Beschluss vom 23.10.2002 -
BVerwG 4 BN 53.02ECLI:DE:BVerwG:2002:231002B4BN53.02.0

Leitsatz:

Ein Verstoß gegen die Regelung über die frühzeitige Bürgerbeteiligung in § 3 Abs. 1 BauGB ist für die Wirksamkeit des Bebauungsplans unerheblich.

  • Rechtsquellen
    BauGB § 2 Abs. 1 Satz 2, § 3 Abs. 1, § 9 Abs. 8, § 214 Abs. 1

  • Sächsisches OVG - 18.07.2002 - AZ: OVG 1 D 26/00 -
    Sächsisches OVG - 18.07.2002 - AZ: OVG 1 D 26/00

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 23.10.2002 - 4 BN 53.02 - [ECLI:DE:BVerwG:2002:231002B4BN53.02.0]

Beschluss

BVerwG 4 BN 53.02

  • Sächsisches OVG - 18.07.2002 - AZ: OVG 1 D 26/00 -
  • Sächsisches OVG - 18.07.2002 - AZ: OVG 1 D 26/00

In der Normenkontrollsache hat der 4. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 23. Oktober 2002
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht
Dr. P a e t o w und die Richter am Bundesverwaltungs-
gericht Dr. L e m m e l und Dr. J a n n a s c h
beschlossen:

  1. Die Beschwerde des Antragstellers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Sächsischen Oberverwaltungsgerichts vom 18. Juli 2002 wird zurückgewiesen.
  2. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt der Antragsteller.
  3. Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 20 000 € festgesetzt.

Die Beschwerde bleibt erfolglos. Aus dem Beschwerdevorbringen ergibt sich kein Grund, die Revision gegen die angegriffene Normenkontrollentscheidung zuzulassen.
1. Die sinngemäß gestellte Frage, ob Mängel des Beschlusses, einen Bebauungsplan aufzustellen, Einfluss auf die Wirksamkeit des Bebauungsplans haben, hat keine grundsätzliche Bedeutung im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO. Denn diese Frage ist - soweit es um bundesrechtliche Mängel geht - bereits geklärt. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist das Vorliegen eines ordnungsgemäßen Planaufstellungsbeschlusses nach Bundesrecht keine Wirksamkeitsvoraussetzung für den späteren Bebauungsplan (BVerwG, Beschluss vom 15. April 1988 - 4 N 4.87 - BVerwGE 79, 200 <204 f.>). Zwar geht das Baugesetzbuch davon aus, dass das Verfahren zur Aufstellung eines Bebauungsplans durch einen Aufstellungsbeschluss eingeleitet wird. § 2 Abs. 1 Satz 2 BauGB bestimmt nämlich, dass der Aufstellungsbeschluss ortsüblich bekannt zu machen ist. Der Aufstellungsbeschluss ist auch in anderem Zusammenhang rechtlich bedeutsam; so hängt beispielsweise die Wirksamkeit einer Veränderungssperre davon ab, dass der Beschluss, einen Bebauungsplan aufzustellen, gefasst (und bekannt gemacht) worden ist (§ 14 Abs. 1 BauGB). In den übrigen Vorschriften über das Verfahren zur Aufstellung der Bauleitpläne wird der Aufstellungsbeschluss nach § 2 Abs. 1 Satz 2 BauGB dagegen nicht erwähnt. Das lässt die Schlussfolgerung zu, dass eine bundesrechtliche Verpflichtung, im Rahmen des Planaufstellungsverfahrens einen Aufstellungsbeschluss zu fassen, nicht besteht. Mängel des Aufstellungsbeschlusses sind deshalb nicht erst wegen der "Heilungsvorschrift" des § 214 Abs. 1 BauGB unbeachtlich, sondern schon deshalb, weil ein Aufstellungsbeschluss für die Bauleitplanung (zwar wünschenswert, aber) bundesrechtlich nicht zwingend vorgeschrieben ist.
Das Beschwerdevorbringen nötigt zu keiner Überprüfung dieser Rechtsprechung. Zwar trifft es zu, dass die Öffentlichkeit und die betroffenen Bürger frühzeitig auf die Absicht der Gemeinde, einen Bebauungsplan aufzustellen, hingewiesen werden sollen. Diesem Ziel dient jedoch nicht der Aufstellungsbeschluss, sondern das in § 3 BauGB geregelte Verfahren der Bürgerbeteiligung.
2. Auch die sinngemäß gestellte Frage, ob die frühzeitige Bürgerbeteiligung nach § 3 Abs. 1 BauGB wiederholt werden muss, wenn das Plangebiet nachträglich vergrößert wird, rechtfertigt die Zulassung der Revision nicht. Die Frage ist nur teilweise entscheidungserheblich. Denn für das Begehren des Antragstellers, den Bebauungsplan für nichtig zu erklären, kommt es letztlich nicht darauf an, ob die Antragsgegnerin gegen § 3 Abs. 1 BauGB verstoßen hat, sondern ob - gegebenenfalls - dieser Verstoß zur Unwirksamkeit oder Nichtigkeit des Plans führt. Zur Klärung der Frage, dass ein Verstoß gegen § 3 Abs. 1 BauGB für die Wirksamkeit des Bebauungsplans unerheblich ist, bedarf es jedoch nicht erst der Durchführung eines Revisionsverfahrens. Nach dem klaren Wortlaut und Sinn des § 214 Abs. 1 BauGB sind nämlich Verletzungen von Verfahrens- und Formvorschriften des Baugesetzbuchs für die Rechtswirksamkeit des Bebauungsplans nur dann beachtlich, wenn sie in dieser Vorschrift unter den Nummern 1 bis 3 aufgeführt sind. Da § 3 Abs. 1 BauGB nicht genannt ist, führt ein Verstoß gegen ihn nicht zur Unwirksamkeit des Plans (allgemeine Auffassung,
vgl. z.B. Stock, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg, BauGB, § 214 Rn. 28).
3. Die Frage, welche Auswirkungen es auf die Wirksamkeit eines Bebauungsplans hat, wenn zweifelhaft ist, ob die Gemeinde einen Beschluss zur Planbegründung gefasst hat, hat keine grundsätzliche Bedeutung, weil sie bereits in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts geklärt ist. Insoweit ist es zunächst unerheblich, ob die Begründung ausdrücklich von der Gemeinde beschlossen worden ist; denn in der Regel ist davon auszugehen, dass eine vorliegende Begründung eines Bebauungsplans auch Gegenstand der Beschlussfassung durch die Gemeinde war (BVerwG, Urteil vom 6. Juli 1984 - 4 C 28.83 - ZfBR 1984, 293). Aber auch wenn feststeht, dass die Begründung des Bebauungsplans nicht von dem zuständigen Gemeindeorgan gebilligt worden ist, es also an einer wirksamen Begründung fehlt, führt dieser gemäß § 214 Abs. 1 Nr. 2 BauGB grundsätzlich beachtliche Verfahrensmangel nur dann zur Unwirksamkeit des Bebauungsplans, wenn er gegenüber der Gemeinde binnen eines Jahres geltend gemacht worden ist; andernfalls wird er nach Ablauf der Jahresfrist gemäß § 215 Abs. 1 Nr. 1 BauGB unbeachtlich (BVerwG, Urteil vom 30. Juni 1989 - 4 C 15.86 - ZfBR 1990, 30). So war es auch im vorliegenden Fall.
4. Die Ausführungen der Beschwerde zu § 8 BauGB genügen den Anforderungen des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO an die Darlegung des geltend gemachten Zulassungsgrundes nicht. Im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren reicht es nicht aus, der Rechtsansicht der Vorinstanz zu widersprechen. Vielmehr muss im Einzelnen dargelegt werden, dass einer der Zulassungsgründe des § 132 Abs. 2 Nrn. 1 bis 3 VwGO gegeben ist. Wird der Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) geltend gemacht, so muss eine konkrete Rechtsfrage bezeichnet werden, die sowohl für die Entscheidung der Vorinstanz von Bedeutung war als auch für die Entscheidung im Revisionsverfahren erheblich sein wird und die eine über den der Beschwerde zugrunde liegenden Einzelfall hinausgehende Bedeutung hat (BVerwG, Beschluss vom 2. Oktober 1961 - 8 B 78.61 - BVerwGE 13, 90 <91>). Daran fehlt es hier. Soweit die Beschwerde meint, ein Flächennutzungsplan im Sinne von § 8 Abs. 2 Satz 1 BauGB könne auch der Entwurf eines Flächennutzungsplans sein, kann ihr nicht gefolgt werden. Dass in dieser Vorschrift nur ein (abschließend) aufgestellter und wirksamer Flächennutzungsplan gemeint ist, entspricht allgemeiner Rechtsauffassung und ergibt sich nicht zuletzt aus den Absätzen 3 und 4 von § 8 BauGB, die Regelungen für den Fall des Fehlens eines wirksamen Flächennutzungsplans enthalten. Soweit die Beschwerde die Auffassung vertritt, Mängel des Parallelverfahrens nach § 8 Abs. 3 BauGB (oder der Regeln über den vorzeitigen Bebauungsplan nach § 8 Abs. 4 BauGB) seien hier nicht unbeachtlich, macht sie allenfalls geltend, das Normenkontrollgericht habe § 214 Abs. 2 BauGB fehlerhaft angewendet; ein Zulassungsgrund ergibt sich daraus allein nicht.
5. Die Angriffe der Beschwerde gegen die Würdigung der Abwägung durch das Normenkontrollgericht erschöpfen sich in einer fallbezogenen Kritik der angefochtenen Entscheidung. Rechtsgrundsätzliche Fragen werden nicht aufgeworfen. Sollte mit dem Zitat von "§ 132 Abs. 2 Ziff. 2 VwGO" eine Abweichung von der höchstrichterlichen Rechtsprechung geltend gemacht werden sollen, so wäre die Beschwerde insoweit unzulässig, weil sie weder eine abweichende höchstrichterliche Entscheidung noch einen divergierenden Rechtssatz nennt. Dass eine planbedingte Wertminderung eines Grundstücks für sich allein keinen abwägungsbeachtlichen Belang darstellt, entspricht der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (vgl. z.B. Beschluss vom 9. Februar 1995 - 4 NB 17.94 - ZfBR 1995, 216). Das bedeutet jedoch nicht, dass auch die tatsächlichen Verhältnisse, die für die Bewertung des Grundstücks von Bedeutung sind, unerheblich wären. Abwägungserheblich kann also insbesondere das Interesse des Grundeigentümers sein, sein Grundstück wie bisher nutzen zu können. Das Normenkontrollgericht hat dies nicht grundsätzlich in Frage gestellt. Weiterführende Fragen hierzu ergeben sich aus dem Beschwerdevortrag nicht.
6. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Den Wert des Streitgegenstandes setzt der Senat gemäß § 14 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3, § 13 Abs. 1 Satz 1 GKG fest.