Beschluss vom 17.09.2008 -
BVerwG 4 BN 22.08ECLI:DE:BVerwG:2008:170908B4BN22.08.0

Beschluss

BVerwG 4 BN 22.08

  • OVG Berlin-Brandenburg - 09.04.2008 - AZ: OVG 2 A 4.07

In der Normenkontrollsache hat der 4. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 17. September 2008
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Paetow
und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Gatz und Dr. Jannasch
beschlossen:

  1. Die Beschwerde der Antragstellerin gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg vom 9. April 2008 wird zurückgewiesen.
  2. Die Antragstellerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
  3. Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 20 000 € festgesetzt.

Gründe

1 Die auf § 132 Abs. 2 Nr. 1 und 3 VwGO gestützte Beschwerde hat keinen Erfolg. Die Rechtssache hat weder die grundsätzliche Bedeutung, die ihr die Antragstellerin beimisst, noch beruht das angefochtene Normenkontrollurteil auf einem Verfahrensfehler.

2 1. Der Zulassungsgrund des § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO setzt die Formulierung einer bestimmten, höchstrichterlich noch ungeklärten und für die Revisionsentscheidung erheblichen Rechtsfrage des revisiblen Rechts und außerdem die Angabe voraus, worin die über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung bestehen soll. Nicht jede Frage, zu der sich das Bundesverwaltungsgericht noch nicht geäußert hat, führt indessen auf eine erst im Revisionsverfahren zu klärende Thematik. Nach der Zielsetzung des Revisionszulassungsverfahrens ist vielmehr Voraussetzung, dass der im Rechtsstreit vorhandene Problemgehalt aus Gründen der Einheit des Rechts einschließlich gebotener Rechtsfortentwicklung eine Klärung gerade durch eine höchstrichterliche Entscheidung verlangt. Das ist nach der ständigen Rechtsprechung aller Senate des Bundesverwaltungsgerichts dann nicht der Fall, wenn sich die aufgeworfene Rechtsfrage auf der Grundlage der vorhandenen Rechtsprechung und mit Hilfe der üblichen Regeln sachgerechter Gesetzesinterpretation ohne Weiteres beantworten lässt. So liegt es hier. Zu beiden Fragenkomplexen, die die Beschwerde angesprochen hat, lässt sich Stellung nehmen, ohne dass es der Durchführung eines Revisionsverfahrens bedarf.

3 a) Die Beschwerde hält die Frage für grundsätzlich klärungsbedürftig, ob im Zuge der erstmaligen Aufstellung eines Flächennutzungsplans allein die Bezeichnung als Flächennutzungsplanung und die geografischen Angaben über den Planbereich im Zuge der Bekanntmachung von Entwürfen eines Flächennutzungsplans, der die Rechtswirkungen des § 35 Abs. 3 Satz 3 BauGB für sich in Anspruch nimmt, ausreichen, um die Anstoßwirkung nach § 3 Abs. 2 BauGB auszulösen. Zu der Frage ist verallgemeinernd Folgendes zu sagen:

4 Der Begriff der Anstoßwirkung kennzeichnet schlagwortartig die Anforderungen, die an die in § 3 Abs. 2 Satz 2 Halbs. 1 BauGB vorgeschriebene ortsübliche Bekanntmachung des Ortes und der Dauer der Auslegung der Entwürfe der Bauleitpläne zu stellen sind. Die Bekanntmachung muss danach in einer Weise geschehen, die geeignet ist, dem an der beabsichtigten Bauleitplanung interessierten Bürger sein Interesse an Information und Beteiligung durch Abgabe einer Stellungnahme bewusst zu machen und dadurch eine gemeindliche Öffentlichkeit herzustellen (Urteil vom 6. Juli 1984 - BVerwG 4 C 22.80 - BVerwGE 69, 344 <345>). Sie soll interessierte Bürger dazu ermuntern, sich am Ort der Auslegung des Planentwurfs zu den angegebenen Zeiten über die gemeindlichen Planungsabsichten zu informieren und gegebenenfalls mit Anregungen und Bedenken zur Planung beizutragen. Ihre Aufgabe ist es nicht, über den Inhalt der angelaufenen Planung selbst so detailliert Auskunft zu geben, dass die Einsichtnahme in die Planunterlagen am Ort der Auslegung entbehrlich wird.

5 Der Senat fordert, dass die Bekanntmachung erkennen lassen muss, welches Planungsvorhaben die Gemeinde betreiben will (Urteil vom 6. Juli 1984 - BVerwG 4 C 22.80 - a.a.O. <346>). Diesem Erfordernis ist genügt, wenn der Bürger in die Lage versetzt wird, das Vorhaben einem bestimmten Raum zuzuordnen (Urteil vom 17. Dezember 2002 - BVerwG 4 C 15.01 - NVwZ 2003, 733; <insoweit in BVerwGE 117, 287 nicht abgedruckt>). Ein Flächennutzungsplan, der Darstellungen mit den Rechtswirkungen des § 35 Abs. 3 Satz 3 BauGB enthalten soll, entfaltet durch die Festlegung von Konzentrationszonen für Anlagen im Sinne des § 35 Abs. 1 Nr. 2 bis 6 BauGB regelmäßig Ausschlusswirkung für das übrige Gemeindegebiet, es sei denn, die Gemeinde macht von der Ermächtigung in § 5 Abs. 2b BauGB Gebrauch, einen sachlichen Teilflächennutzungsplan aufzustellen. Erfasst die in Aussicht genommene Kombination von Konzentrations- und Ausschlusszonen das gesamte Gemeindegebiet, erfüllt die Bekanntmachung jedenfalls dann ihre Anstoßfunktion, wenn sie - wie vorliegend - kenntlich macht, dass die Grenzen des Geltungsbereichs des in Aufstellung befindlichen Flächennutzungsplans mit den Gemeindegrenzen übereinstimmen sollen. Dass und an welcher Stelle Konzentrationszonen dargestellt werden sollen, muss aus der Bekanntmachung nicht hervorgehen. Wer sich Kenntnis davon verschaffen will, ob der Flächennutzungsplan Darstellungen im Sinne des § 35 Abs. 3 Satz 3 BauGB enthält, dessen Aufmerksamkeit wird durch den Hinweis auf Ort und Dauer der Auslegung auf die Planunterlagen gelenkt, die insoweit nähere Auskunft geben. Die Bekanntmachung muss eine solche Detailinformation nicht vorwegnehmen.

6 b) Die Frage, ob ein wegen formeller Fehler unwirksamer Raumordnungsplan als in Aufstellung befindliches Ziel der Raumordnung im Sinne des § 3 Nr. 4 ROG nach § 4 Abs. 2 ROG zu beachten ist und dieser von der planenden Kommune bei der Aufstellung eines Bauleitplans berücksichtigt werden muss, lässt sich ohne Weiteres bejahen. Ein Ziel der Raumordnung hat das Stadium der Aufstellung erreicht, wenn es ein Mindestmaß an Konkretisierung aufweist und die hinreichend sichere Erwartung gerechtfertigt ist, dass der Entwurf zu einer verbindlichen Vorgabe im Sinne des § 3 Nr. 2 ROG erstarken wird (vgl. Urteil vom 27. Januar 2005 - BVerwG 4 C 5.04 - BVerwGE 122, 364 < 371 f.>). Davon darf ausgegangen werden, wenn der das Ziel enthaltende Raumordnungsplan von einem Gericht nur wegen eines Ausfertigungs- und Bekanntmachungsmangels für unwirksam erklärt worden ist, die zur Behebung des Mangels erforderliche erneute Ausfertigung und Bekanntmachung noch aussteht und es keine Anhaltspunkte dafür gibt, dass der Planungsträger die gerichtliche Entscheidung zum Anlass nimmt, sich von den ursprünglich formulierten und fixierten Planvorstellungen zu distanzieren.

7 2. Das angefochtene Urteil leidet nicht an dem behaupteten Verfahrensmangel der Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG). Die Beschwerde rügt, das Oberverwaltungsgericht habe das Vorbringen der Antragstellerin übergangen, die Erteilung des Einvernehmens nach § 36 BauGB zur Errichtung der Windenergieanlagen Nr. 15 und 16 hätte bei der planerischen Abwägung der Antragsgegnerin als privater Belang berücksichtigt werden müssen. Der Umstand, dass die Antragsgegnerin ihr Einvernehmen erteilt habe, spreche dagegen, die für die Windenergieanlagen reservierten Flächen der Ausschlusswirkung des § 35 Abs. 3 Satz 3 BauGB zu unterwerfen. Die Rüge der Beschwerde bleibt ohne Erfolg. Eine fehlende Auseinandersetzung mit Rechtsausführungen der Parteien rechtfertigt noch nicht den Schluss darauf, dass das Gericht sie nicht zur Kenntnis genommen und in Erwägung gezogen hätte. Grundsätzlich ist davon auszugehen, dass ein Gericht das von ihm entgegengenommene Vorbringen der Beteiligten auch zur Kenntnis genommen und in Erwägung gezogen hat. Die Gerichte sind nicht verpflichtet, jedes (rechtliche) Vorbringen der Beteiligten in den Gründen ausdrücklich zu bescheiden. Nur dann, wenn sich im Einzelfall klar ergibt, dass ein Gericht seiner Pflicht, das Vorbringen der Parteien zur Kenntnis zu nehmen und zu erwägen, nicht nachgekommen ist, ist Art. 103 Abs. 1 GG verletzt (vgl. Beschluss vom 26. Mai 1999 - BVerwG 6 B 65.98 - NVwZ-RR 1999, 745). Ein solcher Ausnahmefall liegt hier nicht vor. Das Oberverwaltungsgericht hat die Verwaltungsvorgänge beigezogen und gesichtet. Aus ihnen ergibt sich, dass die Antragsgegnerin den Umstand, ihr Einvernehmen zur Errichtung von Windenergieanlagen in der Ausschlusszone erteilt zu haben, in der Abwägung berücksichtigt, die dem Interesse an der Windenergienutzung entgegenstehenden Belange aber höher gewichtet hat (Verfahrensakten, Band IV, Bl. 1813, 1867). Das ist vom Oberverwaltungsgericht stillschweigend und im Einklang mit der Rechtsprechung des Senats (vgl. Urteil vom 19. Februar 2004 - BVerwG 4 CN 16.03 - BVerwGE 120, 138 <143 ff.>) gebilligt worden.

8 Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO und die Streitwertfestsetzung auf § 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 1 GKG.