Beschluss vom 23.03.2010 -
BVerwG 1 WB 28.09ECLI:DE:BVerwG:2010:230310B1WB28.09.0

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    BVerwG, Beschluss vom 23.03.2010 - 1 WB 28.09 - [ECLI:DE:BVerwG:2010:230310B1WB28.09.0]

Beschluss

BVerwG 1 WB 28.09

In dem Wehrbeschwerdeverfahren hat der 1. Wehrdienstsenat des Bundesverwaltungsgerichts durch
den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Golze,
die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Frentz und
den Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Langer
am 23. März 2010 beschlossen:

  1. Die Selbstanzeige des ehrenamtlichen Richters Oberst i.G. W. vom 4. März 2010 ist nicht
  2. begründet.

Gründe

I

1 Mit gerichtlichem Schreiben vom 24. Februar 2010 wurde Oberst i.G. W. als ehrenamtlicher Richter für die Sitzung des Senats am 25. März 2010 - unter anderem - in dem Verfahren der Frau Oberfeldarzt Dipl.-Med. ... (BVerwG 1 WB 28.09 ) herangezogen. Mit Telefaxschreiben vom 4. März 2010 teilte Oberst i.G W. Folgendes mit:
„Das Empfangsbekenntnis für meine Heranziehung als ehrenamtlicher Richter zur Sitzung des 1. Wehrdienstsenats am 25. März 2010 habe ich Ihnen bereits mit Fax vom 02.03.2010 übermittelt.
Ergänzend mache ich rein vorsorglich darauf aufmerksam, dass ich mich als Leiter des Referats X in organisatorischer Nähe zum Referat Y als Vertreter der Beklagtenseite befinde.
Das Referat X ist zuständig für Teilbereiche der Themen Personallage und Personalstruktur, Personalorganisation, Personalbewirtschaftung und Grundsatzangelegenheiten von Reservistinnen und Reservisten. Ich bin mit den zu verhandelnden Fällen nicht persönlich befasst, kenne keine Einzelheiten der zugrundeliegenden Sachverhalte und halte mich daher persönlich auch nicht für befangen.“

2 Das Gericht hat den Beteiligten des Verfahrens Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben, die sie auch wahrgenommen haben. Sie äußern keine Bedenken gegen die Mitwirkung des Oberst i.G. W. als ehrenamtlicher Richter.

II

3 Oberst i.G. W. ist weder kraft Gesetzes von der Ausübung des Amtes als ehrenamtlicher Richter ausgeschlossen noch hat er mit seinem Schreiben vom 4. März 2010 von einem Verhältnis Anzeige gemacht, das seine Ablehnung wegen Besorgnis der Befangenheit rechtfertigt.

4 Über die Ausschließung und Ablehnung von Gerichtspersonen ist im Antragsverfahren vor den Wehrdienstgerichten nach den entsprechend anwendbaren Vorschriften des § 54 VwGO i.V.m. §§ 41 bis 49 ZPO zu entscheiden (vgl. Beschlüsse vom 6. März 2008 - BVerwG 1 WB 41.07 - und vom 11. August 2008 - BVerwG 1 WB 39.08 , 1 WB 40.08 , 1 WB 41.08 , 1 WB 44.08 , 1 WB 45.08 - jeweils m.w.N.).

5 Die durch das Gesetz zur Änderung wehrrechtlicher und anderer Vorschriften (Wehrrechtsänderungsgesetz 2008) vom 31. Juli 2008 (BGBl I S. 1629) in die Wehrbeschwerdeordnung eingefügte und am 1. Februar 2009 in Kraft getretene Bestimmung des § 23a WBO hat daran nichts geändert. § 23a Abs. 2 WBO ordnet für die gerichtlichen Antragsverfahren nach §§ 17, 21, 22 sowie §§ 22a und 22b WBO n.F. ausdrücklich die entsprechende Anwendung der Vorschriften der Verwaltungsgerichtsordnung (und des Gerichtsverfassungsgesetzes) an, soweit nicht die Eigenart des Beschwerdeverfahrens entgegensteht. § 23a Abs. 2 VwGO stellt hinsichtlich der Ausschließung und Ablehnung von Gerichtspersonen die speziellere Regelung dar, die der allgemeinen Verweisung auf die Vorschriften der Wehrdisziplinarordnung durch § 23a Abs. 1 VwGO vorgeht; die letztgenannte Vorschrift konzentriert - gerade auch für den Bereich möglicher Befangenheit - ihren Geltungsbereich auf das vorgerichtliche Beschwerdeverfahren vor dem Disziplinarvorgesetzten (vgl. Dau, WBO, 5. Aufl. 2009, § 23a Rn. 2; ebenso: Beschluss vom 26. Mai 2009 - BVerwG 1 WB 48.07 - BVerwGE 134, 59 = Buchholz 449 § 2 SLV 2002 Nr. 14). Soweit die Verwaltungsgerichtsordnung keine bundeswehrspezifischen Regelungen für den Ausschluss von der Ausübung des Richteramtes kraft Gesetzes enthält, gilt gemäß § 23a Abs. 1 WBO außerdem § 77 WDO in entsprechender Anwendung (Beschluss vom 11. August 2008 - BVerwG 1 WB 39.08 , 1 WB 40.08 , 1 WB 41.08 , 1 WB 44.08 , 1 WB 45.08 -).

6 Ein Ausschließungsgrund liegt nicht vor.

7 Nach dem Inhalt der vorgelegten Akten sind in der Person des Oberst i.G. W. keine gesetzlichen Ausschließungsgründe nach § 54 Abs. 1 VwGO i.V.m. § 41 ZPO, nach § 54 Abs. 2 VwGO oder nach § 77 WDO gegeben. Auch die vom Gericht angehörten Verfahrensbeteiligten machen Ausschließungsgründe im Sinne dieser Vorschriften nicht geltend.

8 Ferner sind keine Gründe ersichtlich oder vorgetragen, die gemäß § 54 Abs. 1 VwGO i.V.m. § 42 ZPO eine Ablehnung von Oberst i.G. W. wegen Besorgnis der Befangenheit rechtfertigen könnten.

9 Wegen Besorgnis der Befangenheit findet die Ablehnung statt, wenn ein Grund vorliegt, der geeignet ist, Misstrauen gegen die Unparteilichkeit eines (ehrenamtlichen) Richters zu rechtfertigen (§ 42 Abs. 2 ZPO). Ein solcher Grund kann sich - unter anderem - aus besonderen Beziehungen des Richters zu einem Verfahrensbeteiligten oder aus seinem persönlichen Verhalten im Hinblick auf den Verfahrensgegenstand ergeben; maßgeblich ist, ob der ehrenamtliche Richter bei verständiger Würdigung den Eindruck erweckt, er werde dem Antragsteller gegenüber möglicherweise eine nicht unvoreingenommene innere Haltung einnehmen (vgl. Dau, WBO, 5. Aufl. 2009, § 18 Rn. 13 m.w.N.).

10 Die „organisatorische Nähe“ des von Oberst i.G. W. geleiteten Referats X zu dem im vorliegenden Verfahren im Auftrag des ... mitwirkenden (Prozess-)Referat Y rechtfertigt hiernach nicht die Annahme, Oberst i.G. W. sei gegenüber dem Antragsteller befangen. Ausschließlich strukturell bedingte Nähe-Aspekte begründen nach Wortlaut und Schutzzweck der im vorliegenden Verfahren zu beachtenden Normen über die Ausschließung und Befangenheit für sich allein nur dann die - unwiderlegliche - Vermutung fehlender Unparteilichkeit eines (ehrenamtlichen) Richters, wenn dieser bei dem vorausgegangenen Verwaltungsverfahren mitgewirkt hat oder Disziplinarvorgesetzter des Antragstellers ist, in dieser Funktion oder als Vertrauensperson im Verfahren des Antragstellers tätig war oder Angehöriger desselben Bataillons oder Truppenteils bzw. derselben Dienststelle wie der Antragsteller ist. Insoweit enthalten § 54 Abs. 2 VwGO und § 77 Abs. 2 Nr. 1 Alt. 1, Nr. 2 und 3 WDO abschließende Ausschließungs-Regelungen, die einer erweiternden Interpretation z.B. bei anderen strukturell bedingten Nähebeziehungen nicht zugänglich sind (vgl. auch Meissner, in: Schoch/Schmidt-Aßmann/ Pietzner, VwGO, Stand Juli 2009, § 54 Rn. 17, 23 f. m.w.N.).

11 Andere strukturell bedingte Nähebeziehungen können nur dann die Ausübung des Richteramtes in Frage stellen, wenn zusätzlich individuelle Befangenheitsaspekte ersichtlich sind oder von den Verfahrensbeteiligten geltend gemacht werden. Das ist hinsichtlich der Person von Oberst i.G. W. nicht der Fall.

12 Die Tatsache, dass im vorliegenden Verfahren unter anderem die auf Empfehlung des Personalberaterausschusses ergangene Entscheidung des Leiters der Abteilung PSZ im Bundesministerium der Verteidigung vom 6. November 2008 Gegenstand der gerichtlichen Überprüfung ist, rechtfertigt keine andere Beurteilung. Der Umstand, dass ein als ehrenamtlicher Richter herangezogener Soldat dem Abteilungsleiter PSZ unterstellt ist, lässt bei der erforderlichen objektiven Betrachtung für sich allein nicht den Schluss zu, dieser ehrenamtliche Richter werde in der Sache nicht unparteilich, unvoreingenommen oder unbefangen entscheiden (vgl. dazu im Einzelnen: Beschluss vom 24. Februar 1993 - BVerwG 1 WB 59.92 - NZWehrr 1993, 205). Die auch zu diesem Gesichtspunkt vom Gericht angehörten Beteiligten des Verfahrens haben insoweit ebenfalls keine Bedenken gegen die Mitwirkung des Oberst i.G. W. geltend gemacht.

Beschluss vom 25.03.2010 -
BVerwG 1 WB 28.09ECLI:DE:BVerwG:2010:250310B1WB28.09.0

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    BVerwG, Beschluss vom 25.03.2010 - 1 WB 28.09 - [ECLI:DE:BVerwG:2010:250310B1WB28.09.0]

Beschluss

BVerwG 1 WB 28.09

In dem Wehrbeschwerdeverfahren hat der 1. Wehrdienstsenat des Bundesverwaltungsgerichts durch
den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Golze,
die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Frentz,
den Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Langer,
den ehrenamtlichen Richter Oberst i.G. Wienbreier und
den ehrenamtlichen Richter Major Dressel
am 25. März 2010 beschlossen:

  1. Die Entscheidung des Abteilungsleiters Personal-, Sozial- und Zentralangelegenheiten im Bundesministerium der Verteidigung vom 6. November 2008, den Dienstposten des Abteilungsleiters Laborabteilung ... im ... Institut ... der Bundeswehr ... mit Frau Oberfeldarzt Dr. B. zu besetzen, und der Beschwerdebescheid des Bundesministers der Verteidigung vom 16. März 2009 werden aufgehoben.
  2. Der Bundesminister der Verteidigung wird verpflichtet, über die Besetzung dieses Dienstpostens unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu entscheiden.
  3. Im Übrigen wird der Antrag als unzulässig verworfen.
  4. Die der Antragstellerin im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht einschließlich der im vorgerichtlichen Verfahren erwachsenen notwendigen Aufwendungen werden zu drei Vierteln dem Bund auferlegt.

Gründe

I

1 Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung betrifft einen Konkurrentenstreit um die Besetzung des nach Besoldungsgruppe A 16 bewerteten Dienstpostens eines Abteilungsleiters beim ... Institut ... der Bundeswehr.

2 Die 1956 geborene Antragstellerin ist Berufssoldatin; ihre Dienstzeit endet voraussichtlich mit Ablauf des 30. September 2018. Zum Oberfeldarzt wurde sie am 8. April 1999 ernannt. Am 25. April 1989 hatte sie die Anerkennung als Fachärztin für Transfusionsmedizin erhalten. Sie wird als Sanitätsstabsoffizier/Ärztin für Transfusionsmedizin im ... Institut ... der Bundeswehr ... verwendet.

3 Am 29. Oktober 2008 beriet der Personalberaterausschuss beim Inspekteur des Sanitätsdienstes der Bundeswehr (unter anderem) über die Nachbesetzung des nach Besoldungsgruppe A 16 bewerteten Dienstpostens des Leiters der Abteilung ... beim ... Institut ... der Bundeswehr ... (Teileinheit/Zeile .../...) zum 1. Juni 2009. In der Beratung wurden drei Kandidatinnen, nämlich die Oberfeldärzte Dr. B., Dipl.-Med. Br. und die Antragstellerin, betrachtet. Der Beratung lagen eine tabellarische Übersicht über die Personalien, Qualifikationen und Werdegänge der drei Bewerberinnen sowie ein Sprechzettel des Referatsleiters PSZ ... vom 14. Oktober 2008 zugrunde. Nach dem Sitzungsprotokoll vom 29. Oktober 2008 empfahl der Personalberaterausschuss (mit 11 Ja-Stimmen, ohne Nein-Stimme und Enthaltung) für die Nachbesetzung des Dienstpostens die Bewerberin Oberfeldarzt Dr. B. Mit Schreiben an den Abteilungsleiter PSZ im Bundesministerium der Verteidigung vom 29. Oktober 2008 erklärte sich der Inspekteur des Sanitätsdienstes mit den Empfehlungen des Personalberaterausschusses einverstanden und bat den Abteilungsleiter PSZ, diesen zu entsprechen. Mit Schreiben vom 6. November 2008 erklärte sich der Abteilungsleiter PSZ seinerseits mit den Empfehlungen des Personalberaterausschusses einverstanden.

4 In einem Telefongespräch vom 11. November 2008 informierte das Personalamt der Bundeswehr die Antragstellerin, dass sie für den Dienstposten nicht ausgewählt worden sei.

5 Mit Schreiben vom 19. November 2008 legte die Antragstellerin hiergegen Beschwerde ein und machte geltend, ihr sei am 7. November 2008 ein Aktenvermerk des Personalamts vorgelegt worden, mit dem sie um ihr Einverständnis gebeten worden sei, für die Besetzung des strittigen Dienstpostens zur Verfügung zu stehen. Da dieser Vermerk einige nicht korrekte Angaben enthalten habe, habe sie ihn erst am 10. November 2008 unterzeichnet. Anschließend sei das Schriftstück nachmittags auf dem Postweg an das Personalamt gegangen. Angesichts der am 11. November 2008 erfolgten Benachrichtigung über ihre Nichtberücksichtigung gehe sie davon aus, dass der Personalberaterausschuss sie nicht betrachtet habe oder dass aufgrund falscher Angaben eine umfassende Betrachtung ihrer Person nicht möglich gewesen sei.

6 Mit Schreiben vom 28. November 2008 berichtete das Personalamt dem Bundesminister der Verteidigung - PSZ I 7 -, dass die Antragstellerin in Vorbereitung der Nachbesetzungsentscheidung telefonisch zu ihrem Einverständnis zur Mitbetrachtung befragt worden sei. Sie habe ihr Einverständnis erklärt. Die schriftliche Bestätigung dieses Sachverhaltes in Form eines Vermerks vom 7. Oktober 2008 sei der Antragstellerin am 7. November 2008 zugegangen. Aufgrund eines Büroirrtums sei im Vermerk ein falsches Dienstzeitende angegeben worden; diesen Fehler habe man nach telefonischer Rücksprache umgehend korrigiert. Die Antragstellerin sei in die Betrachtung für den strittigen Dienstposten einbezogen und im Personalberaterausschuss als eine von drei Kandidatinnen für die Nachbesetzung des Dienstpostens vorgestellt worden.

7 Mit Bescheid vom 16. März 2009 wies der Bundesminister der Verteidigung - PSZ I 7 - die Beschwerde zurück. Für die Wahrnehmung der Aufgaben des Leiters der Abteilung ... des ... Instituts ..., die im Beschwerdebescheid im Einzelnen aufgeführt werden, sei bei einer Gesamtbetrachtung nach Eignung, Leistung und Befähigung die ausgewählte Bewerberin Dr. B. am besten geeignet. Maßgeblich für die Feststellung der Leistung sei eine Betrachtung der letzten drei planmäßigen Beurteilungen, nach der Dr. B. gegenüber der Antragstellerin einen Leistungsvorsprung aufweise. Zwar sei Dr. B. 2007 mit einem Durchschnittswert der Aufgabenerfüllung von 4,6, die Antragstellerin dagegen zum selben Termin mit einem Durchschnittswert von 5,7 bewertet worden. Dr. B. habe jedoch in der vorletzten und vorvorletzten Beurteilung jeweils deutlich bessere Durchschnittswerte erzielt als die Antragstellerin. Der zunächst bestehende Leistungsvorsprung der Antragstellerin werde deshalb unter Zugrundelegung der vorletzten und vorvorletzten Beurteilung, die zur Abrundung des Leistungsbildes herangezogen werden könnten und müssten, deutlich relativiert. Den sich danach bei einer Gesamtbetrachtung ergebenden Leistungsvorsprung von Dr. B. könne die Antragstellerin nicht durch eine bessere fachliche oder persönliche Eignung für den Dienstposten wettmachen. Die Antragstellerin und Dr. B. seien für den Dienstposten gleichermaßen gut befähigt, da sie beide Fachärztinnen für Transfusionsmedizin seien. Dr. B. verfüge darüber hinaus über die Zusatzbezeichnung Chirotherapie sowie die Fachkunden Rettungsdienst und Neuraltherapie. Hinsichtlich der persönlichen Eignung für den Dienstposten seien Dr. B. und die Antragstellerin ebenfalls gleich gut geeignet. Sie hätten auch beide die Eignung für den Dienstposten dadurch nachgewiesen, dass sie jeweils bereits einen nach Besoldungsgruppe A 16 bewerteten Dienstposten eines Abteilungsleiters erfolgreich vertreten hätten.

8 Mit Schriftsatz ihrer Bevollmächtigten vom 16. April 2009 beantragte die Antragstellerin hiergegen die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts. Der Bundesminister der Verteidigung - PSZ I 7 - legte den Antrag zusammen mit seiner Stellungnahme vom 20. Mai 2009 dem Senat vor.

9 Zur Begründung trägt die Antragstellerin insbesondere vor:
Bei der Auswahlentscheidung sei sie offensichtlich nicht mitbetrachtet worden. Das von ihr erteilte Einverständnis zur Mitbetrachtung habe dem Personalberaterausschuss am 10. November 2008 nicht vorliegen können. In der Sache sei ihr nicht verständlich, warum der Ausschuss nicht ihren Eignungsvorsprung vor der ausgewählten Kandidatin festgestellt habe. Sie, die Antragstellerin, sei seit 1989 Facharzt für Transfusionsmedizin und habe als Abteilungsleiterin von 2001 bis 2004 die Laborabteilung ... des ... Instituts ... der Bundeswehr ... geleitet. Diese Leitungsfunktion habe sie seit 2004 aufgrund einer Änderung der Stärke- und Ausrüstungsnachweisung auch für einen Teil der Laborabteilung ... wahrgenommen. Am 1. April 2003 habe sie für anhaltend sehr gute Leistungen eine Leistungsprämie und am 30. Mai 2007 das Ehrenkreuz der Bundeswehr in Silber erhalten. Demgegenüber sei die ausgewählte Kandidatin erst seit 2004 im Dienstgrad Oberfeldarzt und erst seit 2001 Fachärztin für Transfusionsmedizin. Die ausgewählte Kandidatin habe zuvor auch keine Abteilung geleitet. Das Leistungsbild aus den Beurteilungen sei ebenfalls unzutreffend gewürdigt worden. Die vorletzte und vorvorletzte Beurteilung von Frau Dr. B. sei deshalb so „hoch“ ausgefallen, weil deren Übernahme in das Dienstverhältnis eines Berufssoldaten habe erreicht werden sollen und später ihre Beförderung angestanden habe. Ein objektiver Vergleich der letzten Beurteilungen vor den Beurteilungen 2007 sei offensichtlich nicht möglich gewesen. Nur die aktuelle Beurteilung dürfe als Vergleichsmaßstab herangezogen werden.

10 Die Antragstellerin beantragt
1. festzustellen,
- dass die Entscheidung des Bundesministers der Verteidigung vom 16. März 2009 rechtswidrig und aufzuheben sei,
- dass sie, die Antragstellerin, bei der Nachbesetzung des strittigen Dienstpostens nicht korrekt betrachtet worden sei und ihre Nichtberücksichtigung bei der Besetzung dieses Dienstpostens rechtswidrig sei,
- dass aufgrund falscher Angaben ihre umfassende Betrachtung nicht möglich gewesen sei,
- dass die Anerkennung ihrer besonderen Leistungen keine Beachtung gefunden habe und
- dass ihre Betrachtung bei der Nachbesetzung des strittigen Dienstpostens rechtswidrig gewesen sei,
2. den Bundesminister der Verteidigung zu verpflichten, über die Besetzung des strittigen Dienstpostens unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu entscheiden.

11 Der Bundesminister der Verteidigung beantragt,
den Antrag zurückzuweisen.

12 Bei der Auswahlentscheidung seien die jeweils bestandskräftigen letzten drei planmäßigen Beurteilungen der Kandidatinnen in rechtmäßiger Weise berücksichtigt und untereinander gewichtet worden. Die Antragstellerin und Oberfeldarzt Dipl.-Med. Br. seien nach der damals gültigen ZDv 20/6 nicht alle zwei, sondern nur alle vier Jahre planmäßig zu beurteilen gewesen und hätten deshalb beide im Jahre 2005 keine planmäßige Beurteilung erhalten. Ungeachtet dessen hätten die jeweils vorletzten und vorvorletzten Beurteilungen miteinander verglichen werden können, auch wenn sie zu unterschiedlichen Terminen erstellt worden seien. Hinsichtlich der Gewichtung der Beurteilungen sei die letzte planmäßige Beurteilung mit dem Faktor 3, die vorletzte mit dem Faktor 2 und die vorvorletzte mit dem Faktor 1 gewichtet worden. Zu berücksichtigen sei ferner gewesen, dass die Beurteilungen aus früheren Jahren nicht ohne Weiteres mit denjenigen aus dem seit 2007 geltenden System verglichen werden könnten; Differenzen in der Leistungsbewertung aus dem alten System seien daher zur Herstellung der Vergleichbarkeit mit dem neuen System mit dem Faktor 9/7 multipliziert worden. Zugunsten der Antragstellerin sei schließlich wegen ihres teilweise höheren Statusamts im Zeitpunkt der Beurteilung ein Leistungszuschlag von 0,25 eingesetzt worden. In der Leistungsdifferenz ergebe sich bei der Gesamtbetrachtung aller drei Beurteilungen auf diese Weise ein Plus von 2,71 zugunsten von Oberfeldarzt Dr. B. gegenüber der Antragstellerin.

13 Die ausgewählte Bewerberin Dr. B. wurde inzwischen auf den hier strittigen Dienstposten versetzt und mit Wirkung vom 1. März 2010 zum Oberstarzt befördert.

14 Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Akten Bezug genommen. Die Beschwerdeakte des Bundesministers der Verteidigung - PSZ I 7 - Az.: ... -, die Personalgrundakte der Antragstellerin, die Personalgrundakte der ausgewählten Bewerberin Dr. B. und die Akten des Parallelverfahrens der Mitbewerberin Dipl.-Med. Br. - BVerwG 1 WB 27.09 - haben dem Senat bei der Beratung vorgelegen.

II

15 A. Der Feststellungsantrag ist unzulässig.

16 1. Soweit er sich auf die Rechtswidrigkeit der Auswahlentscheidung zugunsten der Frau Oberfeldarzt Dr. B. und des Beschwerdebescheids des Bundesministers der Verteidigung bezieht, steht seiner Zulässigkeit die Subsidiaritätsklausel des § 43 Abs. 2 VwGO entgegen, der gemäß § 23a Abs. 2 WBO im Wehrbeschwerdeverfahren entsprechende Anwendung findet. Nach § 43 Abs. 2 Satz 1 VwGO kann die Feststellung der Rechtswidrigkeit nicht begehrt werden, soweit der jeweilige Antragsteller seine Rechte durch Gestaltungs- oder Leistungsklage - hier insbesondere durch einen Anfechtungs- oder Verpflichtungsantrag - verfolgen kann oder hätte verfolgen können (stRspr, z.B. Beschluss vom 11. März 2008 - BVerwG 1 WB 36.07 - m.w.N.).

17 Die Antragstellerin kann die behauptete Rechtswidrigkeit der getroffenen Auswahlentscheidung mit einem entsprechenden Verpflichtungs- oder Neubescheidungsantrag geltend machen. Sie hat mit ihrem Antrag zu 2. einen Neubescheidungsantrag gestellt.

18 Ein derartiger Antrag konnte sich rechtlich nicht dadurch erledigen, dass der strittige Dienstposten inzwischen mit der ausgewählten Bewerberin Frau Dr. B. besetzt und diese zum Oberstarzt befördert worden ist. Nach ständiger Rechtsprechung des Senats verfestigt sich eine einmal getroffene militärische Verwendungsentscheidung - auch nach einer der Bewertung des Dienstpostens entsprechenden Beförderung - nicht dahin, dass die durch sie begünstigte Soldatin eine rechtlich gesicherte Position erwirbt, auf dem ihr zugewiesenen Dienstposten verbleiben zu können; sie müsste es vielmehr hinnehmen, von dem Dienstposten wegversetzt zu werden, wenn die Antragstellerin bei der Stellenbesetzung ihr gegenüber rechtswidrig übergangen worden wäre (vgl. Beschlüsse vom 16. Dezember 2008 - BVerwG 1 WB 19.08 - Rn. 29 m.w.N. <insoweit nicht abgedruckt in BVerwGE 133, 13 und Buchholz 449 § 3 SG Nr. 50>, vom 27. Januar 2010 - BVerwG 1 WB 52.08 - <zur Veröffentlichung in BVerwGE und Buchholz vorgesehen> und vom 23. Februar 2010 - BVerwG 1 WB 36.09 - <zur Veröffentlichung in BVerwGE und Buchholz vorgesehen>).

19 2. Soweit der Feststellungsantrag die nicht korrekte bzw. unzureichende Betrachtung der Antragstellerin und die unterlassene Berücksichtigung ihrer besonderen Leistungen betrifft, ist er unzulässig, weil er sich nicht auf eine im Sinne des § 21 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. § 17 Abs. 1 und 3 WBO anfechtbare truppendienstliche Maßnahme bezieht.

20 Die „Betrachtung“ der Kandidaten bzw. Bewerber in einer Auswahlkonferenz oder einem Auswahlausschuss unter Einbeziehung einzelner Leistungsaspekte ist der abschließenden Auswahlentscheidung vorgeschaltet. Die endgültige Entscheidung über die Besetzung von Dienstposten, die nach Besoldungsgruppe A 16 oder B 3 bewertet sind, obliegt nach Nr. 3.5 der „Bestimmungen über die Personal-Beraterausschüsse“ (BMVg - PSZ I 1 (40) - 16-30-00/8) vom 7. August 2003 dem Leiter der Abteilung Personal-, Sozial- und Zentralangelegenheiten (PSZ) im Bundesministerium der Verteidigung; dieser entscheidet aufgrund der Empfehlung des Personalberaterausschusses. Bei der Betrachtung der Bewerber und der Würdigung ihres Eignungs- und Leistungsbildes im Rahmen der Beratung des Personalberaterausschusses handelt es sich um eine Vorbereitungshandlung für die abschließende truppendienstliche Maßnahme der Auswahlentscheidung. Überlegungen, Bewertungen, Stellungnahmen, Zwischen- oder Vorentscheidungen, die lediglich der Vorbereitung von truppendienstlichen Maßnahmen oder Personalmaßnahmen dienen, sind nach ständiger Rechtsprechung des Senats als Elemente innerdienstlicher Meinungsbildung noch keine die Rechte eines Soldaten unmittelbar berührenden Maßnahmen; sie sind deshalb einer selbstständigen gerichtlichen Nachprüfung nicht zugänglich (vgl. z.B. Beschlüsse vom 25. April 2007 - BVerwG 1 WB 31.06 - <insoweit nicht veröffentlicht in BVerwGE 128, 329 und Buchholz 449 § 3 SG Nr. 41> und vom 29. Januar 2008 - BVerwG 1 WB 10.07 - <insoweit nicht veröffentlicht in Buchholz 449 § 3 SG Nr. 42>).

21 B. Der Antrag zu 2. ist als Neubescheidungsantrag zulässig. Seiner Zulässigkeit steht - wie dargelegt - nicht der Umstand der zwischenzeitlich erfolgten Besetzung des strittigen Dienstpostens mit der ausgewählten Bewerberin entgegen.

22 Der Antrag zu 2. ist auch begründet.

23 Die Entscheidung des Abteilungsleiters PSZ im Bundesministerium der Verteidigung vom 6. November 2008, den nach Besoldungsgruppe A 16 bewerteten Dienstposten des Leiters der Abteilung ... beim ... Institut ... der Bundeswehr ... (Teileinheit/Zeile .../...) zum 1. Juni 2009 mit dem damaligen Oberfeldarzt Dr. B. zu besetzen, und der Beschwerdebescheid des Bundesministers der Verteidigung - PSZ I 7 - vom 16. März 2009 sind rechtswidrig und deshalb aufzuheben (§ 21 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. § 19 Abs. 1 Satz 1 WBO). Da die Sache nicht spruchreif ist, kann eine Verpflichtung des Bundesministers der Verteidigung, den Dienstposten mit der Antragstellerin zu besetzen, nicht ausgesprochen werden; der Bundesminister der Verteidigung ist jedoch verpflichtet, über die Besetzung des Dienstpostens unter Beachtung der nachfolgenden Rechtsauffassung des Gerichts neu zu entscheiden (§ 21 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. § 19 Abs. 1 Satz 4 WBO).

24 Es ist bereits zweifelhaft, ob die Auswahlentscheidung über die Besetzung des Dienstpostens von der zuständigen Stelle hinreichend dokumentiert ist (dazu 1.). Jedenfalls ist die Entscheidung materiell rechtswidrig, weil sie gegen die für einen Leistungsvergleich auf der Basis dienstlicher Beurteilungen geltenden Grundsätze verstößt (dazu 2.).

25 1. a) Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zu beamtenrechtlichen Konkurrentenstreitigkeiten um Beförderungsämter folgt aus Art. 33 Abs. 2 i.V.m. Art. 19 Abs. 4 GG die Verpflichtung des Dienstherrn, die seiner Entscheidung zugrunde liegenden wesentlichen Auswahlerwägungen schriftlich niederzulegen, um eine sachgerechte Kontrolle durch den unterlegenen Bewerber und ggf. durch das Gericht zu ermöglichen (vgl. BVerfG, Kammerbeschluss vom 9. Juli 2007 - 2 BvR 206/07 - NVwZ 2007, 1178 = ZBR 2008, 169). § 3 Abs. 1 SG übernimmt die Grundsätze des Art. 33 Abs. 2 GG in das Dienstverhältnis der Soldaten und erstreckt sie über Ernennungen hinaus ausdrücklich auf Verwendungsentscheidungen. Der Senat hat deshalb eine entsprechende Verpflichtung zur Dokumentation der wesentlichen Auswahlerwägungen auch für Entscheidungen angenommen, die - wie im vorliegenden Fall - ein Konkurrenzverhältnis um eine höherwertige militärische Verwendung betreffen (vgl. Beschlüsse vom 25. April 2007 - BVerwG 1 WB 31.06 - BVerwGE 128, 329 <335 f.> = Buchholz 449 § 3 SG Nr. 41, vom 16. Dezember 2008 - BVerwG 1 WB 19.08 - BVerwGE 133, 13 <14 f.> = Buchholz 449 § 3 SG Nr. 50 sowie zuletzt vom 23. Februar 2010 - BVerwG 1 WB 36.09 - <zur Veröffentlichung in BVerwGE und Buchholz vorgesehen>).

26 Zur Dokumentation verpflichtet ist dabei primär die Stelle, die für die zu treffende Auswahlentscheidung zuständig ist. Im Hinblick auf die in § 13 Abs. 1 Satz 1 und 2 WBO verankerte umfassende Kontroll- und Abänderungskompetenz kann die Dokumentationspflicht aber auch von der gemäß § 9 Abs. 1 WBO zuständigen Beschwerdestelle erfüllt werden, wenn und soweit sie eine eigene Sachentscheidung trifft; bestätigt die Beschwerdestelle die Ausgangsentscheidung und weist sie die Beschwerde zurück (§ 13 Abs. 3 WBO), kann sie, falls eine Dokumentation bis dahin fehlt, in dem Beschwerdebescheid die wesentlichen Auswahlerwägungen niederlegen oder eine vorhandene Dokumentation der Ausgangsentscheidung ergänzen oder inhaltlich fortschreiben (vgl. zum Ganzen Beschluss vom 27. Januar 2010 - BVerwG 1 WB 52.08 - <zur Veröffentlichung in BVerwGE und Buchholz vorgesehen>).

27 b) Nach diesen Maßstäben ist zweifelhaft, ob die zu der Auswahlentscheidung vorliegenden Unterlagen eine hinreichende Dokumentation durch die zuständige Stelle darstellen.

28 aa) Zur Dokumentation verpflichtet war primär der Abteilungsleiter PSZ, weil dieser für die abschließende Auswahlentscheidung über den nach Besoldungsgruppe A 16 bewerteten Dienstposten zuständig ist (Nr. 3.5 der „Bestimmungen über die Personal-Beraterausschüsse“ vom 7. August 2003; Nr. 4.2 Abs. 4 2. Spiegelstrich der „Richtlinie für die langfristige Verwendungsplanung der Berufsoffiziere des Truppendienstes, des Sanitätsdienstes, des Militärmusikdienstes und des Geoinformationsdienstes der Bundeswehr“ vom 7. August 2003). Dessen Schreiben vom 6. November 2008 lassen sich jedoch keine eigenständigen Auswahlerwägungen, sondern lediglich die pauschale Erklärung des Einverständnisses mit allen Empfehlungen des Personalberaterausschusses beim Inspekteur des Sanitätsdienstes entnehmen. Es fehlt aber auch an einer Dokumentation der Erwägungen des Personalberaterausschusses, die sich der Abteilungsleiter PSZ mit seiner Einverständniserklärung ggf. hätte zu Eigen machen können. Das Protokoll der Sitzung des Personalberaterausschusses benennt lediglich das Ergebnis der Abstimmung (ausgewählte Kandidaten und Stimmenverhältnis), nicht aber die für die jeweilige Entscheidung maßgeblichen Gründe. Die für die Besetzung des hier strittigen Dienstpostens erstellte tabellarische Übersicht über die drei Kandidatinnen Dipl.-Med. Br., die Antragstellerin und Dr. B. enthält in neutraler Form wesentliche Entscheidungsgrundlagen, lässt aber nicht erkennen, welche Gesichtspunkte letztlich den Ausschlag zugunsten von Dr. B. gegeben haben. Der Sprechzettel des Referatsleiters PSZ ... vom 14. Oktober 2008 wiederum schließt zwar mit einer zusammenfassenden Würdigung der drei Kandidatinnen und einer begründeten Empfehlung zugunsten von Dr. B.; es ist jedoch nicht ersichtlich, ob und in welcher Hinsicht der Personalberaterausschuss dieser Empfehlung gefolgt ist und sie in seine, dem Abteilungsleiter PSZ unterbreitete Empfehlung aufgenommen hat.

29 bb) Eine schriftliche Fixierung der wesentlichen Auswahlerwägungen ist dagegen in dem Beschwerdebescheid des Bundesministers der Verteidigung - PSZ I 7 - vom 16. März 2009 enthalten. Danach wurden alle drei Bewerberinnen als grundsätzlich geeignet für den Dienstposten angesehen; ebenso wurde allen drei Bewerberinnen die erforderliche Befähigung zugesprochen. Ausschlaggebend für die Entscheidung, den Dienstposten des Leiters der Abteilung ... mit dem damaligen Oberfeldarzt Dr. B. zu besetzen, war ein Leistungsvergleich, der in einer - im Einzelnen aufgeschlüsselten - quantifizierenden „Gesamtbetrachtung der letzten drei planmäßigen Beurteilungen“ in Verbindung mit einer Gewichtung der Bewertungen und einer „Transformation“ zwischen verschiedenen Beurteilungssystemen vorgenommen wurde. Die Darlegungen des Beschwerdebescheids sind hinreichend bestimmt und substantiiert, um die Auswahlentscheidung für die unterlegenen Mitbewerberinnen und für das Gericht nachvollziehbar und kontrollierbar zu machen.

30 Ob mit ihnen die Dokumentationspflicht erfüllt ist, ist jedoch aus einem anderen Grund zweifelhaft. Zwar ist nach dem oben Gesagten im Rahmen eines Beschwerdeverfahrens auch die für die Beschwerdeentscheidung zuständige Stelle im Rahmen der auf sie übergegangenen Sachentscheidungskompetenz befugt, die wesentlichen Auswahlerwägungen niederzulegen oder zu ergänzen. Der Beschwerdebescheid vom 16. März 2009 hätte jedoch nicht ergehen dürfen, weil die Auswahlentscheidung durch den Abteilungsleiter PSZ im Sinne des § 21 Abs. 1 Satz 1 WBO dem Bundesminister der Verteidigung zuzurechnen ist; die Beschwerde der Antragstellerin wäre deshalb unmittelbar als Antrag auf Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts zulässig und zu behandeln gewesen (vgl. Beschluss vom 15. Februar 1990 - BVerwG 1 WB 36.88 - <insoweit nicht abgedruckt in BVerwGE 86, 244 und NZWehrr 1990, 252>). Der Grund, warum gleichwohl ein Beschwerdebescheid ergangen ist, dürfte wohl darin liegen, dass die Antragstellerin über die für sie negative Entscheidung nicht durch das Bundesministerium, sondern durch das Personalamt der Bundeswehr informiert worden ist; für die Anfechtung im Wehrbeschwerdeverfahren kommt es jedoch nicht darauf an, wer die Entscheidung übermittelt oder eröffnet, sondern wer sie materiell getroffen hat.

31 Es bedarf im vorliegenden Fall keiner abschließenden Entscheidung, ob Auswahlerwägungen, die in einem irrtümlich ergangenen Beschwerdebescheid niedergelegt sind, die Dokumentationspflicht erfüllen können oder ob es sich dabei um einen verspäteten „nachgeschobenen“ Sachvortrag handelt, der nicht mehr zu berücksichtigen ist, sodass die Auswahlentscheidung bereits aus diesem Grund aufzuheben wäre (vgl. hierzu Beschluss vom 16. Dezember 2008 - BVerwG 1 WB 19.08 - a.a.O. S. 18 f.). Denn auch unter Berücksichtigung der Darlegungen in dem Beschwerdebescheid ist die Auswahlentscheidung aufzuheben, weil sie auf der Grundlage dieser Auswahlerwägungen materiell rechtswidrig ist.

32 2. Die auf eine „Gesamtbetrachtung der letzten drei planmäßigen Beurteilungen“ gestützte Auswahlentscheidung zugunsten von Dr. B. ist rechtswidrig, weil der Vergleich zwischen den Bewerberinnen - in der durchgeführten Form - gegen den aus Art. 33 Abs. 2 GG und § 3 Abs. 1 SG folgenden Leistungsgrundsatz bzw. Grundsatz der Bestenauslese verstößt.

33 Wenn, wie im vorliegenden Fall, mehrere Bewerber allen Anforderungskriterien gerecht werden, haben - in der Regel durch dienstliche Beurteilungen ausgewiesene - Abstufungen der Qualifikation Bedeutung (Beschluss vom 25. April 2007 - BVerwG 1 WB 31.06 - BVerwGE 128, 329 <338> = Buchholz 449 § 3 SG Nr. 41; für das Beamtenrecht Urteil vom 16. August 2001 - BVerwG 2 A 3.00 - BVerwGE 115, 58 <61> = Buchholz 232 § 8 BBG Nr. 54). Zur Ermittlung des Leistungsstandes konkurrierender Bewerber ist dabei in erster Linie auf die zum Zeitpunkt der Auswahlentscheidung aktuellsten Beurteilungen abzustellen, weshalb der letzten dienstlichen Beurteilung regelmäßig eine ausschlaggebende Bedeutung zukommt; zur abgerundeten Bewertung des Leistungs-, Eignungs- und Befähigungsbildes und seiner Kontinuität ist es darüber hinaus zulässig, in die Auswahlentscheidung auch frühere Beurteilungen bis zu den beiden letzten planmäßigen Beurteilungen vor der aktuellen Beurteilung mit einzubeziehen (vgl. Beschlüsse vom 18. Oktober 2007 - BVerwG 1 WB 6.07 - Buchholz 449.2 § 2 SLV 2002 Nr. 9 m.w.N. und vom 16. Dezember 2008 - BVerwG 1 WB 39.07 - BVerwGE 133, 1 <7> = Buchholz 449 § 3 SG Nr. 49).

34 Nach diesen Maßstäben ist der im vorliegenden Fall vorgenommene Leistungsvergleich rechtswidrig. Der Leistungsstand nach den jeweils letzten Beurteilungen rechtfertigt nicht die Auswahl von Dr. B. Auch die Art und Weise, in der frühere Beurteilungen in den Vergleich einbezogen wurden, ist fehlerhaft und nicht geeignet, einen Leistungsvorsprung von Dr. B. gegenüber der Antragstellerin zu begründen.

35 a) In den zum Zeitpunkt der Auswahlentscheidung aktuellen planmäßigen Beurteilungen, die für alle drei Bewerberinnen zum Termin 30. September 2007 erstellt wurden, wurde die Aufgabenerfüllung auf dem Dienstposten (auf einer neunstufigen Skala mit dem höchsten Wert 9) bei der Antragstellerin mit einem Durchschnittswert von 5,7, bei der Mitbewerberin Dipl.-Med. Br. mit 5,3 und bei der ausgewählten Bewerberin Dr. B. mit 4,6 bewertet. Die ausgewählte Bewerberin erzielte damit in der aktuellen Beurteilung, der regelmäßig eine ausschlaggebende Bedeutung zukommt, einen eindeutig geringeren Durchschnittswert als die Mitbewerberinnen und weist keinen Leistungsvorsprung, sondern einen erheblichen Rückstand insbesondere gegenüber der Antragstellerin auf. Das Leistungsbild der aktuellen Beurteilungen rechtfertigt deshalb nicht die Auswahl von Dr. B.

36 Deren Rückstand lässt sich auch nicht mit der vom Bundesminister der Verteidigung angeführten Erwägung relativieren, Dr. B. sei 2007 vom Erstbeurteiler besonders streng beurteilt worden. Zum einen ist die dienstliche Beurteilung von Dr. B. - wie auch die der Mitbewerberinnen - unanfechtbar geworden und deshalb mit dem Inhalt, mit dem sie in Bestandskraft erwachsen ist, der Auswahlentscheidung zugrunde zu legen (vgl. hierzu zuletzt ausführlich Beschluss vom 23. Februar 2010 - BVerwG 1 WB 36.09 - <zur Veröffentlichung in BVerwGE und Buchholz vorgesehen>). Unabhängig davon ist dem Aspekt der „besonders strengen“ Beurteilung bereits innerhalb der Beurteilung 2007 dadurch Rechnung getragen worden, dass der nächsthöhere Vorgesetzte für Dr. B. im Abschnitt „Verwendung“ die Bewertung im Punkt „Führungsverwendungen“ auf „gut geeignet“ und die Bewertung im Punkt „Fachverwendungen“ auf „besonders gut geeignet“ angehoben hat; im Übrigen hat der nächsthöhere Vorgesetzte der Beurteilung von Dr. B. im Abschnitt „Aufgabenerfüllung“ ausdrücklich zugestimmt sowie die im Abschnitt „Persönlichkeitsprofil“ getroffene Darstellung in allen Punkten uneingeschränkt mitgetragen und als maßgeblich bei einer Betrachtung für weitere Verwendungsentscheidungen bezeichnet.

37 b) Die Auswahlentscheidung zugunsten von Dr. B. ist auch nicht durch die Berücksichtigung früherer Beurteilungen gerechtfertigt.

38 aa) Nach dem oben Gesagten können zur abgerundeten Bewertung des Leistungs-, Eignungs- und Befähigungsbildes und seiner Kontinuität auch die jeweils vorletzten und vorvorletzten planmäßigen Beurteilungen der betrachteten Bewerberinnen einbezogen werden. Dabei darf allerdings nicht aus dem Blick geraten, dass für die Auswahlentscheidung der aktuelle und nicht ein in der Vergangenheit liegender Leistungsstand maßgeblich ist. Die vorletzten und vorvorletzten Beurteilungen sind deshalb nicht isoliert, sondern in Bezug auf das durch die letzte Beurteilung dokumentierte aktuelle Leistungsbild zu sehen. Dementsprechend hat der Senat hinsichtlich der früheren Beurteilungen stets betont, dass es sich hierbei um Erkenntnisse handelt, die bei einem Bewerbervergleich bedeutsame Rückschlüsse und Prognosen über die künftige Bewährung ermöglichen; das kommt namentlich dann in Betracht, wenn frühere Beurteilungen positive oder negative Aussagen über Charaktereigenschaften, Kenntnisse, Fähigkeiten, Verwendungen und Leistungen sowie deren voraussichtliche weitere Entwicklung enthalten (vgl. insbesondere Beschluss vom 18. Oktober 2007 a.a.O. Rn. 23 m.w.N.).

39 Mit dieser Funktion und Legitimation des Einbezugs früherer Beurteilungen, nämlich aus diesen ggf. ergänzende Rückschlüsse für den aktuellen Leistungsstand der Bewerber und dessen künftige Entwicklung zu ziehen, steht das vom Bundesminister der Verteidigung angewandte „Rechenmodell“ nicht in Einklang. Der Bundesminister der Verteidigung hat für die letzte, vorletzte und vorvorletzte Bewertung jeweils die „Leistungsdifferenz“ zwischen der Antragstellerin und Dr. B. (Differenz der jeweiligen Durchschnittswerte) ermittelt und diese miteinander verrechnet, wobei sich trotz besserer aktueller Beurteilung der Antragstellerin wegen der besseren früheren Beurteilungen von Dr. B. in der rechnerischen Gesamtbilanz ein Leistungsvorsprung von Dr. B. ergab (zu Problemen der Vergleichbarkeit der Beurteilungen noch nachfolgend bb und cc). Ungeachtet der Tatsache, dass der Bundesminister der Verteidigung in seinem Schriftsatz vom 9. Juli 2009 eine degressive Gewichtung vorgenommen hat (Multiplikation des Durchschnittswerts in der letzten Beurteilung mit dem Faktor 3, in der vorletzten Beurteilung mit dem Faktor 2 und in der vorvorletzten Beurteilung mit dem Faktor 1), wird auf diese Weise mit einer rein rechnerischen Operation das aktuelle Leistungsverhältnis zwischen den Bewerberinnen überspielt und in sein Gegenteil verkehrt. Dabei wird in keiner Weise begründet oder erkennbar, warum der in der Vergangenheit bestehende Leistungsvorsprung von Dr. B. den - maßgeblichen - aktuellen Leistungsvorsprung der Antragstellerin in Frage stellen sollte bzw. worin die aus den früheren Beurteilungen entnommenen Erkenntnisse bestehen, die - entgegen dem Leistungsbild der aktuellen Beurteilung - erwarten lassen, dass sich Dr. B. auf dem strittigen Dienstposten besser bewähren und entwickeln wird als die Antragstellerin. Die früheren Beurteilungen werden also nicht etwa hinsichtlich ihrer Aussagekraft für den aktuellen Leistungsstand oder für das Potenzial und die Entwicklungsprognose ausgewertet; vielmehr wird dem relativ größeren Leistungsvorsprung der ausgewählten Bewerberin in der Vergangenheit die entscheidende Bedeutung im aktuellen Leistungsvergleich zugemessen. Dies widerspricht dem Grundsatz, dass der letzten dienstlichen Beurteilung regelmäßig eine ausschlaggebende Bedeutung für die Auswahlentscheidung zukommt.

40 bb) Der Leistungsvergleich ist ferner auch deshalb fehlerhaft, weil zum Teil Beurteilungen aus unterschiedlichen Beurteilungszeiträumen zueinander in Beziehung gesetzt wurden.

41 Die Funktion einer planmäßigen Beurteilung in einer Auswahlentscheidung als Instrument der „Klärung einer Wettbewerbssituation“ erfordert die Gewährleistung einer Vergleichbarkeit der Beurteilungen. Deshalb muss schon im Beurteilungsverfahren soweit wie möglich gleichmäßig verfahren werden; die Beurteilungsmaßstäbe müssen gleich sein und gleich angewendet werden. Insbesondere der gemeinsame Beurteilungsstichtag und der jeweils gleiche Beurteilungszeitraum garantieren eine höchstmögliche Vergleichbarkeit (vgl. Beschluss vom 18. Oktober 2007 a.a.O., Urteil vom 27. Februar 2003 - BVerwG 2 C 16.02 - Buchholz 237.6 § 8 NdsLBG Nr. 10). Für das Auswahlverfahren folgt hieraus, dass zur Wahrung der Chancengleichheit der Bewerber ein inhaltlicher Vergleich von planmäßigen Beurteilungen nur zulässig ist, wenn er sich im Wesentlichen auf die gleichen Beurteilungszeiträume und die gleichen Beurteilungsstichtage erstreckt.

42 Ausweislich der tabellarischen Übersicht über die drei Bewerberinnen wurden für die ausgewählte Bewerberin Dr. B. planmäßige Beurteilungen aus den Jahren 2007, 2005, 2003 und 2001 berücksichtigt, für die Antragstellerin und die Mitbewerberin Dipl.-Med. Br. dagegen nur Beurteilungen aus den Jahren 2007, 2003 und 2001, nicht aber aus 2005. Anders als Dr. B. waren die Antragstellerin und Dipl.-Med. Br. gemäß Nr. 203 Buchst. a ZDv 20/6 in der damals gültigen Fassung nur alle vier Jahre zu beurteilen und haben deshalb im Jahre 2005 keine planmäßige Beurteilung erhalten. Der Bundesminister der Verteidigung hat in dem Leistungsvergleich als vorletzte Beurteilung für Dr. B. diejenige aus dem Jahre 2005, für die Antragstellerin dagegen diejenige aus dem Jahre 2003 eingestellt; entsprechend wurde als vorvorletzte Beurteilung für Dr. B. diejenige aus dem Jahre 2003, für die Antragstellerin dagegen diejenige aus dem Jahre 2001 herangezogen. Ein solcher „Quervergleich“ über unterschiedliche Beurteilungszeiträume ist nicht zulässig. Er verstößt gegen den Grundsatz, dass ein Vergleich eine gemeinsame - hier zeitliche - Vergleichsgrundlage voraussetzt, und führt zu einer Verzerrung des Leistungsbildes der Bewerberinnen.

43 cc) Nicht statthaft ist schließlich die von dem Bundesminister der Verteidigung vorgenommene „Transformation“, indem die Bewertungen aus den vorletzten und vorvorletzten Beurteilungen bzw. die entsprechenden „Leistungsdifferenzen“ zwischen den Bewerberinnen mit dem Faktor 9/7 multipliziert wurden. Zwar erfolgte vor den zum Termin 30. September 2007 erstellten Beurteilungen die Umstellung des Bewertungsmaßstabs von einer zuvor sieben- auf eine dann neunstufige Skala (Nr. 609 Buchst. b mit Anlage 4 der ZDv 20/6 i.d.F. vom 17. Januar 2007). Eine „Umrechnung“ der Durchschnittswerte bzw. „Leistungsdifferenzen“ setzt jedoch voraus, dass außer der Streckung des Bewertungsmaßstabs von sieben auf neun Stufen das Beurteilungssystem im Übrigen unverändert geblieben ist. Die Beurteilungsbestimmungen vom 17. Januar 2007 haben indes insbesondere durch die Einführung von Richtwertvorgaben sowie durch Regelungen zur Vergleichsgruppenbildung und zu Abstimmungsgesprächen zu einer gegenüber der vorherigen Konzeption grundlegenden Umgestaltung des Beurteilungssystems geführt (vgl. im Einzelnen Beschluss vom 26. Mai 2009 - BVerwG 1 WB 48.07 - BVerwGE 134, 59 = Buchholz 449.2 § 2 SLV 2002 Nr. 14). Die vorletzten und vorvorletzten Beurteilungen einerseits und die aktuellen Beurteilungen zum Termin 30. September 2007 andererseits wurden deshalb unter völlig unterschiedlichen Bedingungen erstellt, sodass eine einfache, allein an der Skalenerweiterung (von sieben auf neun Stufen) orientierte „Umrechnung“ der Leistungsbewertungen nicht in Betracht kommt.

44 3. Da die Auswahl für die Besetzung des Dienstpostens des Leiters der Abteilung ... beim ... Institut ... der Bundeswehr rechtswidrig ist, sind die entsprechende Entscheidung des Abteilungsleiters PSZ vom 6. November 2008 und der Beschwerdebescheid des Bundesministers der Verteidigung - PSZ I 7 - vom 16. März 2009 aufzuheben (§ 21 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. § 19 Abs. 1 Satz 1 WBO). Der Bundesminister der Verteidigung ist gemäß dem Antrag zu 2. verpflichtet, über die Besetzung des Dienstpostens unter Beachtung der vorstehenden Rechtsauffassung des Gerichts neu zu entscheiden (§ 21 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. § 19 Abs. 1 Satz 4 WBO).

45 Die Kostenentscheidung folgt aus § 21 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. § 20 Abs. 1 Satz 1 WBO.