Urteil vom 19.06.2008 -
BVerwG 1 D 2.07ECLI:DE:BVerwG:2008:190608U1D2.07.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Urteil vom 19.06.2008 - 1 D 2.07 - [ECLI:DE:BVerwG:2008:190608U1D2.07.0]

Urteil

BVerwG 1 D 2.07

  • Bayer. VG München - 12.01.2007 - AZ: VG M 19B D 06.4158

In dem Disziplinarverfahren hat das Bundesverwaltungsgericht, Disziplinarsenat,
in der nichtöffentlichen Hauptverhandlung am 19. Juni 2008,
an der teilgenommen haben:
Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Müller
als Vorsitzender,
Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Heitz,
Richterin am Bundesverwaltungsgericht Thomsen,
Zolloberamtsrat Furtner
und Zollamtfrau Maaß
als ehrenamtliche Richter
sowie
Oberregierungsrat ...
im Beistand von Zolloberamtsrat ...
als Vertreter der Einleitungsbehörde,
Gewerkschaftssekretär ...
als Verteidiger
und
Protokollführerin ...
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,
für Recht erkannt:

Die Berufung des Zollamtsrats a. D. ... gegen das Urteil des ... Verwaltungsgerichts ... vom 12. Januar 2007 wird auf seine Kosten zurückgewiesen.

Gründe

I

1 1. In dem durch Verfügung vom 26. Juni 2001, zugestellt am 3. Juli 2001, eingeleiteten förmlichen Disziplinarverfahren hat die Oberfinanzdirektion A. dem ... zum 1. August 2000 in den Ruhestand versetzten Ruhestandsbeamten mit Anschuldigungsschrift vom 3. November 2006 vorgeworfen, dadurch ein Dienstvergehen begangen zu haben, dass er während seiner aktiven Dienstzeit
1. in Bezug auf sein Amt von einem Dritten (Firma B.) Bargeld in Höhe von 1 790,40 DM gefordert und angenommen hat,
2. am 29. September 1999 mit Teilen seines Sachgebietes ohne Genehmigung des Dienststellenleiters während der Dienstzeit das Oktoberfest besucht hat,
3. am 20. Juli 2000 gegen 01.35 Uhr in C. auf der L. Allee mit 1,72 Promille eine außerdienstliche Trunkenheitsfahrt begangen hat sowie
4. im Jahr 2000 ein anonymes Schreiben in Form eines Erlasses erstellt und darin einen Kollegen und seinen Vorgesetzten beleidigt und verleumdet hat.

2 Wegen des Sachverhalts im Anschuldigungspunkt 1 war der Ruhestandsbeamte durch Strafurteil des Amtsgerichts C. vom 19. April 2004, rechtskräftig nach Rücknahme der Berufung des Ruhestandsbeamten und der Staatsanwaltschaft seit 27. Oktober 2005, wegen Vorteilsannahme (§ 331 Abs. 1 StGB) zu einer Geldstrafe in Höhe von 90 Tagessätzen zu je 80 € verurteilt worden. Den durch Verfügung der Oberfinanzdirektion A. gegenüber dem Ruhestandsbeamten geltend gemachten Anspruch auf Herausgabe des erlangten Vorteils im Sinne des § 70 BBG in Höhe von 915,42 € (1 790,40 DM) zahlte der Ruhestandsbeamte an den Dienstherrn.

3 Ferner war gegen den Ruhestandsbeamten durch Strafbefehl des Amtsgerichts C. vom 29. August 2000, rechtskräftig seit 15. September 2000, wegen fahrlässiger Trunkenheit im Verkehr (§ 316 StGB) eine Geldstrafe in Höhe von 45 Tagessätzen zu je 100 DM verhängt worden. Dieser Sachverhalt wird dem Ruhestandsbeamten im Anschuldigungspunkt 3 zur Last gelegt.

4 2. Das Verwaltungsgericht ... hat durch Urteil vom 12. Januar 2007 entschieden, dass dem Ruhestandsbeamten das Ruhegehalt aberkannt wird. Von der Bewilligung eines Unterhaltsbeitrags hat es im Hinblick auf die günstigen Vermögensverhältnisse des Ruhestandsbeamten abgesehen. Im Anschuldigungspunkt 1 ist das Verwaltungsgericht von den gemäß § 18 Abs. 1 Satz 1 BDO bindenden Feststellungen im rechtskräftigen Urteil des Amtsgerichts C. vom 19. April 2004 ausgegangen, die wie folgt lauten:
„Der Angeklagte (das ist der Ruhestandsbeamte, ergänzt) war vom 01.05.1998 bis 18.10 .1999 beim Hauptzollamt C. ... als Zollamtsrat tätig. Er hatte dort die Funktion des Leiters des Sachgebiets AZ (Haushaltswesen, Hausverwaltung und Liegenschaften, Reisekosten, Zollzahlstelle und Verwertung) zu betreuen. In seinen Verantwortungsbereich fiel auch die Abwicklung von ‚Event-Veranstaltungen’ Dritter in den repräsentativen Räumen des Hauptzollamtes C.
Die Firma B., mit Sitz in C., wollte in diesen Räumen eine Modenschau im September 1999 durchführen. Deswegen kam es zwischen dem Angeklagten einerseits und der Zeugin K. andererseits vor dem 14.09.1999 zu persönlichen und telefonischen Kontakten. Der Angeklagte war für die Zeugin K., die die Firma B. vertrat, der Ansprechpartner auf Seiten des Zollamtes. Bei der letztlich durchgeführten Modenschau handelt es sich um eine Veranstaltung, die einen finanziellen Aufwand von ca. 170.000,-- DM auf Seiten der Veranstalterin verursacht hat und bei der etwa 600 Gäste der Modenschau anwesend waren. An Miete für die Räumlichkeiten hatte die Firma B. 6.000,-- DM zu bezahlen. Die Durchführung der Veranstaltung an sich (Catering, Beleuchtung, Bestuhlung etc.) hatte die Firma B. einer Firma ‚D.’ übertragen.
Am 14.09.1999 wurde in den Räumlichkeiten des Hauptzollamtes die Modenschau durchgeführt. Sie war ein großer Erfolg. Bei dieser Veranstaltung leisteten die Bediensteten des Hauptzollamtes auch begleitend Tätigkeiten.
Am Tag nach der Veranstaltung trat der Angeklagte in einem persönlichen Gespräch an die Zeugin K. heran und forderte diese auf, ‚sich erkenntlich zu zeigen’, da etwa 20 Helfer auf Seiten des Zollamtes bei der Durchführung der Modenschau mitgearbeitet hätten. Der Angeklagte schlug vor, dass diese Mitarbeiter auf Kosten der Firma B. von dieser zum Oktoberfest eingeladen werden sollten. Die Zeugin K. erklärte sich damit einverstanden. Sie gab dem Angeklagten etwa einen Geldrahmen von 1.500,-- DM vor, den die Einladung zum Oktoberfest nicht übersteigen sollte.
Am 29.09.1999 fand ein ‚Betriebsausflug’ der Abteilung des Angeklagten zum Oktoberfest statt. In der dortigen Ochsenbraterei wurde gegessen und getrunken. Die Rechnung für den Verzehr der Speisen und Getränke in Höhe von 1.790,40 DM beglich zunächst der Angeklagte.
Wenige Tage später begab sich der Angeklagte in die Geschäftsräume der Zeugin K. und überbrachte ihr die Rechnung. Da die Zeugin K. nicht genügend Bargeld in der Kasse hatte, wurde vereinbart, dass ein mit der Zeugin K. befreundeter Taxifahrer den Betrag von 1.790,40 DM in bar dem Angeklagten überbringen sollte. Dies erfolgte dann auch.
In der Folgezeit fertigte der Angeklagte noch eine ‚Gästeliste’, damit die Rechnung der Ochsenbraterei steuerlich durch die Firma B. als Betriebsausgaben geltend gemacht werden konnte.
Der Angeklagte kannte alle Tatumstände. Er wusste, zumindest nahm er dies billigend in Kauf, dass er oder seine Mitarbeiter der Abteilung auf die Einladung zum Oktoberfest durch die Firma B. bzw. die Erstattung der Kosten keinen Rechtsanspruch hatte ...
Der Angeklagte war wegen Vorteilsannahme gemäß § 331 Abs. 1 StGB zu verurteilen ...“

5 Das Verwaltungsgericht hat diesen Sachverhalt als vorsätzliche Verletzung der Dienstpflichten gemäß § 70 Satz 1, § 54 Satz 2 und 3 BBG gewertet.

6 Auch den Vorwurf im Anschuldigungspunkt 2 hat das Verwaltungsgericht als erwiesen angesehen. Der Ruhestandsbeamte habe am 29. September 1999 neun Beschäftigten seines Sachgebietes ab 12.00 Uhr Dienstbefreiung gewährt, ohne die erforderliche Genehmigung eingeholt oder dem Vorsteher des Hauptzollamts C. den Besuch des Oktoberfestes gemeldet zu haben. In der Hauptverhandlung habe der Ruhestandsbeamte die Richtigkeit des Vorwurfs eingeräumt. Durch die festgestellte Handlungsweise habe er vorsätzlich gegen seine Dienstpflichten gemäß § 55 Satz 2 BBG i.V.m. § 12 Abs. 2 der Geschäftsordnung des Hauptzollamts verstoßen.

7 Im Anschuldigungspunkt 3 ging das Verwaltungsgericht von dem Sachverhalt aus, den das Amtsgericht C. in seinem rechtskräftigen Strafbefehl vom 29. August 2000 wie folgt festgestellt hatte:
„Sie (das ist der Ruhestandsbeamte, ergänzt) fuhren am 20.07.2000 gegen 01.35 Uhr mit dem Pkw, ..., auf derL. Allee in C., obwohl Sie infolge vorangegangenen Alkoholgenusses fahruntüchtig waren. Eine bei Ihnen am 20.07.2000 um 02.55 Uhr entnommene Blutprobe ergab eine Blutalkoholkonzentration von 1,72 Promille. Ihre Fahruntüchtigkeit hätten Sie bei kritischer Selbstprüfung erkennen können und müssen. Durch die Tat haben Sie sich als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen erwiesen.“

8 Diese außerdienstliche Trunkenheitsfahrt stelle eine Verletzung der Pflicht zur Beachtung der Gesetze dar.

9 Im Anschuldigungspunkt 4 hielt das Verwaltungsgericht für erwiesen, dass der Ruhestandsbeamte unter dem Datum 20. April 2000 ein als Erlass des Bundesministeriums der Finanzen ... aufgemachtes (anonymes) Schreiben, adressiert an Herrn W. (Sachbearbeiter für Tabaksteuer im Bundesfinanzministerium), dem Oberfinanzpräsidenten der Oberfinanzdirektion A. zur Kenntnisnahme zugeleitet habe. Das Schreiben hat folgenden Wortlaut:
„Bekämpfung der Korruption - Gesetz vom 13.08.1997 -
Sehr geehrter Herr W.!
Ist es zutreffend, was hier im Hause über Sie gemunkelt wird?
Sie hätten sich trotz Ihrer maßgeblichen Stellung im Ministerium im Bereich des Tabaksteuerrechts als Gast der Firma X. auf deren Kosten am Oktoberfest 1999 ... mit weiteren Amtsträgern aus diesem Fachbereich und in Begleitung diverser Damen köstlich amüsiert. Haben Sie vielleicht Vorbilder, wie z.B. den Herrn G. und viele andere?
Auch stellt sich hier die Frage, wer denn diese Vergnügungsreise aus dienstlichen Gründen genehmigt hat, bei der der Steuerzahler gleich zweimal die Zeche bezahlen musste?
Zum einen, für die Kosten Ihrer Vergnügungsreise aus Haushaltsmitteln, zum andern, die Kosten für Ihre übrigen Speisen und Getränke als gewinn- und steuermindernde Betriebsausgabe der Firma X.
Und dass dies auch hier im Hause bekannt wurde, dafür sorgte der für die Zigarettenfirma mit der meist geschmuggelten Zigarettenmarke ... zuständige Leiter des Hauptzollamtes C. Zwar versuchte er mit Hilfe der ehemaligen Oberfinanzdirektion C. alles zu vertuschen. Doch durch seine gewohnte ungeschickte Vorgehensweise, durch die er seit seinem misslungenen Interview mit dem Nachrichtenmagazin ... auch hier im Hause bestens bekannt ist, wurden letztlich so viele Stellen involviert, dass das Ganze letztlich auch hier bekannt wurde.
Dies kann deshalb in einer Zeit, in der es trotz der Verschärfung der gesetzlichen Bestimmungen von Korruptionsfällen nur so wimmelt, so nicht hingenommen werden. Und dies zu Recht, da letztlich Ihr Handeln ein schlechtes Licht auf alle korrekten Amtsträger wirft. Ziehen Sie daraus deshalb Ihre Konsequenzen und zwar bald, bevor es andere tun.
Mit freundlichem Gruß
Ihre Kollegen im Hause, die so ein Verhalten nicht akzeptieren können!“

10 Ferner habe der Ruhestandsbeamte, so das Verwaltungsgericht, im April 2001 ein als „info 04/2001 - Vertraulich -“ aufgemachtes (anonymes) Schreiben einer (nicht existierenden) „Interessengemeinschaft für eine saubere und gerechte Verwaltung“ mit einem ehrenrührigen Inhalt verfasst; das Schreiben sei dem Vorsitzenden des Bundes Naturschutz E. zugegangen.

11 Aufgrund des überzeugenden schriftlichen sprachwissenschaftlichen Gutachtens der Sachverständigen Dr. G. vom 27. Juli 2006 stehe fest, dass beide anonyme Schreiben vom Ruhestandsbeamten stammten. Er habe dadurch gegen seine Pflicht zu achtungs- und vertrauenswürdigem Verhalten (§ 54 Satz 3 BBG) verstoßen. Denn er habe in herabwürdigender Weise seinen Vorgesetzten und seinen Kollegen in deren Ehre verletzt.

12 Das Verwaltungsgericht hat die Verfehlungen des Ruhestandsbeamten als einheitliches inner- und außerdienstliches Dienstvergehen im Sinne des § 77 Abs. 1 BBG gewertet, das schon wegen der Pflichtverletzung im Anschuldigungspunkt 1 sehr schwer wiege und mit der Aberkennung des Ruhegehalts geahndet werden müsse. Ein Beamter, der vorsätzlich gegen § 70 Satz 1 BBG verstoße, verliere regelmäßig endgültig das Vertrauen des Dienstherrn und der Allgemeinheit in seine pflichtgemäße Amtsführung und könne nicht länger im Beamtenverhältnis verbleiben, wenn er z.B. bares Geld angenommen habe und durchgreifende Milderungsgründe fehlten. Ein solcher Fall sei hier gegeben.

13 3. Dagegen hat der Ruhestandsbeamte durch seinen Verteidiger rechtzeitig Berufung eingelegt mit dem Antrag, auf eine Kürzung des Ruhegehalts zu erkennen. Zur Begründung macht er im Wesentlichen geltend:

14 Die festgestellten Dienstpflichtverletzungen in den Anschuldigungspunkten 1 und 2 würden eingeräumt.

15 Auch die Tatsachenfeststellung im Anschuldigungspunkt 3 sei zutreffend. Allerdings stelle die außerdienstliche Trunkenheitsfahrt nach den Gesamtumständen keine berücksichtigungsfähige Dienstverfehlung dar.

16 Er bestreite weiter, Verfasser des anonymen Schreibens vom 20. April 2000 sowie des Infos 04/2001 zu sein (Anschuldigungspunkt 4). Die Vorinstanz stütze sich insoweit zu Unrecht allein auf das im Untersuchungsverfahren eingeholte sprachwissenschaftliche Gutachten. Dort werde im ersten Satz des Untersuchungsergebnisses betont, keine Textanalyse könne eindeutig klären, ob Texte vom selben Verfasser stammten. Bereits diese Aussage zeige, dass ein solches Gutachten für sich genommen noch keinen eindeutigen Schluss auf die Urheberschaft einer bestimmten Person für ein bestimmtes Schreiben zulasse. Die von ihm, dem Ruhestandsbeamten, in diesem Zusammenhang vorgebrachten Einwände gegen seine Urheberschaft seien vom Verwaltungsgericht nicht berücksichtigt worden.

17 Die Aberkennung des Ruhegehalts sei eine unverhältnismäßige Disziplinarmaßnahme. Die Vorteilsannahme habe nur den Randbereich seiner Dienstpflichten betroffen. Die Entscheidungskompetenz zur Vermietung der Räumlichkeiten habe bei seinem Vorgesetzten, dem Vorsteher des Hauptzollamts C., gelegen. Er, der Ruhestandsbeamte, habe den Vorgang lediglich vorbereitet und durchgeführt. Es sei auch nicht richtig, dass er von der Firma B. auf dreiste Art und Weise einen Vorteil gefordert habe. Die Zeugin K. habe sich bei ihm und seinen Mitarbeitern für den Einsatz und die gute Zusammenarbeit bedanken wollen. Aufgrund der mündlichen Zusage der Zeugin sei er mit seinen Mitarbeitern auf das Oktoberfest gegangen und mit einem Betrag von 1 790 DM in Vorleistung getreten. Die Zeugin habe sich dann moralisch zur Erfüllung ihrer Zusage verpflichtet gesehen.

18 Das Verwaltungsgericht habe zudem vorhandene Entlastungs- und Milderungsgründe nicht ausreichend gewürdigt. Zunächst könne ihm Eigennutz nicht angelastet werden. Er habe den Geldbetrag nicht für sich verwendet. Lediglich die von ihm konsumierten Speisen und Getränke könnten ihm vorgehalten werden. Er habe seine Mitarbeiter zur Steigerung des Betriebsklimas eingeladen und sich für ihre Mitarbeit bedankt. Es habe sich um eine einmalige Zuwendung der Firma B. im Rahmen einer einmaligen Eventveranstaltung gehandelt. Eine von ihm zu treffende dienstliche Entscheidung sei dadurch nicht beeinflusst worden. Das Verwaltungsgericht habe auch übersehen, dass der Dienstherr damals selbst ein schlechtes Beispiel für seine Untergebenen abgegeben habe. Insoweit verweise er auf das Treffen der sog. Zollexperten für Tabaksteuern auf dem Oktoberfest auf Einladung des Zigarettenkonzerns X. Mildernd sei neben der langen Verfahrensdauer auch nicht ausreichend berücksichtigt worden, dass er, der Ruhestandsbeamte, weder straf- noch disziplinarisch vorbelastet sei und aufgrund des aktenkundig gemachten Verhaltens des Dienstherrn eine schwere Erkrankung erlitten habe. Seit 2001 sei er deshalb gezwungen, fachärztliche Hilfe in Anspruch zu nehmen.

II

19 Die Berufung des Ruhestandsbeamten hat keinen Erfolg.

20 Das Disziplinarverfahren ist auch nach Inkrafttreten des Bundesdisziplinargesetzes am 1. Januar 2002 nach den Verfahrensregeln und -grundsätzen der Bundesdisziplinarordnung fortzuführen, weil es vor dem 1. Januar 2002 ordnungsgemäß förmlich eingeleitet worden ist (§ 85 Abs. 1 und 3 BDG; zum Übergangsrecht vgl. Urteil vom 20. Februar 2002 - BVerwG 1 D 19.01 - NVwZ 2002, 1515).

21 Die Berufung ist unbeschränkt eingelegt. Der Ruhestandsbeamte bestreitet zumindest im Anschuldigungspunkt 4, die ihm zur Last gelegte Dienstpflichtverletzung begangen zu haben; im Anschuldigungspunkt 3 ist er der Ansicht, seine Trunkenheitsfahrt stelle keine außerdienstliche Verfehlung dar. Wegen des Grundsatzes der Einheit des Dienstvergehens hat der Senat deshalb im Rahmen aller vier Anschuldigungspunkte den Sachverhalt selbst festzustellen und disziplinarrechtlich zu würdigen.

22 1. Der Senat hat trotz eines schweren Verfahrensmangels von einer Zurückverweisung der Sache gemäß § 85 Abs. 1 Nr. 3 BDO abgesehen. Ein schwerer Verfahrensmangel liegt darin, dass das Verwaltungsgericht zu Anschuldigungspunkt 4 das im Untersuchungsverfahren zur Feststellung der Textautorenschaft eingeholte schriftliche sprachwissenschaftliche Gutachten vom 27. Juli 2006 verwertet hat, ohne die Sachverständige, Frau Dr. phil. G., zuvor selbst in der Hauptverhandlung angehört zu haben. Da die Sachverständige ihr Gutachten auch im Untersuchungsverfahren nicht mündlich erstattet hatte, lag insoweit keine protokollierte und damit gemäß § 21 Abs. 1 Satz 2 BDO verwertbare Aussage vor. Wegen des Grundsatzes der Unmittelbarkeit der Beweisaufnahme (§ 244 Abs. 2, § 250 StPO i.V.m. § 25 BDO) setzt eine Verwertung des Gutachtens im Regelfall eine mündliche Anhörung der Sachverständigen voraus. Die vom Verwaltungsgericht durchgeführte Verlesung des schriftlichen Gutachtens wäre nur dann ausreichend gewesen, wenn es sich um ein Behördengutachten im Sinne des § 256 Abs. 1 StPO gehandelt hätte. Dies ist hier aber nicht der Fall, da die Sachverständige, die Lehrkraft an der Professur Medienkommunikation der TU Y. ist, als Privatperson beauftragt worden war, das Gutachten auch privat erstellt (siehe Briefkopf und Gutachtenschluss) und privat liquidiert hatte (vgl. dazu insgesamt die stRspr des Senats, z.B. Urteile vom 25. November 1976 - BVerwG 1 D 32.76 - BVerwGE 53, 212 ff. und vom 26. Februar 2004 - BVerwG 1 D 3.03 - m.w.N.).

23 Trotz des schweren Verfahrensmangels hat der Senat von einer in seinem Ermessen stehenden Zurückverweisung der Sache (vgl. die Kann-Vorschrift in § 85 Abs. 1 BDO) an das Verwaltungsgericht abgesehen. Er hat die Anhörung der Sachverständigen in der Berufungshauptverhandlung selbst vorgenommen und dadurch den Verfahrensfehler geheilt. Diese Verfahrensweise dient dem disziplinarrechtlichen Beschleunigungsgebot (vgl. jetzt § 4 BDG) und der Prozessförderungspflicht des Senats, ohne den Ruhestandsbeamten dadurch in seinen Rechten zu beeinträchtigen (vgl. dazu z.B. Urteil vom 26. Februar 2004 - BVerwG 1 D 3.03 - m.w.N.), zumal der Senat den Ruhestandsbeamten vom Vorwurf im Anschuldigungspunkt 4 letztlich freigestellt hat.

24 2. Aufgrund der zum Gegenstand der Hauptverhandlung gemachten Beweismittel, der Anhörung der Sachverständigen Dr. G. und der Einlassungen des Ruhestandsbeamten in der Hauptverhandlung, soweit ihnen gefolgt werden kann, hält der Senat die nachfolgend dargestellten Sachverhalte für erwiesen und würdigt diese disziplinarrechtlich wie folgt:

25 Zu Anschuldigungspunkt 1 (unerlaubte Vorteilsannahme):
a) Gemäß § 18 Abs. 1 Satz 1 BDO hat der Senat - wie das Verwaltungsgericht - von dem im rechtskräftigen Strafurteil des Amtsgerichts C. vom 19. April 2004 bindend festgestellten und vom Ruhestandsbeamten auch eingeräumten objektiven Sachverhalt, der bereits dargestellt worden ist, auszugehen, der nach der in der Hauptverhandlung ergänzend durchgeführten Beweisaufnahme letztlich im Wesentlichen wie folgt lautet:

26 Der Ruhestandsbeamte war als der zuständige Sachgebietsleiter AZ im Hauptzollamt C. u.a. mit der Abwicklung von „Event-Veranstaltungen“ Dritter in den repräsentativen Räumen seines Dienstgebäudes befasst; er war auf Seiten des Hauptzollamts der Ansprechpartner. Am 14. September 1999 fand im Dienstgebäude mit etwa 600 Gästen eine Modenschau der Firma B. statt, die ein großer Erfolg war. Die Miete für die Räumlichkeiten betrug 6 000 DM. Die Durchführung der Veranstaltung war einer Spezialfirma übertragen worden. Der Ruhestandsbeamte wandte sich am Folgetag an die zuständige Mitarbeiterin der Firma B., die Zeugin K., und forderte sie auf, „sich erkenntlich zu zeigen“, da etwa 20 Bedienstete des Hauptzollamts bei der Durchführung der Modenschau mitgearbeitet hätten. Der Ruhestandsbeamte schlug vor, dass diese Mitarbeiter von der Firma B. auf deren Kosten zum Oktoberfest eingeladen werden sollten. Die Zeugin erklärte sich damit einverstanden und gab einen Kostenrahmen von 1 500 DM vor.

27 Am 29. September 1999 fand ab etwa 12.00 Uhr ein halbtägiger „Betriebsausflug“ der Abteilung des Ruhestandsbeamten zum Oktoberfest statt, an dem mit dem Ruhestandsbeamten vorübergehend insgesamt 13 Personen teilnahmen. Den Rechnungsbetrag für den Verzehr der Speisen und Getränke in einer Ochsenbraterei in Höhe von 1 790,40 DM beglich zunächst der Ruhestandsbeamte. Wenige Tage später überbrachte er der Zeugin K. die Rechnung und ließ sich den Betrag in Höhe von 1 790,40 DM in bar erstatten. Außer dem Hausmeister des Dienstgebäudes, der am „Betriebsausflug“ teilgenommen hatte, wusste niemand von der Kostenübernahme durch die Firma B.. Da die Teilnehmer selbst nichts bezahlen mussten, gingen sie - bis auf die genannte Person - davon aus, dass der Ruhestandsbeamte, der eingeladen hatte, auch die Rechnung bezahlen würde.

28 Zur steuerlichen Geltendmachung des Rechnungsbetrags fertigte der Ruhestandsbeamte für die Firma B. eine „Gästeliste“. Dabei handelte es sich um eine „fiktive“ Teilnehmerliste mit 24 Namen. Der Ruhestandsbeamte hatte dort im Wesentlichen die Namen der Personen aus seinem Bekanntenkreis aufgeführt, die von ihm privat - mit Zustimmung von Frau K. - zur Modenschau eingeladen worden und zum Teil erschienen waren. Die Namen der Bediensteten des Hauptzollamts, die tatsächlich an dem Oktoberfestbesuch teilgenommen hatten, waren nicht erwähnt; auch seinen eigenen Namen hatte der Ruhestandsbeamte nicht auf die „Gästeliste“ gesetzt.

29 b) Durch die an die Zeugin K. gerichtete Forderung, sich im Anschluss an die im Dienstgebäude durchgeführte Modenschau den etwa 20 an ihrer Durchführung beteiligten Bediensteten des Hauptzollamts „erkenntlich zu zeigen“ und durch die Annahme des baren Erstattungsbetrages in Höhe von 1 790,40 DM für den Oktoberfestbesuch hat der Ruhestandsbeamte nicht nur kriminelles Unrecht begangen (§ 331 Abs. 1 StGB), sondern hat auch zumindest bedingt vorsätzlich gegen seine Dienstpflichten gemäß § 70 Satz 1 BBG verstoßen.

30 Nach § 70 Satz 1 BBG in der ab 20. August 1997 geltenden Fassung vom 13. August 1997 (BGBl I S. 2038) darf der Beamte keine Belohnungen oder Geschenke in Bezug auf sein Amt annehmen. Das Verbot konkretisiert die allgemeine Treuepflicht und die Pflicht zur uneigennützigen Amtsführung und bezweckt, das Vertrauen der Öffentlichkeit in die Integrität und Funktionsfähigkeit des Berufsbeamtentums zu gewährleisten. Aus diesem Grund soll bereits der Anschein vermieden werden, dass der Beamte bei der Wahrnehmung seiner Dienstgeschäfte durch Gefälligkeiten beeinflussbar ist oder persönliche Interessen verfolgt. Daher erfasst § 70 Satz 1 BBG jede amtsbezogene unmittelbare oder mittelbare Zuwendung eines wirtschaftlichen Vorteils durch einen Dritten, auf die kein Rechtsanspruch besteht. Die Amtsbezogenheit ist bereits dann gegeben, wenn die dienstliche Stellung oder Tätigkeit des Beamten nach den erkennbaren Vorstellungen des Gebers zumindest mitursächlich für die Zuwendung ist. Private Kontakte zwischen dem Beamten und dem Geber schließen die Amtsbezogenheit nicht aus, solange für die Hingabe des Vorteils nicht ausschließlich persönliche Beziehungen maßgeblich sind (stRspr, vgl. zuletzt Urteil vom 8. Juni 2005 - BVerwG 1 D 3.04 - juris, m.w.N.).

31 Das Fordern einer „Anerkennung“ und die Annahme des Bargeldbetrages als Belohnung oder Geschenk im Sinne des Gesetzes erfolgten auch „in Bezug auf sein Amt“. Der Ruhestandsbeamte war als Leiter des Sachgebiets AZ unter anderem zuständig für die Abwicklung von „Event-Veranstaltungen“ Dritter im Dienstgebäude und damit auch für die Modenschau der Firma B. Das Tätigwerden des Ruhestandsbeamten und mehrerer Bediensteter des Hauptzollamtes bei der Durchführung der Modenschau war nach der Vorstellung der zuständigen Mitarbeiterin der Firma B., der Zeugin K., der Grund für die Zuwendung der 1 790,40 DM.

32 Eine ausdrückliche Zustimmung der vorgesetzten Dienstbehörde zur Annahme des Geldbetrages (§ 70 Satz 2 und 3 BBG) lag nicht vor. Die Geldannahme war auch nicht „allgemein genehmigt“ im Sinne des Erlasses des Bundesministers der Finanzen vom 13. März 1990 (MinBlFin S. 112) in der Fassung des Erlasses vom 28. September 1994 (GMBl S. 1227) betreffend die Annahme von Belohnungen und Geschenken durch Angehörige der Bundesfinanzverwaltung. Nach Ziffer 4.2 und 4.2 .1 des Erlasses gilt die allgemeine Genehmigung nicht für die Annahme von Bargeld, auch in geringer Höhe (z.B. für Kaffeekassen).

33 Der Ruhestandsbeamte hat auch zumindest bedingt vorsätzlich gehandelt. Im rechtskräftigen Strafurteil des Amtsgerichts C. ist dazu festgestellt:
„Der Angeklagte kannte alle Tatumstände. Er wusste, zumindest nahm er dies billigend in Kauf, dass er oder seine Mitarbeiter der Abteilung auf die Einladung zum Oktoberfest durch die Firma B. bzw. die Erstattung der Kosten keinen Rechtsanspruch hatte.“

34 Diese gemäß § 18 Abs. 1 Satz 1 BDO bindenden Feststellungen rechtfertigen den Schluss, dass der Ruhestandsbeamte die weiter reichenden objektiven Tatbestandsmerkmale des § 70 BBG ebenfalls wissentlich und willentlich erfüllt hat.

35 Durch das dienstpflichtwidrige Fordern einer „Anerkennung“ und die Annahme des Bargeldbetrages für den Oktoberfestbesuch im Zusammenhang mit der im Dienstgebäude durchgeführten Modenschau hat der Ruhestandsbeamte zugleich zumindest bedingt vorsätzlich gegen seine Pflicht zu uneigennütziger Amtsführung (§ 54 Satz 2 BBG) verstoßen. Eigennützigkeit in diesem Sinne ist bereits dann gegeben, wenn der Ruhestandsbeamte auch im Eigeninteresse gehandelt hat (Urteile vom 19. Mai 1998 - BVerwG 1 D 20.96 - BVerwGE 113, 221 <222> und vom 11. Juli 2007 - BVerwG 1 D 4.06 - juris, jeweils m.w.N.). Das ist hier der Fall. Der Ruhestandsbeamte hat sich das Geld zur eigenen Verfügung verschafft und hat es für eigene, private Zwecke verwendet. Er hat mit dem Geld nicht nur seinen eigenen Speisen- und Getränkeanteil des halbtägigen Oktoberfestbesuchs bezahlt, sondern ist auch gegenüber seinen Mitarbeitern als der „große Spender“ aufgetreten; der wahre Geldgeber der Veranstaltung blieb den Teilnehmern - bis auf einem Mitarbeiter - verborgen.

36 Schließlich hat der Ruhestandsbeamte durch das Fordern einer „Anerkennung“ und die Bargeldannahme auch zumindest bedingt vorsätzlich seine Pflicht zu achtungs- und vertrauenswürdigem Verhalten im Dienst (§ 54 Satz 3 BBG) verletzt.

37 Zu Anschuldigungspunkt 2 (ungenehmigte Durchführung eines Betriebsausflugs während der Dienstzeit):
a) Der Ruhestandsbeamte hatte als Leiter des Sachgebiets AZ am 29. September 1999 mit zwölf seiner Mitarbeiter während der Dienstzeit das Oktoberfest besucht. In diesem Zusammenhang wird ihm zur Last gelegt, insgesamt neun Beschäftigten seines Sachgebiets ab 12.00 Uhr Dienstbefreiung gewährt zu haben, ohne dass die erforderliche Genehmigung gemäß § 49 Abs. 1 i.V.m. Abs. 5 der Geschäftsordnung für die Hauptzollämter und ihre Dienststellen vom 30. Juli 1979 rechtzeitig schriftlich beim Vorsteher des Hauptzollamts eingeholt oder der „Betriebsausflug“ zum Oktoberfest dem Vorsteher des Hauptzollamts rechtzeitig gemeldet und von diesem genehmigt worden war. Der Ruhestandsbeamte hat die Richtigkeit des Vorwurfs in tatsächlicher Hinsicht nicht bestritten; er habe den Amtsvorsteher und dessen Vertreter vor Durchführung des Oktoberfestbesuchs wiederholt nicht angetroffen. Der Ruhestandsbeamte hat auch eingeräumt, sich nachträglich nicht um eine Genehmigung bemüht zu haben.

38 b) Indem der Ruhestandsbeamte am 29. September 1999 insgesamt neun Beschäftigten seines Sachgebiets entgegen der ihm bekannten dienstlichen Anordnungen Dienstausgleich gewährt hat, hat er zumindest bedingt vorsätzlich gegen die Pflicht verstoßen, den dienstlichen Anordnungen und Weisungen seiner Vorgesetzten Folge zu leisten (§ 55 Satz 2 BBG i.V.m. den genannten Vorschriften der Geschäftsordnung). Dass der „Betriebsausflug“ zum Oktoberfest damals allgemein bekannt war und der Vorsteher des Hauptzollamts den nachträglichen Vermerk des Ruhestandsbeamten vom 12. Oktober 1999 „über die Gemeinschaftsveranstaltung des Sachgebiets AZ am Mittwoch, den 29.09.1999 - Besuch des Oktoberfestes -“ zur Kenntnis genommen hatte, wie der Ruhestandsbeamte in der Hauptverhandlung angegeben hat, ersetzte die fehlende Genehmigung nicht. Die Pflichtverletzung war am 29. September 1999 vollendet. Der Ruhestandsbeamte kannte damals auch die Genehmigungspflicht des Vorganges. So hatte er am 27. Mai 1999 einen für den 8. Juli 1999 geplanten Betriebsausflug des Sachgebiets AZ ... schriftlich vom Vorsteher des Hauptzollamts genehmigen lassen.

39 Zu Anschuldigungspunkt 3 (außerdienstliche Trunkenheitsfahrt):
a) Der Ruhestandsbeamte befuhr am 20. Juli 2000 gegen 1.35 Uhr mit seinem PKW in C. öffentliche Straßen, obwohl er infolge des Genusses von Alkohol fahruntüchtig war. Die um 2.55 Uhr entnommene Blutprobe ergab eine Blutalkoholkonzentration von 1,72 Promille. Das Amtsgericht C. setzte deshalb mit rechtskräftigem Strafbefehl vom 29. August 2000 gegen den Ruhestandsbeamten wegen fahrlässiger Trunkenheit im Verkehr (§ 316 StGB) eine Geldstrafe von 45 Tagessätzen zu je 100 DM fest. Gleichzeitig entzog es ihm die Fahrerlaubnis und zog den Führerschein ein. Die Sperrfrist für die Wiedererteilung der Fahrerlaubnis setzte es auf neun Monate fest. Der Ruhestandsbeamte hat den Sachverhalt als zutreffend eingeräumt.

40 b) Der Senat hat den Ruhestandsbeamten vom Vorwurf, hierdurch ein außerdienstliches Dienstvergehen im Sinne des § 54 Satz 3 i.V.m. § 77 Abs. 1 Satz 2 BBG begangen zu haben, freigestellt.

41 Es ist bereits zweifelhaft, ob der Ruhestandsbeamte durch das straßenverkehrsrechtliche Fehlverhalten seine Dienstpflicht aus § 54 Satz 3 BBG verletzt hat. Nach dieser Vorschrift muss das Verhalten eines Beamten auch außerhalb des Dienstes der Achtung und dem Vertrauen gerecht werden, die sein Beruf erfordert. Ein normwidriges außerdienstliches Verhalten - hier eine Straftat nach § 316 StGB - lässt nach der neueren Rechtsprechung des Senats (grundlegend Urteil vom 30. August 2000 - BVerwG 1 D 37.99 - BVerwGE 112, 19 ff.) nur dann den Rückschluss zu auf mangelnde Gesetzestreue bzw. mangelndes Verantwortungsbewusstsein bei der Erfüllung der dem Beamten obliegenden Dienstpflichten und damit auf eine Achtungs- und Vertrauensbeeinträchtigung in Bezug auf den konkreten Dienstposten oder auf eine Ansehensbeeinträchtigung des Beamtentums, wenn besondere qualifizierende Umstände vorhanden sind. Solche Umstände, deren Vorliegen erst die Annahme eines Verstoßes gegen § 54 Satz 3 BBG rechtfertigt, können zum Beispiel gegeben sein, wenn das außerdienstliche Fehlverhalten einen Bezug aufweist zu den dem Beamten aufgrund seines Dienstpostens obliegenden Dienstpflichten, zum Beispiel bei einer außerdienstlichen Trunkenheitsfahrt eines Beamten, dem das Führen eines Kraftfahrzeuges als Dienstaufgabe obliegt (vgl. Senatsurteil vom 30. August 2000 a.a.O.).

42 Im vorliegenden Fall einer erstmaligen außerdienstlichen Trunkenheitsfahrt war der Ruhestandsbeamte zur Tatzeit (20. Juli 2000) nach seiner Umsetzung im Oktober 1999 zwar als aktiver Beamter in seiner Funktion als Sachbearbeiter für Außenprüfung und Steueraufsicht noch grundsätzlich mit dem Führen von Dienstkraftfahrzeugen betraut. Tatsächlich aber hatte er zuletzt ab 11. Januar 2000 wegen Dienstunfähigkeit keinen Dienst mehr geleistet und hatte am Tattag nur noch elf Tage bis zu seinem vorzeitigen Ruhestand. Diese Umstände waren dem am 20. Juli 2000 noch aktiven Beamten auch bekannt. Die Verfügung, durch die er mit Ablauf des 31. Juli 2000 in den Ruhestand versetzt worden ist, datierte vom 5. Juli 2000 und war dem Ruhestandsbeamten am 14. Juli 2000 ausgehändigt worden. Es spricht daher viel dafür, dass die Voraussetzungen des § 54 Satz 3 BBG nicht erfüllt sind.

43 Der Senat kann letztlich aber offen lassen, ob ein Pflichtenverstoß gemäß § 54 Satz 3 BBG vorliegt. Denn bejahendenfalls schiede eine außerdienstliche Pflichtverletzung deshalb aus, weil die besonderen qualifizierenden Voraussetzungen des § 77 Abs. 1 Satz 2 BBG nicht gegeben wären. Nach der zuletzt genannten Vorschrift ist ein außerdienstliches Verhalten des Beamten nur dann ein Dienstvergehen, wenn es nach den Umständen des Einzelfalles in besonderem Maße geeignet ist, Achtung und Vertrauen in einer für sein Amt oder das Ansehen des Beamtentums bedeutsamen Weise zu beeinträchtigen. Das Merkmal „in besonderem Maße“ bezieht sich auf die Eignung zur Achtungs- und Vertrauensbeeinträchtigung. Da schon die Eignung voraussetzt, dass die konkrete Möglichkeit einer Beeinträchtigung besteht, wird mit dem Merkmal „in besonderem Maße“ für diese Möglichkeit ein qualifiziertes Maß an Konkretheit vorausgesetzt, das die Beeinträchtigung erwarten lässt. Dies ist nur anzunehmen, wenn das Verhalten des Beamten in quantitativer oder qualitativer Hinsicht über das für eine jede Eignung vorausgesetzte Mindestmaß an Wahrscheinlichkeit einer Beeinträchtigung hinausgeht. Ist eine derart qualifizierte Möglichkeit der Beeinträchtigung gegeben, kommt es weiter darauf an, ob diese Beeinträchtigung bedeutsam wäre. Das Merkmal „in bedeutsamer Weise“ bezieht sich auf den „Erfolg“ der möglichen Achtungs- und Vertrauensbeeinträchtigung. Die zur Beeinträchtigung in besonderem Maße geeignete Pflichtverletzung weist Bedeutsamkeit auf, wenn sie in qualitativer und/oder quantitativer Hinsicht das einer jeden außerdienstlichen Pflichtverletzung innewohnende Maß an disziplinarischer Relevanz deutlich überschreitet (vgl. Senatsurteil vom 8. Mai 2001 - BVerwG 1 D 20.00 - BVerwGE 114, 212 <219 f.>).

44 Es kann dahinstehen, ob das Verhalten des damals noch aktiven Beamten in besonderem Maße geeignet wäre, die dargelegte Achtungs- und Vertrauensbeeinträchtigung herbeizuführen. Es wäre jedenfalls nicht durch eine besondere Verantwortungslosigkeit gekennzeichnet und kann aus diesem Grund nicht zu einer objektiv bedeutsamen Achtungs- und Vertrauensbeeinträchtigung führen (vgl. dazu Urteil vom 8. Mai 2001 a.a.O.). Der Ruhestandsbeamte hätte das einer außerdienstlichen Pflichtverletzung regelmäßig innewohnende Mindestmaß an disziplinarischer Relevanz nicht deutlich überschritten.

45 Mit der einmaligen Trunkenheitsfahrt hat der insoweit nicht vorbelastete Ruhestandsbeamte keine besondere Verantwortungslosigkeit erkennen lassen (vgl. dazu auch Urteil vom 12. November 2003 - BVerwG 1 D 6.03 - m.w.N.). Er hat weder Personen noch fremde Sachen konkret gefährdet. Der Ruhestandsbeamte war ... nachts bei einer Geschwindigkeitskontrolle aufgefallen. Sein strafrechtliches Fehlverhalten wurde deshalb auch nicht als konkretes Gefährdungsdelikt gemäß § 315c StGB, sondern nur als abstraktes Gefährdungsdelikt nach dem niedrigeren Strafrahmen des § 316 StGB geahndet. Ebenso wenig hatte der damals kurz vor der Pension stehende dienstunfähige Beamte durch die Trunkenheitsfahrt seine dienstlichen Einsatzmöglichkeiten in Frage gestellt.

46 Zu Anschuldigungspunkt 4 (anonyme Schreiben):
a) Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts wird dem Ruhestandsbeamten nicht mit der notwendigen Bestimmtheit (vgl. zur Bestimmtheit der Anschuldigungsschrift z.B. Beschluss vom 13. März 2006 - BVerwG 1 D 3.06 - Buchholz 235 § 67 BDO Nr. 1 Rn. 13 m.w.N.) disziplinarisch angelastet, das als „info 04/2001 - Vertraulich -“ bezeichnete (anonyme) Schreiben einer „Interessengemeinschaft für eine saubere und gerechte Verwaltung“ verfasst zu haben. Ihm wird nur vorgeworfen, das bereits zitierte anonyme Schreiben vom 20. April 2000, aufgemacht als Erlass des Bundesministeriums der Finanzen ..., nebst einem undatierten anonymen Anschreiben hergestellt und beide Schreiben dem Oberfinanzpräsidenten der Oberfinanzdirektion A. zugeleitet zu haben (Eingang dort am 25. April 2000). Dieses Auslegungsergebnis folgt aus dem eindeutigen Wortlaut des Anschuldigungstenors und dessen Begründung. Dort wird dem Ruhestandsbeamten zur Last gelegt, im Jahr 2000 ein anonymes Schreiben in Form eines Erlasses erstellt und darin einen Kollegen und Vorgesetzten beleidigt und verleumdet zu haben. „Zumindest“ durch den Inhalt des gefälschten „BMF-Erlasses“ vom 20. April 2000, den der Ruhestandsbeamte noch während seiner aktiven Dienstzeit abgefasst und sich darin herablassend über einen Kollegen und seinen damaligen Dienstvorgesetzten geäußert und diese beschuldigt habe, habe er vorsätzlich gegen seine Pflichten zur Wahrung des Betriebsfriedens und zu achtungswürdigem Verhalten nach § 54 Satz 3 BBG verstoßen. Zwar soll nach der Anschuldigungsbegründung auch das „info 04/2001 - Vertraulich -“ vom Ruhestandsbeamten stammen. Anders als hinsichtlich des anonymen Schreibens vom 20. April 2000 lässt sich jedoch insoweit der Anschuldigungsschrift ein entsprechender Anschuldigungswille nicht mit der notwendigen Bestimmtheit entnehmen.

47 Der Vorwurf, das anonyme Schreiben vom 20. April 2000 nebst Anschreiben stamme vom Ruhestandsbeamten, was dieser substanziiert bestreitet, beruht im Wesentlichen auf dem schriftlichen sprachwissenschaftlichen Gutachten der Sachverständigen Dr. G. vom 27. Juli 2006, das zum Ergebnis kommt, dass mit „sehr hoher Wahrscheinlichkeit“ der Ruhestandsbeamte der Verfasser der Texte sei. Für eine Textautorenschaft des Ruhestandsbeamten sprechen nach Auffassung der Einleitungsbehörde noch weitere Umstände: Der Ruhestandsbeamte sei der Einzige, der alle Beteiligten und die geschilderten Geschehnisse gekannt sowie ein Motiv gehabt habe, sich negativ über seinen Behördenleiter und über Herrn W. zu äußern.

48 b) Nach Anhörung der Sachverständigen Dr. G. in der Hauptverhandlung vor dem Senat auf der Grundlage ihres schriftlichen sprachwissenschaftlichen Gutachtens vom 27. Juli 2006 hält der Senat eine „Täterschaft“ des Ruhestandsbeamten nicht für erwiesen; dieser war deshalb von dem entsprechenden Vorwurf freizustellen.

49 Der Senat ist nicht mit dem nach der Lebenserfahrung gebotenen Maß an Sicherheit, das für vernünftige Zweifel keinen Raum lässt, davon überzeugt, dass das anonyme Schreiben vom 20. April 2000 nebst Anschreiben vom Ruhestandsbeamten stammt (vgl. zu diesem Überzeugungsmaßstab zuletzt Urteil vom 11. Juli 2007 - BVerwG 1 D 4.06 - juris, m.w.N.).

50 Gemäß § 25 Satz 1 BDO i.V.m. § 93 StPO kann u.a. zur Ermittlung des Urhebers eines Schriftstücks eine Schriftvergleichung unter Hinzuziehung von Sachverständigen vorgenommen werden. Zweck eines forensisch-linguistischen Textvergleichs ist es, allein anhand von Merkmalen der geschriebenen Sprache festzustellen, ob zwei oder mehrere Texte vom selben Autor stammen. Dem liegt die Prämisse zugrunde, dass jeder Mensch einen individuellen Schreibstil hat, der sich von jedem anderen Schreibstil unterscheiden lässt und unter optimalen Bedingungen die Zuordnung eines Textes zu seinem Verfasser erlaubt. Zu den optimalen Bedingungen in diesem Sinne zählen insbesondere:
- erfahrener und geeigneter Sachverständiger,
- geeignete Vergleichstexte mit folgenden Eigenschaften:
- eindeutige Urheberschaft des Verdächtigen,
- ähnliche Textsorte wie anonymes Tatschreiben,
- größtmögliche Zeitnähe zum Tatschreiben,
- möglichst große Menge Vergleichsschriftgut und
- Berücksichtigung sämtlicher sprachlicher Merkmale in den zu vergleichenden
Texten, die für das individuelle Schreibverhalten des Verdächtigen typisch
sein können:
- orthografische Fehler und Auffälligkeiten,
- Wortanalyse,
- Analyse grammatischer Konstruktionen,
- Vergleich stilistischer Merkmale und Eigenheiten
(vgl. dazu insgesamt Eisenberg, Beweisrecht der StPO, 5. Aufl. 2006, Rn. 1988 ff.; Senge, in: Karlsruher Kommentar, StPO, 5. Aufl. 2003, § 93 Rn. 4; Drommel, Anonymschreiben - Sprachprofiling und vergleichende Autorschaftsbestimmung, in: Detektiv-Kurier 2001, 36 <37 f.>).

51 Der Beweiswert eines sprachwissenschaftlichen Gutachtens - wie hier - ist in der Regel nicht so hoch wie z.B. der Beweiswert eines Schriftsachverständigengutachtens, in dem Handschriften, insbesondere Unterschriften physikalisch-technisch untersucht und verglichen werden (vgl. zur Würdigung eines Schriftsachverständigengutachtens z.B. Urteil vom 29. November 2000 - BVerwG 1 D 13.99 - ZBR 2002, 136 <137 f.>). Im Einzelfall kann der Beweiswert eines Schriftsachverständigengutachtens, das durch einen erfahrenen Sachverständigen erstellt worden ist und zu dem Schluss kommt, dass der Beschuldigte mit Sicherheit der Urheber der Schrift ist, so groß sein, dass es allein vollen Beweis erbringen und alleinige Grundlage des Schuldspruchs sein kann (vgl. Meyer-Goßner, StPO, 51. Aufl. 2008, § 93 Rn. 3 m.w.N.).

52 Ein solcher Fall liegt hier jedoch nicht vor. Die Sachverständige Dr. G., die selbst eingeräumt hat, keine Textanalyse könne „eindeutig“ klären, ob Texte vom selben Verfasser seien, hat gerade nicht bestätigen können, dass der Ruhestandsbeamte „mit Sicherheit“ derjenige ist, von dem das anonyme Schreiben vom 20. April 2000 nebst Anschreiben stammt. Vielmehr hat sie lediglich ein Wahrscheinlichkeitsurteil abgegeben und eine Aussage über den Wahrscheinlichkeitsgrad getroffen, nach der der Ruhestandsbeamte im Anschuldigungspunkt 4 „mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit“ als „Täter“ in Frage kommt. Dieses Wahrscheinlichkeitsurteil ist sogar noch unter dem höchsten Wahrscheinlichkeitsgrad „mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit“ (vgl. dazu Dern, Sprachwissenschaft und Kriminalistik: Zur Praxis der Autorenerkennung, in: Zeitschrift für Germanistische Linguistik 2003, 44 <50>) geblieben. Das sprachwissenschaftliche Gutachtenergebnis der Sachverständigen mit dem nur zweithöchsten Wahrscheinlichkeitsgrad beruht auf einer Textanalyse, indem das anonyme Schreiben vom 20. April 2000 nebst Anschreiben sowie dem „info 04/2001 - Vertraulich -“ mit sechs vom Ruhestandsbeamten zweifelsfrei stammenden textsortenähnlichen Schreiben aus dem Zeitraum 1998 bis 2000 verglichen worden sind, und zwar nach formalen Aspekten, Orthografie, Wortschatz/Grammatik und Syntax/Grammatik. Das Ergebnis des Gutachtens lautet dann wie folgt:
„Keine Textanalyse kann eineindeutig klären, ob Texte vom selben Verfasser sind. Sie kann durch Analyse und Vergleich individualstilistische Eigenheiten eines Textes feststellen, die helfen, mit großer Wahrscheinlichkeit den Autor eines Textes zu bestimmen. Aber auch da gilt es zu bedenken, dass Individualstil nachgeahmt („parodiert“) werden kann. Eine solche Nachahmung setzt allerdings eine sehr genaue Textanalyse und -kenntnis, also Stilwissen voraus. Dies scheint hier nicht gegeben. Auch - und das ist erwiesen - parodieren Anfänger und Neulinge vor allem Elemente des Wortschatzes, da diese leichter an der Textoberfläche greifbar sind.
Die detaillierte Analyse der vorliegenden Texte wies aber nach, dass Gemeinsamkeiten der Korpora 1 und 2 nicht so sehr den Wortschatz betreffen als vielmehr im weitesten Sinne grammatische und formale Eigenheiten. Als solche sollen nochmals resümierend genannt werden
- die hohe Zahl der Substantivgruppen,
- die Art, kausale Beziehungen an der Textoberfläche zu
verdeutlichen,
- die Präferenz für zweigliedrige Ausdrücke,
- orthografische Abweichungen (Komma vor usw.).
Aus diesem Grunde kann mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit davon ausgegangen werden, dass bei den Korpora 1 und 2 derselbe Verfasser vorliegt.“

53 Ungeachtet der Tatsache, dass Untersuchungsgegenstand auch das dem Ruhestandsbeamten nicht zur Last gelegte „info 04/2001 - Vertraulich -“ war, besagt das Gutachtenergebnis lediglich, dass der Ruhestandsbeamte - wenn auch mit hoher Wahrscheinlichkeit - der Verfasser des anonymen Schreibens vom 20. April 2000 nebst Anschreiben sein „kann“. Es besagt zugleich aber auch, dass insoweit noch „vernünftige“ Restzweifel bestehen, die nicht „rein theoretisch“ sind, und andere Möglichkeiten offen bleiben, die nicht nur gedanklicher Art sind und als „völlig abseits“ liegend hätten außer Betracht bleiben dürfen und müssen (vgl. zu den Anforderungen an ein Schriftsachverständigengutachten als alleinige Grundlage des Schuldspruchs, BGH, Beschluss vom 24. Juni 1982 - 4 StR 183/82 - NJW 1982, 2882 <2883> m.w.N.).

54 Die Zweifel an der Textautorenschaft des Ruhestandsbeamten beruhen vor allem auch auf der nur relativ geringen Zahl von sechs eindeutig vom Ruhestandsbeamten stammenden Vergleichstexten als Grundlage des Gutachtenergebnisses. Insbesondere bei nur geringen Vergleichsmöglichkeiten besteht die Gefahr einer Fehlbeurteilung; dies mahnt bei der Beweiswürdigung zur Vorsicht (vgl. BGH, Urteil vom 19. November 1956 g.H. - 2 StR 493/56 - BGHSt 10, 116 <119>; Meyer-Goßner, a.a.O.). In der Hauptverhandlung hat die Sachverständige auf Befragen eingeräumt, dass das Vergleichsmaterial allenfalls ausreichend gewesen sei. Mit mehr Vergleichstexten wäre sie zu einem verlässlicheren Untersuchungsergebnis gekommen, das vielleicht zu einem höheren Wahrscheinlichkeitsgrad geführt hätte. Die von ihr vergebene zweithöchste Wahrscheinlichkeitsstufe entspreche einer Wahrscheinlichkeit von etwa 75 bis 80 %, dass der Ruhestandsbeamte der Verfasser der anonymen Schreiben sei. Unter diesen Voraussetzungen hält der Senat eine Textautorenschaft des Ruhestandsbeamten (noch) nicht für erwiesen.

55 Ein höherer Überzeugungsgrad für eine „Täterschaft“ ergibt sich auch dann nicht, wenn sonstige gegen den Ruhestandsbeamten sprechende Verdachtsmomente - Kenntnis der in den Schreiben geschilderten Geschehnisse, mögliche Tatmotive - mit berücksichtigt werden. Selbst wenn der Ruhestandsbeamte die geschilderten Geschehnisse und beteiligten Personen kannte und vielleicht ein Motiv hatte, sich negativ über sie zu äußern, so ist doch nicht ausgeschlossen, dass ein Dritter - eventuell auf Anregung des Ruhestandsbeamten - die anonymen Schreiben gefertigt und weitergeleitet hat. Jedenfalls sind solche zusätzlichen Verdachtsmomente noch nicht geeignet, den von der Sachverständigen festgestellten Wahrscheinlichkeitsgrad einer Textautorenschaft des Ruhestandsbeamten zu erhöhen und damit die vorhandenen Restzweifel für einen Schuldspruch zu beseitigen.

56 3. Auch wenn der Senat den Ruhestandsbeamten - anders als das Verwaltungsgericht - von den Vorwürfen in den Anschuldigungspunkten 3 und 4 freigestellt hat, ist die erstinstanzlich ausgesprochene Aberkennung des Ruhegehalts (§ 12 Abs. 2 BDO) im Ergebnis nicht zu beanstanden. Die vorsätzlich schuldhaft begangenen Dienstpflichtverletzungen in den Anschuldigungspunkten 1 und 2 stellen ein so schwerwiegendes Dienstvergehen im Sinne des § 77 Abs. 1 Satz 1 BBG dar, dass es bei der für den Ruhestandsbeamten ausgesprochenen schwersten Disziplinarmaßnahme verbleiben muss.

57 a) Welche Disziplinarmaßnahme im Einzelfall angemessen ist, richtet sich nach der Schwere des Dienstvergehens unter angemessener Berücksichtigung der Persönlichkeit des Beamten und des Umfangs der durch das Dienstvergehen herbeigeführten Vertrauensbeeinträchtigung (vgl. nunmehr § 13 Abs. 1 Satz 2 bis 4 BDG). Eine Aberkennung des Ruhegehalts setzt voraus, dass der Ruhestandsbeamte als noch im Dienst befindlicher Beamter aus dem Dienst hätte entfernt werden müssen; dies wäre der Fall, wenn er durch ein schweres Dienstvergehen das Vertrauen des Dienstherrn oder der Allgemeinheit endgültig verloren hätte (vgl. nunmehr § 13 Abs. 2 BDG).

58 Als maßgebendes Bemessungskriterium ist zunächst die Schwere des Dienstvergehens richtungweisend für die Bestimmung der erforderlichen Disziplinarmaßnahme (vgl. nunmehr § 13 Abs. 1 Satz 2 BDG). Dies bedeutet, dass das festgestellte Dienstvergehen nach seiner Schwere einer der im Katalog des § 5 Abs. 1 BDO, § 5 Abs. 1 BDG aufgeführten Disziplinarmaßnahmen zuzuordnen ist. Dabei können die vom Senat für bestimmte Fallgruppen herausgearbeiteten Regeleinstufungen als Ausgangspunkt der Zumessungserwägungen zugrunde gelegt werden. Für die endgültige Bestimmung der Disziplinarmaßnahme ist dann entscheidend, ob Erkenntnisse zum Persönlichkeitsbild und zum Umfang der Vertrauensbeeinträchtigung im Einzelfall derart ins Gewicht fallen, dass eine andere als die durch die Schwere des Dienstvergehens indizierte Disziplinarmaßnahme geboten ist (vgl. Urteil vom 3. Mai 2007 - BVerwG 2 C 9.06 - NVwZ-RR 2007, 695 <696>).

59 Ergibt eine Gesamtwürdigung der gemäß § 13 Abs. 1 Satz 2 und 3 BDG bedeutsamen Umstände, dass ein aktiver Beamter durch ein schweres Dienstvergehen das Vertrauen des Dienstherrn oder der Allgemeinheit endgültig verloren hat, so ist er aus dem Dienst zu entfernen (vgl. nunmehr § 13 Abs. 2 Satz 1 BDG). Ein solcher Vertrauensverlust ist anzunehmen, wenn aufgrund der Gesamtwürdigung der Schluss gezogen werden muss, der Beamte werde auch künftig seinen Dienstpflichten nicht ordnungsgemäß nachkommen oder habe durch sein Fehlverhalten eine erhebliche, nicht wieder gutzumachende Ansehensbeeinträchtigung des Berufsbeamtentums herbeigeführt. Unter diesen Voraussetzungen ist er als Beamter nicht mehr tragbar (vgl. Urteil vom 20. Oktober 2005 - BVerwG 2 C 12.04 - BVerwGE 124, 252 <258 ff.>).

60 Hat ein Ruhestandsbeamter im aktiven Dienst ein schweres Dienstvergehen begangen, das die Entfernung aus dem Dienst nach sich gezogen hätte, so ist ihm das Ruhegehalt abzuerkennen (vgl. nunmehr § 13 Abs. 2 Satz 2 BDG). Durch diese Maßnahme wird das Ruhestandsbeamtenverhältnis beendet. Ihr liegen zum einen generalpräventive Erwägungen zugrunde: Es wären Rückwirkungen auf das Vertrauen in die Integrität des Berufsbeamtentums zu erwarten, wenn ein Ruhestandsbeamter, der wegen eines schweren Dienstvergehens als aktiver Beamter nicht mehr tragbar wäre, weiterhin sein Ruhegehalt beziehen könnte und berechtigt bliebe, die Amtsbezeichnung und die im Zusammenhang mit dem früheren Amte verliehenen Titel zu führen. Zum anderen gebietet der Grundsatz der Gleichbehandlung gemäß Art. 3 Abs. 1 GG, dass ein Beamter, der nach Begehung eines zur Auflösung des Beamtenverhältnisses führenden Dienstvergehens in den Ruhestand tritt, nicht besser gestellt wird als ein Beamter, der bis zum Abschluss des Disziplinarverfahrens im aktiven Dienst verbleibt (BVerfG, Kammerbeschluss vom 22. November 2001 - 2 BvR 2138/00 - NVwZ 2002, 467; BVerwG, Urteil vom 26. Januar 1999 - BVerwG 1 D 34.97 - juris Rn. 16; Beschluss vom 13. Oktober 2005 - BVerwG 2 B 19.05 - Buchholz 235.1 § 15 BDG Nr. 2).

61 Die Bemessung der Disziplinarmaßnahme hat sich hier daran zu orientieren, dass es sich bei Verstößen gegen § 70 Satz 1, § 54 Satz 2 BBG (Anschuldigungspunkt 1) um sehr schwerwiegende Pflichtverletzungen handelt. Denn die uneigennützige, auf keinen privaten Vorteil bedachte Führung der Dienstgeschäfte stellt eine wesentliche Grundlage des Berufsbeamtentums dar. Daher ist es Zweck der Vorschriften, bereits den Anschein zu vermeiden, ein Beamter könne sich bei der Wahrnehmung seiner dienstlichen Aufgaben aus Eigennutz durch sachwidrige Erwägungen beeinflussen lassen und könne für Amtshandlungen allgemein käuflich sein. Einen solchen Eindruck erweckt ein Beamter, der in Bezug auf seine dienstliche Tätigkeit Vorteile annimmt, auch dann, wenn er hierfür nicht pflichtwidrig handelt. Dies kann im Interesse einer gesetzmäßigen Verwaltung und im Interesse des allgemeinen Vertrauens in ein rechtsstaatliches Handeln der Verwaltung nicht hingenommen werden (stRspr, z.B. Urteil vom 23. November 2006 - BVerwG 1 D 1.06 - Buchholz 232 § 70 BBG Nr. 12 m.w.N.). Der hohe Stellenwert, den der Gesetzgeber dem Verbot der Vorteilsannahme für die Dienstausübung beigemessen hat, wird durch den Straftatbestand des § 331 Abs. 1 StGB in der Fassung des Korruptionsbekämpfungsgesetzes vom 13. August 1997 (BGBl I S. 2038) verdeutlicht. Die Annahme eines Vorteils steht auch dann unter Strafe, wenn der Vorteilsgeber keine bestimmte Amtshandlung erkaufen, sondern den Beamten wohlwollend stimmen oder sich erkenntlich zeigen will (BTDrucks 13/8079 S. 15).

62 Aufgrund dessen ist bei einem Verstoß gegen § 70 Satz 1, § 54 Satz 2 BBG die Entfernung aus dem Beamtenverhältnis bzw. die Aberkennung des Ruhegehalts jedenfalls dann Richtschnur für die Bestimmung der angemessenen Disziplinarmaßnahme, wenn z.B. ein Beamter in hervorgehobener Vertrauensposition für die Wahrnehmung seiner dienstlichen Aufgaben höhere Geldzuwendungen angenommen hat. Dies gilt auch, wenn der Beamte keine pflichtwidrigen Amtshandlungen als Gegenleistung erbracht hat. Denn die Annahme von Geldzuwendungen, insbesondere Bargeld, offenbart ein besonders hohes Maß an Pflichtvergessenheit, weil jedem Beamten klar sein muss, dass er durch ein solches Verhalten die Grenze der Sozialadäquanz eindeutig überschreitet und den Anschein der Käuflichkeit erweckt. Geht es um höhere Beträge, so kann es in Zeiten des bargeldlosen Zahlungsverkehrs allerdings keinen Unterschied machen, ob dem Beamten das Geld bar ausgehändigt oder auf ein von ihm angegebenes Konto überwiesen wird. Entscheidend ist, dass der Beamte über das Geld nach seinen Vorstellungen verfügen kann. Die von der Schwere des Pflichtenverstoßes ausgehende Indizwirkung kann nur entfallen, wenn mildernde Umstände von ganz erheblichem Gewicht vorliegen, sodass eine fallbezogene Gesamtbetrachtung den Schluss rechtfertigt, es sei noch kein endgültiger Vertrauensverlust eingetreten. Bestehen keine hinreichenden Anhaltspunkte für mildernde Umstände, so erweist sich die Entfernung aus dem Dienst bzw. die Aberkennung des Ruhegehalts als geeignet und erforderlich, um den Zwecken des Disziplinarrechts Geltung zu verschaffen, sowie als verhältnismäßig im engeren Sinne (vgl. Urteil vom 23. November 2006 a.a.O. m.w.N.).

63 b) Unter diesen Voraussetzungen ist das vorsätzlich schuldhafte Fehlverhalten des Ruhestandsbeamten im Anschuldigungspunkt 1 von ganz erheblichem Gewicht. Er hat in der hervorgehobenen Position als Zollamtsrat (Besoldungsgruppe A 12 BBesG) und Sachgebietsleiter, d.h. als Vorgesetzter mit Vorbildfunktion in Bezug auf sein Amt zur eigenen Verfügung 1 790,40 DM Bargeld angenommen und dadurch schwer versagt. Zwar handelt es sich bei dieser Geldsumme nicht um eine „höhere Geldzuwendung“ wie in dem Fall, der dem Senatsurteil vom 23. November 2006 a.a.O. zugrunde liegt (insgesamt 60 000 DM). Der Betrag in Höhe von 1 790,40 DM kann aber auch nicht als „Bagatellsumme“ (bis ca. 100 DM) abgetan werden, die von vornherein eine mildere Einstufung des Fehlverhaltens zulassen würde (vgl. dazu Urteil vom 14. November 2007 - BVerwG 1 D 6.06 - ZBR 2008, 200 <202> m.w.N.).

64 Als besonders erschwerend ist hier der Umstand zu berücksichtigen, dass der Ruhestandsbeamte unter Ausnutzung seiner dienstlichen Stellung von sich aus an die Zeugin K. herangetreten ist und sie aufgefordert hat, sich erkenntlich zu zeigen. Durch die von ihm benannte Mitarbeiterzahl 20 und durch seinen Vorschlag, eine Einladung zum Oktoberfest - mit den dort bekannt hohen Preisen (warmes Essen ca. 30 DM, Maß Bier ca. 11 DM) - auszusprechen, hatte der Ruhestandsbeamte die Höhe seiner Forderung von über 1 000 DM selbst vorgegeben. Dementsprechend hatte die Zeugin K. einen Kostenrahmen von ca. 1 500 DM anerkannt, der eine nicht nur geringfügige Summe darstellt.

65 Das Fordern von materiellen Vorteilen wiegt noch schwerer als die bloße Annahme von Belohnungen und Geschenken, die einem Beamten angeboten werden. Während der freiwillig Leistende glaubt, sich durch den gewährten Vorteil die Gewogenheit des betreffenden Beamten zu erhalten, muss der zur Vorteilsgewährung Aufgeforderte den Eindruck haben, dass er nur durch die geforderte Zuwendung eine künftige sachfremde Benachteiligung abwenden kann, er einer „käuflichen“ Verwaltung - hier einer ganzen Abteilung des Hauptzollamts - ausgeliefert ist. Der Beamte, der den Anstoß zur Vorteilsgewährung gibt, ruft den Eindruck hervor, dass seine künftigen Verwaltungsentscheidungen von den Zuwendungen abhängen können. Die Schädigung des Ansehens des Beamtentums und die Beeinträchtigung des Vertrauens in die Integrität des Beamten und letztlich der Dienststelle, der er angehört, sind in solchen Fällen besonders groß (Urteil vom 20. Februar 2002 - BVerwG 1 D 19.01 - NVwZ 2002, 1515 <1518> m.w.N.). Dass das Fordern einer „Anerkennung“ aus einer angeblich „euphorischen Stimmung“ heraus - nach der gelungenen Modenschau - geäußert worden ist, wie der Ruhestandsbeamte in der Hauptverhandlung angegeben hat, mindert das besondere Gewicht dieses Fehlverhaltens nicht. Von einem Zollamtsrat und Sachgebietsleiter wird auch unter solchen Umständen erwartet, dass er sich an Gesetz und Recht, insbesondere seine dienstlichen Pflichten hält.

66 Auf den Stellenwert der nachträglich „entlohnten“ Tätigkeit im Pflichtenkreis des Ruhestandsbeamten kommt es nicht an. Denn es zählt zu den selbstverständlichen und leicht einsehbaren Grund- oder Hauptpflichten eines Beamten, in Bezug auf sein Amt keine Belohnungen oder Geschenke anzunehmen oder gar zu fordern (vgl. zu den beamtenrechtlichen Grund- oder Hauptpflichten zuletzt z.B. Urteil vom 15. Dezember 2005 - BVerwG 2 A 4.04 - NVwZ-RR 2006, 485 <488>). Der Verletzung dieser Grund- oder Hauptpflicht, die in § 331 StGB (Vorteilsannahme) strafrechtlich abgesichert ist, kommt kein geringeres Gewicht zu, als einer entsprechenden Kernpflichtverletzung.

67 Erschwerend ist weiter zu berücksichtigen, dass der Ruhestandsbeamte als Angehöriger der Bundesfinanzverwaltung (Zoll) einer Gruppe von Beamten angehörte, die hinsichtlich der Objektivität ihrer Amtsführung besonders leicht in eine anfechtbare Lage geraten konnte. Der Ruhestandsbeamte hätte daher erst recht bestrebt sein müssen, den Anschein von Käuflichkeit zu vermeiden. Zudem belastet ihn in diesem Zusammenhang, dass er eine „fiktive“ Teilnehmerliste erstellt hat, um der Firma B. die steuerliche Absetzbarkeit der Rechnung für den Besuch des Oktoberfestes zu ermöglichen. Der Umstand, dass der Ruhestandsbeamte vermieden hat, die wahren Namen der Teilnehmer des Oktoberfestbesuchs in die „Gästeliste“ einzutragen, lässt zudem erkennen, dass er sich durchaus bewusst war, dass die Durchführung des Oktoberfestbesuchs dienst- und steuerrechtlich angreifbar war. Das wird auch im Hinblick auf seine vorsätzliche Verfehlung im Anschuldigungspunkt 2 deutlich, die ebenfalls zu Lasten des Ruhestandsbeamten in die Bemessung des Dienstvergehens einzustellen ist. Zwar wiegt der einmalige „Gehorsamsverstoß“ - für sich gesehen und im Vergleich zur unerlaubten Vorteilsannahme in Anschuldigungspunkt 1 - nicht übermäßig schwer. Hier kommt ihm jedoch insoweit erhebliche bemessungsrechtliche Bedeutung zu, als es dem Ruhestandsbeamten dadurch gelungen war, die näheren Umstände und Hintergründe des „Betriebsausflugs“ zum Oktoberfest, insbesondere dessen Finanzierung, vor seinem Dienstvorgesetzten - zumindest vorläufig - zu verbergen.

68 c) Neben diesen schwerwiegenden belastenden Umständen, die die Aberkennung des Ruhegehalts indizieren, fallen mildernde und entlastende Gesichtspunkte, insbesondere aus den Erkenntnissen zum Persönlichkeitsbild und zum Umfang der Vertrauensbeeinträchtigung, nicht annähernd vergleichbar ins Gewicht.

69 Als Entlastungsgrund kommt insbesondere der Umstand in Betracht, dass die vom Ruhestandsbeamten geforderte „Anerkennung“ und der angenommene Bargeldbetrag nicht nur für ihn selbst, sondern vor allem für die Mitarbeiter seiner Abteilung bestimmt war. Für das Amtsgericht war dies mitentscheidend, von der Verhängung einer Freiheitsstrafe abzusehen (UA S. 6) und nur eine Geldstrafe im unteren bis mittleren Bereich (vgl. § 40 Abs. 1 StGB) zu verhängen.

70 Disziplinarrechtlich kann dies den Ruhestandsbeamten jedoch nicht entlasten. Strafrecht und Disziplinarrecht unterscheiden sich nach Rechtsgrund und Zweckbestimmung grundsätzlich, wie der Senat immer wieder hervorgehoben hat (vgl. z.B. Urteil vom 8. März 2005 - BVerwG 1 D 15.04 - Buchholz 232 § 77 BBG Nr. 24 m.w.N.; vgl. ferner auch BVerfG, Beschluss vom 12. Oktober 1971 - 2 BvR 65/71 - BVerfGE 32, 40 <48 f.>). Das Strafrecht ist u.a. vom Vergeltungsprinzip mit dem Ziel der individuellen Sühne durch ein Unwerturteil über ein gemeinschaftswidriges Verhalten und strafrechtliche Sanktionen geprägt. Demgegenüber ist es ausschließlicher Zweck des Disziplinarrechts, das Vertrauen in die Ehrlichkeit und Zuverlässigkeit der Beamten und damit die Funktionsfähigkeit des öffentlichen Dienstes zu sichern. Deshalb ist die Höhe der Kriminalstrafe für die Gewichtung des Dienstvergehens grundsätzlich nicht von ausschlaggebender Bedeutung, da die Vertrauensbeeinträchtigung in erster Linie von der Straftat selbst und ihren Umständen abhängt. Zwar kann sich im Einzelfall der erhebliche kriminelle Gehalt der Verfehlungen eines Beamten im Blick auf § 48 Satz 1 Nr. 1 BBG auch an einer hohen Freiheitsstrafe veranschaulichen. Der strafrichterlichen Einstufung des Falles durch das Strafmaß kann jedoch im eigentlichen Sinne keine präjudizielle Bedeutung für die Bemessung der Disziplinarmaßnahme zukommen. Die Eigenständigkeit des Disziplinarrechts ermöglicht es, dass ein Beamter trotz verhältnismäßig hoher Kriminalstrafe noch im Beamtenverhältnis verbleiben kann, während unter Umständen ein strafgerichtlich gar nicht oder nur gering bestrafter Beamter - wie hier - mit dem Ausspruch der disziplinarischen Höchstmaßnahme rechnen muss (vgl. z.B. Urteil vom 8. März 2005 a.a.O. m.w.N.).

71 Der Senat hat in Fällen unerlaubter Vorteilsannahme einen durchgreifenden disziplinarrechtlichen Milderungsgrund u.a. dann anerkannt, wenn der Beamte den Geldbetrag nicht eigennützig verwendet, sondern in vollem Umfang für gemeinnützige Zwecke spendet und insoweit Übereinstimmung zwischen Schenker und Beschenktem bestand. Die Geldannahme zu einem gemeinnützigen Zweck muss nach Außen hin erkennbar sein. Der Eindruck der Käuflichkeit des Beamten wird dadurch zwar nicht beseitigt. Ein Beamter, der so handelt, bietet jedoch ein günstigeres Persönlichkeitsbild als derjenige, der aus materiellem Eigennutz unerlaubt Geschenke annimmt (vgl. Urteile vom 21. September 1988 - BVerwG 1 D 140.87 - BVerwGE 86, 74 <77> und vom 1. September 1998 - BVerwG 1 D 63.97 - Buchholz 232 § 70 BBG Nr. 7 S. 16).

72 Ein solcher milder zu bewertender Ausnahmefall liegt hier jedoch nicht vor. Der Ruhestandsbeamte hat den geforderten und angenommenen Vorteil nicht völlig uneigennützig einem oder mehreren von ihm unabhängigen Dritten zukommen lassen. Wie zu § 54 Satz 2 BBG dargelegt, hat sich der Ruhestandsbeamte das Geld zur eigenen Verfügung verschafft und hat es für eigene, private Zwecke verwendet (eigener Verköstigungsanteil, Auftreten gegenüber seinen Mitarbeitern als der „große Spender“).

73 Dem Ruhestandsbeamten kommt auch nicht entlastend zu Gute, dass es sich „nur“ um ein einmaliges Fehlverhalten - Forderung einer „Anerkennung“ und Annahme des Geldbetrages - gehandelt hat. Das Dienstvergehen war von einer gewissen Dauer. Es hat sich immerhin über mehrere Wochen - von dem Fordern nach einer „Anerkennung“ am 15. September 1999 bis zur Annahme des Bargeldbetrages und der Fertigung der „Gästeliste“ Anfang Oktober 1999 - hingezogen. In diesem Zeitraum hatte der Ruhestandsbeamte wiederholt Gelegenheit, über sein nicht nur dienstpflichtwidriges, sondern auch kriminelles Verhalten nachzudenken und davon abzulassen. Davon hat er keinen Gebrauch gemacht.

74 Der Ruhestandsbeamte kann sich auch nicht mit Erfolg zu seiner Entlastung auf ein schlechtes Beispiel vorgesetzter Stellen bzw. anderer Mitarbeiter der Finanzverwaltung berufen, das zur Minderung seines Unrechtsbewusstseins geführt haben könnte (vgl. dazu z.B. Urteil vom 30. September 1992 - BVerwG 1 D 32.91 - BVerwGE 93, 294 <297>). Bei dem schlechten Beispiel handelt es sich nach Auffassung des Ruhestandsbeamten um das Treffen der so genannten Zollexperten für Tabaksteuern auf dem Oktoberfest am 30. September 1999 auf Einladung des Zigarettenkonzerns X., das auch Gegenstand des anonymen Schreibens vom 20. April 2000 (Anschuldigungspunkt 4) ist. Da der Ruhestandsbeamte seine Forderung gegenüber der Zeugin K. bereits am 15. September 1999 erhoben hatte, konnte der Vorfall am 30. September 1999 - von dem Treffen hatte der Ruhestandsbeamte erst an diesem Tag Kenntnis erlangt - für sein pflichtwidriges Verhalten nicht ursächlich gewesen sein. Zudem kann ein schlechtes Beispiel im Korruptionsbereich im Einzelfall unter den im Urteil vom 30. September 1992 a.a.O. genannten Voraussetzungen - über längere Zeit von Vorgesetzten unbeanstandet geduldete Praxis pflichtwidrigen Verhaltens - allenfalls bei Beamten des einfachen oder mittleren Dienstes mildernd in Erwägung gezogen werden. Ein solcher Fall liegt hier nicht vor. Der Ruhestandsbeamte befand sich damals als Zollamtsrat, d.h. Beamter des gehobenen Dienstes und Sachgebietsleiter in einer herausgehobenen Position, sodass von ihm erwartet werden konnte und musste, dass er sich nicht von eventuell pflichtwidrigem Verhalten anderer Mitarbeiter der Finanzverwaltung beeinflussen lässt.

75 Dass der auf Zahlung in Anspruch genommene Ruhestandsbeamte den ihm zugewendeten Betrag in Höhe von 1 790,40 DM inzwischen in voller Höhe an den Dienstherrn abgeführt hat, kann nicht zu einer milderen Disziplinarmaßnahme führen, weil er hierzu gesetzlich verpflichtet war (vgl. Urteil vom 31. Januar 2002 - BVerwG 2 C 6.01 - BVerwGE 115, 389 <392>).

76 Auch der Umstand, dass der Ruhestandsbeamte vor der Forderung einer „Anerkennung“ und der Annahme der Geldzuwendung im Jahr 1999 straf- und disziplinarrechtlich nicht in Erscheinung getreten war, bis dahin über lange Zeit sehr gute dienstliche Leistungen erbracht und bei der Dienstausübung großes Engagement gezeigt hatte, fällt angesichts der Schwere der Verfehlung nicht ausschlaggebend ins Gewicht. Denn jeder Beamte ist verpflichtet, bestmögliche Leistungen bei vollem Einsatz der Arbeitskraft zu erbringen und sich innerhalb und außerhalb des Dienstes achtungs- und vertrauenswürdig zu verhalten (§ 54 Satz 1 und 3 BBG), insbesondere nicht straffällig zu werden.

77 Das vom Ruhestandsbeamten im Strafverfahren abgelegte Geständnis kann ebenfalls nicht eine Maßnahmemilderung rechtfertigen. Dies wäre nur dann der Fall, wenn der Ruhestandsbeamte ohne das Geständnis nicht hätte überführt werden können. Das Geständnis bezog sich aber allein auf die näheren Umstände der Forderung und der anschließenden Annahme des Vorteils. Das Tatverhalten selbst war bereits entdeckt und Gegenstand der Strafanzeige vom 29. April 2002.

78 Die lange Dauer des im Juni 2001 eingeleiteten förmlichen Disziplinarverfahrens und die damit notwendigerweise einhergehende psychische Belastung des Ruhestandsbeamten können ebenfalls nicht entlastend berücksichtigt werden. Dabei hat die lange Dauer des Strafverfahrens von insgesamt ca. dreieinhalb Jahren ohnehin außer Betracht zu bleiben. Denn für dessen Dauer war das Disziplinarverfahren von Gesetzes wegen auszusetzen (§ 17 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 2 BDO). Darüber hinaus kommt eine entlastende Berücksichtigung der sich daran anschließenden Dauer des Disziplinarverfahrens dann, wenn durch das Fehlverhalten bei einem aktiven Beamten das Vertrauensverhältnis zum Dienstherrn voraussichtlich endgültig zerstört wäre, nach der Rechtsprechung generell nicht in Frage (vgl. BVerfG, Beschluss vom 9. August 2006 - 2 BvR 1003/05 - DVBl 2006, 1372 <1373>; BVerwG, stRspr des Senats z.B. Urteil vom 6. Juni 2007 - BVerwG 1 D 2.06 - juris). Diese Auffassung hat der Gesetzgeber inzwischen insofern bestätigt, als er in § 15 BDG im Gegensatz zu allen anderen Disziplinarmaßnahmen die Entfernung aus dem Beamtenverhältnis und die Aberkennung des Ruhegehalts vom Maßnahmeverbot wegen Zeitablaufs weiterhin ausgenommen hat.

79 d) Auf der Grundlage aller be- und entlastender Umstände fällt daher die prognostische Gesamtwürdigung der Verfehlungen für den Ruhestandsbeamten negativ aus. Als Beamter des gehobenen Dienstes und Vorgesetzter hat er sich durch sein schweres Fehlverhalten im Anschuldigungspunkt 1 mangels durchgreifender Milderungs- und Entlastungsgründe als vertrauensunwürdig erwiesen und könnte als aktiver Beamter nicht mehr im Beamtenverhältnis verbleiben. Autorität und Ansehen eines Beamten beruhen vor allem auf dem Vertrauen, das ihm aufgrund pflichtgemäßen Verhaltens entgegengebracht wird. Als Ruhestandsbeamter ist ihm daher das Ruhegehalt abzuerkennen.

80 4. Zu Recht hat das Verwaltungsgericht dem Ruhestandsbeamten keinen Unterhaltsbeitrag (§ 77 Abs. 1 BDO) bewilligt. Zwar ist er eines Unterhaltsbeitrags nicht unwürdig. Er ist aber einer finanziellen Unterstützung derzeit nicht bedürftig; eine Bedürftigkeit konnte der Senat nicht feststellen. Maßgebend hierfür sind die Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Ruhestandsbeamten und seiner unterhaltsberechtigten- und -verpflichteten Angehörigen, hier seiner Ehefrau. Nach den Angaben des Ruhestandsbeamten vor dem Verwaltungsgericht und im Fragebogen vom 28. April 2008 bewohnen die Eheleute ein schuldenfreies Eigenheim (Wohnnebenkosten etwa 300 €/Monat). Beide sind daneben noch gemeinsam Eigentümer zweier Eigentumswohnungen. Seine Ehefrau ist Alleineigentümerin einer Doppelhaushälfte, die von einer Tochter bewohnt wird, und einer Eigentumswohnung. Ferner ist der Ruhestandsbeamte zusammen mit seiner Frau und seiner Schwester Eigentümer einer Komfort-Ferienwohnung ... Die Ehefrau hat monatliche Nettoeinkünfte ... in Höhe von 466 €. Die Eheleute beziehen Einkünfte aus Kapital, Vermietung und Verpachtung, wobei sich allein die monatlichen Einkünfte des Ruhestandsbeamten, d.h. ohne seine Ehefrau, auf ca. 550 € belaufen. Nach einem Vermerk der Einleitungsbehörde vom 28. April 2008 besitzt seine Ehefrau (weitere) Einkünfte und Immobilien, die ihr allein gehören und auf die der Ruhestandsbeamte keinen Zugriff hat; dies habe er anlässlich der Beantwortung der Fragen im Fragebogen angegeben. Der Ruhestandsbeamte hat darzulegen und nachzuweisen, dass die Voraussetzungen für die Bewilligung des Unterhaltsbeitrags gegeben sind. Kommt er dieser Mitwirkungspflicht nicht - oder nicht vollständig - nach, so kann ihm ein Unterhaltsbeitrag nicht bewilligt werden (vgl. Urteil vom 4. März 1998 - BVerwG 1 D 52.96 - juris, m.w.N.). Dessen ungeachtet haben die Eheleute im Zweifel auch ihr Kapitalvermögen aufzulösen und für den Lebensunterhalt zu verwenden (vgl. Urteil vom 27. Januar 1999 - BVerwG 1 D 10.98 - juris, m.w.N.). Dass der Ruhestandsbeamte eines Unterhaltsbeitrags nicht bedürftig ist, zeigt sich schließlich an dem Umstand, dass bislang - vom Ruhestandsbeamten unbeanstandet - 30 % seines Ruhegehalts einbehalten worden sind. Dies entspricht fast dem gesetzlichen Höchst-Einbehaltungssatz von einem Drittel gemäß § 92 Abs. 3 BDO.

81 Die Kostenentscheidung beruht auf § 114 Abs. 1 Satz 1 BDO.