Beschluss vom 30.08.2017 -
BVerwG 5 B 14.17ECLI:DE:BVerwG:2017:300817B5B14.17.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 30.08.2017 - 5 B 14.17 - [ECLI:DE:BVerwG:2017:300817B5B14.17.0]

Beschluss

BVerwG 5 B 14.17

  • VG Freiburg - 10.06.2015 - AZ: VG 6 K 770/14
  • VGH Mannheim - 24.03.2017 - AZ: VGH 2 S 701/16

In der Verwaltungsstreitsache hat der 5. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 30. August 2017
durch die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Stengelhofen
und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Störmer und Dr. Fleuß
beschlossen:

  1. Die Beschwerde des Beklagten gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg vom 24. März 2017 wird zurückgewiesen.
  2. Der Beklagte trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
  3. Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 182 € festgesetzt.

Gründe

1 1. Die auf den Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) gestützte Beschwerde hat keinen Erfolg.

2 Der Beklagte (Beschwerdebegründung vom 6. Juni 2017, S. 2) hält die Frage für grundsätzlich klärungsbedürftig:
"Steht es dem Vorhandensein einer Wahlmöglichkeit und damit der Möglichkeit eines Verzichts auf die Geltendmachung von Wahlleistungen gem. § 15 Abs. 4 S. 3 BVO in der Fassung vom 24.07.2012 (a.F.) entgegen, dass der Beihilfeberechtigte, nachdem er sich für die Belegarztbehandlung entschieden hatte, im stationären Krankenhausbereich keine Wahlarztbehandlung mehr in Anspruch nehmen konnte[,] oder besteht bereits in der Wahl eines Belegarztes der notwendige Verzicht auf solche wahlärztlichen Leistungen?"

3 Diese Frage vermag nicht zur Zulassung der Revision zu führen, weil sie ausgelaufenes Recht zum Gegenstand hat (a) und von der Beschwerde keine Umstände aufgezeigt worden sind, welche die Annahme rechtfertigen, dass der Klärung von Rechtsfragen des ausgelaufenen Rechts ausnahmsweise Grundsatzbedeutung zukommen kann (b).

4 a) Im Streitfall anwendbar ist - wovon sowohl die Vorinstanz als auch die Beteiligten zu Recht ausgehen - § 15 Abs. 4 Satz 3 der Verordnung des Finanz- und Wirtschaftsministeriums über die Gewährung von Beihilfe in Geburts-, Krankheits-, Pflege- und Todesfällen vom 28. Juli 1995 (GBl. S. 561) in der Fassung vom 14. Februar 2012 (GBl. S. 25) - im Folgenden: BVO BW a.F. -. Danach war eine Beihilfe von 14 € pro Tag des stationären Aufenthalts zu gewähren, wenn anlässlich der Inanspruchnahme von Leistungen nach § 7 Abs. 7 Satz 1 oder 4 BVO BW a.F. gesondert berechnete ärztliche Leistungen nach § 7 Abs. 7 Satz 2 Nr. 1 BVO BW a.F. nicht geltend gemacht wurden.

5 Bei dieser vom Beklagten angeführten und auch von der Vorinstanz als entscheidungserheblich angesehenen Fassung der Rechtsnorm handelt es sich um ausgelaufenes Recht. Denn der genannte Satz 3 des § 15 Abs. 4 BVO BW a.F., dessen Auslegung der Beklagte als rechtsgrundsätzlich bedeutsam erachtet, ist später entfallen. Die neue Regelung des § 15 Abs. 4 BVO BW in der seit 1. April 2014 geltenden Fassung vom 20. Dezember 2013 (GBl. 2014 S. 53), zuletzt geändert durch Verordnung vom 22. November 2016 (GBl. S. 611), enthält nur noch zwei Sätze, deren Wortlaut sich zudem von der vorhergehenden und hier entscheidungserheblichen Fassung dieser Rechtsnorm wesentlich unterscheidet. So ist in § 15 Abs. 4 Satz 2 BVO BW seither bestimmt, dass "für nicht beanspruchte wahlärztliche Leistungen (§ 6a Absatz 1 Nummer 3, § 7 Absatz 7 Satz 1 Nummer 3) anlässlich eines Aufenthalts nach Satz 1 ... eine Beihilfe von 22 Euro pro Tag, an dem die Leistungen berechenbar gewesen wären, gewährt" wird.

6 b) Fragen auslaufenden oder ausgelaufenen Rechts verleihen einer Rechtssache regelmäßig keine grundsätzliche Bedeutung, weil § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO eine richtungsweisende revisionsgerichtliche Auslegung und Klärung geltenden Rechts für die Zukunft ermöglichen soll. Sie vermögen die Zulassung der Revision nur zu rechtfertigen, wenn offensichtlich ist, dass sie sich im Rahmen des geltenden Rechts in gleicher Weise wie bei der früheren Gesetzeslage stellen, oder wenn das in Rede stehende ausgelaufene Recht noch für einen nicht überschaubaren Personenkreis in nicht absehbarer Zukunft von Bedeutung ist (stRspr, vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 4. Juni 2014 - 5 B 11.14 - NVwZ-RR 2014, 740 Rn. 6 und 8 m.w.N. und vom 1. März 2017 - 5 B 6.17 - juris Rn. 3 f.). Das Vorliegen dieser Ausnahmevoraussetzungen hat der Beklagte nicht in schlüssiger Weise dargetan.

7 aa) Zunächst erweist es sich - auch soweit der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der Auslegung des ausgelaufenen Rechts bereits Ausführungen zur neuen Rechtslage gemacht hat - nicht als offensichtlich, dass sich die aufgeworfene Frage zur Auslegung des § 15 Abs. 4 Satz 3 BVO BW a.F. in gleicher Weise stellt wie bei den Bestimmungen, die dieser außer Kraft getretenen Regelung nachgefolgt sind. Soweit der Beklagte (Beschwerdebegründung, S. 6 f.) vorbringt, die Ersetzung der alten Fassung der BVO BW aus dem Jahr 2012 lasse "die Grundsätzlichkeit der Fragestellung nicht entfallen, da auch nach gegenwärtigem Recht die Anwendung der Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg mit einer Vorverlegung des Verzichts auf wahlärztliche Leistungen in den Bereich der Wahl eines Belegarztes ... zu einer Gewährung von Tagegeld" führe, ist damit die Annahme von Offensichtlichkeit im oben genannten Sinne nicht aufgezeigt. Vielmehr steht dieser Annahme bereits entgegen, dass § 15 Abs. 4 Satz 3 BVO BW a.F. nicht nur als solcher entfallen ist, sondern auch die verbliebenen beiden Sätze der Vorschrift wesentliche Änderungen ihres Wortlauts erfahren haben und überdies die von der Vorschrift in Bezug genommene Regelung des § 7 Abs. 7 BVO BW mit der Fassung vom 20. Dezember 2013 (GBl. 2014, S. 53) grundlegend geändert worden ist. Dementsprechend sind bei der Prüfung von abstrakten Rechtsfragen - selbst wenn die Auslegungsergebnisse entsprechend den insoweit nicht entscheidungstragenden Erwägungen der Vorinstanz in der vorliegenden Fallkonstellation im Ergebnis gleich sein sollten - so unterschiedliche normative Programme anhand der anerkannten Auslegungskriterien abzuarbeiten, dass von einem offensichtlichen Gleichlauf nach alter und neuer Rechtslage nicht ohne Weiteres ausgegangen werden kann. Weil es zur Lösung des vorliegenden Streitfalles und zur Klärung der vom Beklagten aufgeworfenen Rechtsfrage allein auf die Auslegung des § 15 Abs. 4 Satz 3 BVO BW a.F. und nicht entscheidungserheblich auf die neue Rechtslage ankommt, könnte das Bundesverwaltungsgericht in einem Revisionsverfahren auch keine verbindliche Klärung von Rechtsfragen zur neuen Rechtslage herbeiführen.

8 bb) Der Beklagte hat auch nicht schlüssig aufgezeigt, dass das in Rede stehende ausgelaufene Recht noch für einen nicht überschaubaren Personenkreis in nicht absehbarer Zukunft von Bedeutung ist. Hierzu genügt sein Vorbringen (Beschwerdebegründung, S. 6) nicht, die aufgeworfene Rechtsfrage werde sich noch "in einer Vielzahl von Konstellationen stellen ...., bei welchen Beihilfeberechtige im Rahmen von stationären Krankenhausaufenthalten nur belegärztliche Leistungen in Anspruch genommen haben und daher nach der Auffassung des Verwaltungsgerichtshofs Anspruch auf die Gewährung von Tagegeld gem. § 15 Abs. 4 S. 3 BVO a.F. haben." Damit ist nämlich nicht - was erforderlich gewesen wäre - in hinreichender Weise dargetan, dass gerade die hier entscheidungserhebliche Regelung des § 15 Abs. 4 Satz 3 BVO BW a.F. auch künftig noch auf eine Vielzahl von vergleichbaren Altfällen anzuwenden ist. Letzteres ist angesichts des Umstands, dass diese Regelung bereits vor über dreieinhalb Jahren außer Kraft getreten ist, auch sonst nicht ersichtlich.

9 Für eine diesbezüglich hinreichende Darlegung genügt es schließlich nicht, wenn das Vorbringen des Beklagten dahin verstanden wird, dass sich die von ihm zum ausgelaufenen Recht formulierte und für klärungsbedürftig erachtete Frage, ob und unter welchen Voraussetzungen die Wahl einer Belegarztbehandlung einen Verzicht auf eine wahlärztliche Leistung bedeuten kann, auch nach dem neuen Recht stellt. Denn auch wenn mit dem Beklagten angenommen würde, dass insoweit eine Vielzahl von Fällen künftig zu erwarten wäre, wäre diese Frage - wie oben aufgezeigt - in einem bereits vom Wortlaut der Regelungen grundlegend veränderten normativen Kontext zu klären. Für ihre rechtsgrundsätzliche Klärung im Wege der Auslegung wäre nicht mehr die vom Beklagten in seiner aufgeworfenen Rechtsfrage zitierte Regelung des § 15 Abs. 4 Satz 3 BVO BW a.F., sondern das diesem nachfolgende neue Recht maßgebend, wie es sich aus dem nunmehr deutlich veränderten Normwortlaut sowie seinen genetischen, teleologischen und systematischen Bezügen erschließt. Dieses neue Recht wäre aber - wie ebenfalls oben erläutert - in einem Revisionsverfahren kein entscheidungserheblicher Prüfungsmaßstab und könnte damit auch nicht revisionsgerichtlicher Gegenstand zur verbindlichen Klärung abstrakter Rechtsfragen zur neuen Rechtslage sein.

10 2. Von einer weiteren Begründung wird abgesehen (§ 133 Abs. 5 Satz 2 Halbs. 2 VwGO).

11 3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Festsetzung des Wertes des Streitgegenstandes beruht auf § 47 Abs. 1 und 3 i.V.m. § 52 Abs. 3 Satz 1 GKG.