- und Zugführers gegenüber seinen untergebenen Soldaten durchgreifend in Frage gestellt, sondern auch das Vertrauen seiner Disziplinarvorgesetzten in seine Bereitschaft, gegebene Befehle umzusetzen und militärische Anordnungen einzuhalten. Die eingetretenen Vertrauensverluste im Verhältnis zu seinem nächsten Disziplinarvorgesetzten hat der Antragsteller im Rahmen seiner Äußerung vom 21. Januar 2009 seinerseits ausdrücklich bestätigt.

31 bb) Der vorzeitigen Beendigung der besonderen Auslandsverwendung des Antragstellers stand nicht entgegen, dass dieser nach Darstellung seines Bevollmächtigten am Tag der Repatriierungsentscheidung des Kontingentführers als Vertrauensperson der Unteroffiziere des Feldjägerausbildungskommandos ANP amtierte.

32 Mit Schreiben vom 19. Januar 2009 hatte Hauptfeldwebel ... seinen Rücktritt vom Amt der Vertrauensperson der Unteroffiziere „zum 22. Januar 2009“ erklärt. Nach dem objektiven Wortlaut dieser Erklärung, wie ihn auch die Vorgesetzten des Antragstellers verstanden haben, sollte die Niederlegung des Amtes damit erst am 22. Januar 2009 wirksam werden. Eine derartige Fixierung der Wirksamkeit des Rücktritts auf einen bestimmten (späteren) Termin ist im Rahmen des § 10 SBG zulässig (Gronimus, Die Beteiligungsrechte der Vertrauenspersonen in der Bundeswehr, 6. Aufl. 2009, § 10 SBG Rn. 9 und 15 m.w.N.; Altvater/Hamer/Kröll/Lemcke/Peiseler, BPersVG, 6. Aufl. 2008, § 10 SBG Rn. 2). Wenn infolgedessen der Antragsteller, der zuvor stellvertretende Vertrauensperson der Unteroffiziere war, am Tag der Repatriierungsentscheidung das Amt der Vertrauensperson selbst wahrgenommen hat, kam ihm die Mandatsschutz-Bestimmung des § 15 Abs. 1 Satz 1 SG gleichwohl nicht zugute. Das ergibt sich aus § 15 Abs. 2 SBG. Diese Vorschrift ist nach der Rechtsprechung des Senats so auszulegen, dass sie nicht nur „Versetzungen aus dem Ausland“, sondern im weiteren Sinne alle Entscheidungen erfasst, die die Auslandsverwendung eines Soldaten beenden. Ein Soldat im Amt der Vertrauensperson genießt deshalb gegen die vorzeitige Beendigung seiner besonderen Auslandsverwendung keinen spezifischen Schutz gemäß § 15 Abs. 1 Satz 1 SBG (Beschluss vom 12. August 2008 a.a.O.).

33 cc) Die Ermessensentscheidung des Kontingentführers ist auch im Übrigen rechtlich nicht zu beanstanden. Es sind keine Umstände ersichtlich, die es als ermessensfehlerhaft oder missbräuchlich erscheinen lassen, dass von der Möglichkeit, den Antragsteller von seiner besonderen Auslandsverwendung abzulösen, Gebrauch gemacht wurde. Insbesondere war es nicht geboten, die von der Vertrauensperson vorgeschlagene Verwendung des Antragstellers in den Bereichen „Erhebungen/Ermittlungen“ sowie im Provost Marshal-Office als milderes Mittel im Verhältnis zur Repatriierung in Erwägung zu ziehen. Die Repatriierungsentscheidung ist maßgeblich von dem Aspekt getragen, dass der Antragsteller durch das mit der Disziplinarbuße geahndete Verhalten seine Integrität als tadelsfreier Unteroffizier mit Portepee - obendrein im Spitzendienstgrad - gravierend beeinträchtigt hatte. Das wird nicht nur durch die Äußerungen der Disziplinarvorgesetzten des Antragstellers im Repatriierungsvorschlag belegt. Im Rahmen der disziplinarischen Ermittlungen haben unter anderem auch Stabsfeldwebel ... und Hauptfeldwebel ... in ihren Zeugenaussagen das Verhalten des Antragstellers als eines Oberstabsfeldwebels nicht würdig bezeichnet. Hinzu kommt, dass der Einsatz eines Soldaten im Bereich „Ermittlungen“ äußerst problematisch ist, wenn er selbst Gegenstand umfangreicher Ermittlungen ist. Diese Gesichtspunkte konnte der Kontingentführer ohne Rechtsfehler als wesentliche Erwägungen dafür ansehen, den Antragsteller nach Deutschland zurückzuführen und ihn nicht bis zum 31. März 2009 im Auslandseinsatz zu belassen.

34 b) Die Repatriierungsentscheidung des Kontingentführers weist auch keine formellen Fehler auf.

35 aa) Der Kompaniechef und Führer des Feldjägerausbildungskommandos ANP, Hauptmann ..., war als nächster Disziplinarvorgesetzter des Antragstellers für den Repatriierungsvorschlag sachlich zuständig. Das ergibt sich - in Umsetzung von Nr. 9 Abs. 1 Satz 1 der Versetzungsrichtlinien - ausdrücklich aus Nr. 805 der Handakte. Danach wird eine vorzeitige Beendigung der besonderen Auslandsverwendung aus dienstlichen Gründen regelmäßig vom nächsten Disziplinarvorgesetzten vorgeschlagen. Diesem Regelfall stand im Verfahren des Antragstellers die Bestimmung in § 14 Abs. 2 Satz 1 SBG nicht entgegen. Nach dieser Vorschrift ist der nächsthöhere Disziplinarvorgesetzte für die disziplinare Ahndung von Dienstvergehen der Vertrauensperson oder des nach § 13 SBG eingetretenen Vertreters zuständig. Dem Geltungs- und Schutzbereich des § 14 Abs. 2 Satz 1 SBG unterfällt die vorzeitige Beendigung einer besonderen Auslandsverwendung indessen nicht, weil diese Maßnahme keine disziplinare Ahndung enthält und eine solche auch nicht verfahrensrechtlich vorbereitet. Das haben der Befehlshaber des Einsatzführungskommandos der Bundeswehr in seinem Beschwerdebescheid und der Bundeswehrdisziplinaranwalt in seinem Schriftsatz vom 3. Juni 2010 zutreffend hervorgehoben.

36 bb) Der nächste Disziplinarvorgesetzte hat seinen Vorschlag ausführlich begründet; damit ist den Anforderungen in Nr. 9 Abs. 1 Satz 2 der Versetzungsrichtlinien und in Nr. 805 der Handakte Rechnung getragen.

37 cc) Die Anhörung des Antragstellers zum Vorschlag der vorzeitigen Beendigung seiner besonderen Auslandsverwendung ist verfahrensfehlerfrei durchgeführt worden.

38 Die ihm zur Stellungnahme eingeräumte Frist bis zum 21. Januar 2009 war ausreichend; mit ihr hat Hauptmann ... die in der Regel höchstzulässige Drei-Tages-Frist nach Nr. 9 Abs. 3 Satz 3 der Versetzungsrichtlinien und Nr. 805 der Handakte - ausgehend von dem Termin der Eröffnung des Vorschlags im Entwurf am 18. Januar 2009 - zugunsten des Antragstellers voll ausgeschöpft. Nach Nr. 9 Abs. 3 Satz 1 der Versetzungsrichtlinien und Nr. 805 der Handakte ist der betroffene Soldat „zu den Gründen“ für die vorzeitige Beendigung seiner besonderen Auslandsverwendung zu hören. Die Regelung soll nach ihrem Wortlaut und Schutzzweck gewährleisten, dass der betroffene Soldat rechtliches Gehör zu dem Inhalt der Repatriierungsgründe erhält. Die Regelung kann dagegen nicht weitergehend dahin interpretiert werden, dass der Soldat außerdem - gleichsam verfahrensbegleitend - in jedem einzelnen Stadium des Repatriierungsvorschlags anzuhören sei. Der Inhalt der Repatriierungsgründe wird grundsätzlich - wie auch hier - schon im Entwurf des Vorschlags dargelegt. Der Antragsteller war zu diesem Entwurf bereits angehört worden. Er hatte aber keinen Anspruch darauf, zur Endfassung des Vorschlags noch einmal rechtliches Gehör zu erhalten. Die Endfassung des Repatriierungsvorschlags war ihm lediglich in Schriftform zu eröffnen (Nr. 9 Abs. 3 Satz 5, Abs. 4 Satz 1 der Versetzungsrichtlinien und Nr. 805 der Handakte). Das ist aktenkundig am 22. Januar 2009 geschehen.

39 Eine spezielle Anhörung des betroffenen Soldaten zum Inhalt der Repatriierungsgründe (in Gestalt einer Entwurfsaushändigung und Erörterung) ordnet Nr. 805 der Handakte in Anlehnung an Nr. 9 Abs. 3 Satz 4 der Versetzungsrichtlinien an, wenn höhere Disziplinarvorgesetzte Formulierungen oder Wertungen in ihre Äußerungen aufzunehmen beabsichtigen, die über die Aussagen, Behauptungen oder Wertungen des vorschlagenden Disziplinarvorgesetzten hinausgehen und von ihnen abweichen, und die dem betroffenen Soldaten ungünstig sind oder ihm nachteilig werden können. Diese Voraussetzung war bei der Stellungnahme, die der Kommandeur des Logistikunterstützungsbataillons MES am 22. Januar 2009 als nächsthöherer Disziplinarvorgesetzter abgegeben hat, nicht erfüllt.

40 Der Antragsteller hat im Schriftsatz vom 14. Dezember 2009 pauschal geltend gemacht, der Bataillonskommandeur habe sich in seiner Äußerung nicht nur auf den behaupteten Vertrauensverlust, sondern „nun auch auf vermeintlich begangene Dienstpflichtverletzungen“ bezogen. Der Inhalt dieses Vorbringens trifft nicht zu. In seinem Repatriierungsvorschlag hat Hauptmann ... sowohl in der Begründung als auch im Bezug bei der Bezeichnung der Anlagen ausdrücklich die „Dienstpflichtverletzungen des OStFw ...“ benannt. Schon der Entwurf des Vorschlags hatte neben dem Aspekt des Vertrauensverlusts als Schwerpunkt die Dienstpflichtverletzungen enthalten; dementsprechend ist der Antragsteller in seiner Stellungnahme vom 21. Januar 2009 (ab Seite 2 oben) ausführlich auf beide Gesichtspunkte eingegangen. Davon abgesehen besteht auch im Übrigen zwischen den Äußerungen des nächsten Disziplinarvorgesetzten und denen des Bataillonskommandeurs nicht die von Nr. 805 der Handakte vorausgesetzte inhaltliche Divergenz. Der Bataillonskommandeur hat in seiner Stellungnahme „dem Antrag auf Repatriierung von OStFw ... ... in jeder Hinsicht zugestimmt“. In seinen anschließenden Ausführungen hat er die Gründe des Repatriierungsvorschlags mit eigenen Worten wiederholt; dabei ist er von demselben Sachverhalt ausgegangen wie der Kompaniechef Hauptmann .... Er hat die nachhaltige Störung des Vertrauensverhältnisses zwischen dem Kompaniechef und dem Antragsteller sowie die Störung eines geordneten Dienstbetriebes festgestellt. Außerdem hat er sich auf die Dienstpflichtverletzungen des Antragstellers bezogen. Genau diese Aspekte und die unannehmbare Belastung des Dienstbetriebes hatte der nächste Disziplinarvorgesetzte in seinem Repatriierungsvorschlag in gleicher Weise betont. Der Umstand, dass Hauptmann ... dabei die unannehmbare Belastung des Dienstbetriebs auf den eingetretenen Vertrauensverlust und auf „derart unsachliche Äußerungen“ des Antragstellers gestützt hat, während der Bataillonskommandeur insoweit von „absichtlicher und provokanter“ Störung eines geordnetes Dienstbetriebs spricht, stellt keine inhaltlich weitergehende und abweichende Aussage oder Wertung dar. Der letzte Satz in der Stellungnahme des Bataillonskommandeurs, dass „die Auftragserfüllung des Feldjägerausbildungskommandos ANP“ bei einem Verbleib des Antragstellers im Einsatzgebiet „nachhaltig gefährdet wäre“, ist lediglich die Zusammenfassung der prognostischen Erklärung des nächsten Disziplinarvorgesetzten, dass sich dieser - insbesondere als Kommandoführer - eine erneute und konstruktive vertrauensvolle Zusammenarbeit mit dem Antragsteller nicht vorstellen könne. Danach war der Bataillonskommandeur nicht verpflichtet, seine Stellungnahme dem Antragsteller im Entwurf zu eröffnen und mit ihm zu erörtern.

41 dd) Zu der vorzeitigen Beendigung der besonderen Auslandsverwendung ist die zuständige Vertrauensperson - hier die Vertrauensperson der Unteroffiziere des Feldjägerausbildungskommandos ANP - in einer Form angehört worden, die Rechte des Antragstellers nicht verletzt hat.

42 Die Pflicht zur Anhörung der Vertrauensperson ergab sich hier nicht aus § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SBG. Zwar ist das Soldatenbeteiligungsgesetz nach der Rechtsprechung des Senats im Ausland grundsätzlich anwendbar (Beschluss vom 22. Juli 2009 - BVerwG 1 WB 15.08 - BVerwGE 134, 246 = Buchholz 449.7 § 32 SBG Nr. 1). § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SBG betrifft jedoch nach seinem eindeutigen Wortlaut nur Kommandierungen.

43 Die vorzeitige Beendigung einer besonderen Auslandsverwendung stellt keine (Rück-)Kommandierung eines Soldaten dar. Mit einer Kommandierung wird nach der Definition in Nr. 7 Abs. 1 ZDv 14/5 Teil B 171 der Befehl zur vorübergehenden Dienstleistung bei einer anderen Dienststelle oder an einem anderen Dienstort oder bei einer sonstigen (auch nicht deutschen) Stelle gegeben. Das heißt mit anderen Worten, dass die zuständige Stelle mit ihrer Kommandierungsverfügung auch und vor allem die termingenaue Befristung der vorübergehenden Dienstleistung anordnet, so dass es für die Rückkehr des kommandierten Soldaten in seine Einheit keiner erneuten Verwendungs- und Befristungsentscheidung bedarf. Dementsprechend ist der Regelungsgehalt der vorzeitigen Beendigung einer besonderen Auslandsverwendung darauf reduziert, dass der zuständige Kontingentführer lediglich den Zeitpunkt der Rückkehr des Soldaten - abweichend von der ursprünglichen Kommandierungsanordnung - aufgrund einer eigenen Ermessensentscheidung neu festlegen darf. Dieser Gegenstand wird von § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SBG nicht erfasst.

44 Entgegen der Auffassung des Antragstellers kommt eine analoge Anwendung des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SBG auf den Fall der vorzeitigen Beendigung einer besonderen Auslandsverwendung nicht in Betracht. Der Gesetzgeber hat in § 23 Abs. 1 Satz 1 SBG eine abschließende Regelung für die antragsabhängig beteiligungsfähigen, in der Regel auch beteiligungspflichtigen Personalmaßnahmen getroffen. Das folgt bereits aus dem Gesetzeswortlaut. Denn in § 23 Abs. 1 Satz 1 SBG fehlt das Wort „insbesondere“, das in der Regel die Möglichkeit der extensiven Auslegung eines Regelungskatalogs indiziert. Dieses Ergebnis wird durch die historische Normauslegung bestätigt. Der Katalog der Beteiligungstatbestände in § 23 Abs. 1 Satz 1 SBG hat nach dem Willen des Gesetzgebers einen „enumerativen“ Rechtscharakter und soll nur die dort „bestimmten Personalmaßnahmen“ umfassen (Begründung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung zum Entwurf eines Gesetzes über die Beteiligung der Soldaten und der Zivildienstleistenden vom 5. Juni 1990 <BTDrucks 11/7323 S. 16 und S. 20>; vgl. auch Altvater/Hamer/ Kröll/Lemcke/Peiseler, a.a.O. § 23 SBG Rn. 1). Die vorzeitige Beendigung einer besonderen Auslandsverwendung ist in diesem Katalog nicht enthalten. Insoweit bestehen - wie der Bundeswehrdisziplinaranwalt zutreffend betont - keine rechtlich beachtlichen Anhaltspunkte für eine planwidrige Regelungslücke, die durch extensive Gesetzesauslegung ausgefüllt werden müsste. Der Gesetzgeber hat in § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 8 SBG speziell für die dort genannten Genehmigungen auch deren Widerruf einer Beteiligungspflicht unterstellt; damit hat er zum Ausdruck gebracht, dass lediglich in besonderen Einzelfällen auch der actus contrarius oder die vorzeitige Beendigung einer Maßnahme in den Geltungsbereich der Vorschrift einbezogen sein soll.

45 Ein aus dem Soldatenbeteiligungsgesetz folgender Anspruch auf Anhörung der Vertrauensperson stand dem Antragsteller danach nicht zu.

46 Rechtsgrundlage für die Anhörung der Vertrauensperson war hier aber die vom Einsatzführungskommando der Bundeswehr in Nr. 806 der Handakte im Wege der Selbstbindung eingegangene Pflicht zur Beteiligung der zuständigen Vertrauensperson, wenn der betroffene Soldat nach schriftlicher Belehrung einen entsprechenden Antrag gestellt hat. Mit dieser Regelung hat das Einsatzführungskommando eine ständige Verwaltungspraxis festgelegt, die als antragsabhängige Verfahrensgarantie dem Dispositionsrecht des betroffenen Soldaten unterliegt und für ihn eine zusätzlich eingeräumte Schutzbestimmung im Rahmen der Ermessensausübung des Kontingentführers darstellt. Diese ständige Verwaltungspraxis der antragsabhängigen Beteiligung der Vertrauensperson verpflichtet nach Art. 3 Abs. 1 GG zur Gleichbehandlung von Soldaten, deren besondere Auslandsverwendung vorzeitig beendet werden soll. Übt der betroffene Soldat mit dem Antrag auf Anhörung der Vertrauensperson sein Dispositionsrecht aus, kann er nur (und nicht mehr als) eine Behandlung entsprechend der tatsächlich geübten ständigen Verwaltungspraxis verlangen (stRspr zum Maßstab des Art. 3 Abs. 1 GG bei Anwendung von Verwaltungsvorschriften: vgl. z.B. Beschluss vom 15. Dezember 2009 - BVerwG 1 WB 7.09 - Buchholz 11 Art. 3 Abs. 1 GG Nr. 18). Das Beteiligungsverfahren nach Nr. 806 der Handakte ist im Repatriierungsverfahren des Antragstellers fehlerfrei eingehalten worden.

47 Der Antragsteller ist am 18. Januar 2009 schriftlich über die Möglichkeit der Beteiligung der Vertrauensperson belehrt worden; er hat einen entsprechenden Antrag bereits am 19. Januar 2009 gestellt. Soweit in der am 22. Januar 2009 vom Antragsteller unterzeichneten Ablaufdokumentation (auf Seite 2 der Endfassung des Repatriierungsvorschlags) sein Wunsch nach Anhörung der Vertrauensperson angekreuzt ist, handelt es sich ersichtlich nur um die Bestätigung des zuvor bereits schriftlich gestellten Antrags auf Beteiligung der Vertrauensperson.

48 Entgegen der Auffassung des Antragstellers oblag die Anhörung der Vertrauensperson nicht dem Kontingentführer, der die Repatriierungsentscheidung zu treffen hatte. Das folgt aus Nr. 806 Satz 3 der Handakte, der in einem gegenüber § 20 Satz 1, § 23 Abs. 2 Satz 1 SBG eigenständigen Regelungsmodell die Anhörung nicht von der Initiative des Entscheidungsträgers abhängig macht. Vielmehr ordnet Nr. 806 Satz 3 der Handakte an, die Äußerungen der Vertrauensperson zu der beabsichtigten Personalmaßnahme in die Personalentscheidung in der Gestalt der „Endfassung des Vorschlags“ einzubeziehen; sie sind dem Vorschlag auf vorzeitige Beendigung der besonderen Auslandsverwendung beizufügen. Das setzt notwendig voraus, dass die Anhörung der Vertrauensperson schon im Vorschlagsverfahren und zwar in der Regel von dem Verfasser des Vorschlags durchzuführen ist. Die Regelung bezweckt im Hinblick auf die besondere Situation in den Auslandseinsätzen eine Konzentrationswirkung, indem sie darauf abzielt, dem Kontingentführer mit der Endfassung des Repatriierungsvorschlags alle für seine Ermessensentscheidung relevanten Stellungnahmen und Unterlagen gebündelt und zeitnah vorzulegen. Dass die in Nr. 806 Satz 3 der Handakte festgelegte ständige Verwaltungspraxis auch tatsächlich in dieser Form und gleichmäßig angewendet wird, hat der Antragsteller nicht in Frage gestellt. Auf eine hiervon abweichende Form der Anhörung hat der Antragsteller - wie dargelegt - keinen Anspruch.

49 Am Tag seiner Anhörung (20. Januar 2009) war Hauptfeldwebel ... die zuständige Vertrauensperson. Dieser hatte seinen Rücktritt erst mit Wirkung zum 22. Januar 2009 erklärt und dabei ausdrücklich darauf hingewiesen, dass er „die derzeitigen Verfahren nicht gefährden (wolle) und nicht wünsche, dass eine neue Vertrauensperson sich in diese Verfahren unwissend schnell einarbeiten müsste“. Hauptfeldwebel ... hat sich am 20. Januar 2009 gegenüber dem nächsten Disziplinarvorgesetzten im Einzelnen zum Vorschlag auf vorzeitige Beendigung der besonderen Auslandsverwendung des Antragstellers geäußert. Das Ergebnis der Anhörung ist dem Kontingentführer mit der Endfassung des Vorschlags vom 22. Januar 2009 vorgelegt worden und hat - wie aus Bezug 5 der Entscheidung zu ersehen - bei der Rückführungsentscheidung des Kontingentführers Berücksichtigung gefunden.

50 Entgegen der Auffassung des Antragstellers war es nicht geboten, wegen des am Tag der Repatriierungsentscheidung wirksam gewordenen Rücktritts der bisherigen Vertrauensperson eine erneute Anhörung der nunmehr als Vertreter amtierenden Vertrauensperson zu veranlassen. Der darauf bezogenen Beweisanregung des Antragstellers im Schriftsatz seines Bevollmächtigten vom 6. April 2010 war nicht nachzugehen, weil die Vertreterfunktion des Hauptfeldwebels ... vom Bundesminister der Verteidigung bestätigt worden ist. Die am 20. Januar 2009 vollzogene Anhörung des Hauptfeldwebels ... als Vertrauensperson hat mit dessen späterem Rücktritt nicht nachträglich ihre Wirksamkeit für das Repatriierungsverfahren des Antragstellers verloren. Insofern kommt es bei beteiligungspflichtigen Maßnahmen nicht auf eine Kontinuität in der Person der Vertrauensperson an; eine Bestimmung solchen Inhalts enthält weder das Soldatenbeteilungsgesetz noch die Handakte des Einsatzführungskommandos.

51 ee) Der Vortrag des Antragstellers, Hauptfeldwebel ... sei vor seiner Anhörung möglicherweise nicht ausreichend über den Sachverhalt informiert und außerdem in seinen Rechten aus § 14 Abs. 1 SBG verletzt worden, begründet keine Verletzung geschützter Rechte des Antragstellers. Diese Rügen stehen nicht dem Antragsteller im Rahmen der Verteidigung seiner Rechte nach § 17 Abs. 1 WBO zu; sie können vielmehr nur von der Vertrauensperson selbst geltend gemacht werden, wenn und soweit sie sich im Rahmen ihres eigenen Beschwerderechts nach § 16 SBG auf eine unzureichende Unterrichtung und damit auf eine Verletzung ihres Informationsrechts aus § 20 Satz 1 SBG oder auf einen Verstoß gegen § 14 Abs. 1 SBG beziehen sollte. Um das Beschwerderecht der Vertrauensperson geht es im vorliegenden Verfahren jedoch nicht. Daher ist der Beweisanregung des Antragstellers, zu diesem Themenbereich Hauptfeldwebel ... als Zeuge zu vernehmen, nicht nachzugehen.