Beschluss vom 15.03.2004 -
BVerwG 7 B 33.04ECLI:DE:BVerwG:2004:150304B7B33.04.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 15.03.2004 - 7 B 33.04 - [ECLI:DE:BVerwG:2004:150304B7B33.04.0]

Beschluss

BVerwG 7 B 33.04

  • VG Berlin - 25.11.2003 - AZ: VG 9 A 166.99

In der Verwaltungsstreitsache hat der 7. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 15. März 2004
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht S a i l e r
und die Richter am Bundesverwaltungsgericht K l e y und H e r b e r t
beschlossen:

  1. Die Beschwerde der Kläger gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Verwaltungsgerichts Berlin vom 25. November 2003 wird zurückgewiesen.
  2. Die Kläger tragen als Gesamtschuldner die Kosten des Beschwerdeverfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen, die diese selbst trägt.
  3. Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 220 121 € festgesetzt.

Die Kläger beanspruchen nach dem Vermögensgesetz die Rückgabe zweier Grundstücke, die ihre Rechtsvorgängerin in den Jahren 1966 und 1967 an das Eigentum des Volkes veräußerte. Das Verwaltungsgericht hat die nach erfolglosem Verwaltungsverfahren erhobene Klage abgewiesen, weil weder die Veräußerungen noch die vorausgegangene Nutzung der Grundstücke zum Zweck der Wohnraumversorgung von Mitarbeitern des Ministeriums für Staatssicherheit auf unlauteren Machenschaften i.S. des § 1 Abs. 3 VermG beruht hätten. Das Verwaltungsgericht hat die Revision gegen sein Urteil nicht zugelassen. Die hiergegen erhobene Beschwerde der Kläger hat keinen Erfolg.
Die Revision ist nicht wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zuzulassen (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO). Die Beschwerde wirft sinngemäß die Frage auf, "ob die unter Verletzung des geltenden DDR-Rechts durchgeführte Ausschaltung der Eigentümer durch das MfS im Jahr 1951 ... einer entschädigungslosen Enteignung i.S. des § 1 Abs. 1 VermG gleichzusetzen" ist. Dieses Vorbringen rechtfertigt die Zulassung der Revision schon deswegen nicht, weil nicht erst in einem Revisionsverfahren geklärt werden muss, dass die privatnützige Veräußerung der Grundstücke in den Jahren 1966 und 1967 zu nicht aus dem Rahmen des Üblichen fallenden Kaufpreisen der Annahme einer vorausgegangenen Enteignung der Rechtsvorgängerin der Kläger entgegensteht. In der Vorenthaltung einer Eigennutzung der Grundstücke aufgrund der Requirierung durch die Besatzungsmacht und der anschließenden Nutzung für Wohnraumversorgungszwecke des MfS kann nur eine Beschränkung der Verfügungsbefugnis des Eigentümers gesehen werden, die einer Entziehung des Grundstückseigentums, wie sie nach § 1 der Verordnung zur Sicherung von Vermögenswerten in Ausreisefällen vorgenommen wurde, nicht gleichkam.
Auch die Divergenzrüge (§ 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) bleibt erfolglos. Mit ihrem Vorbringen, das Verwaltungsgericht habe den Begriff der Nötigung zu eng ausgelegt, macht die Beschwerde keinen Rechtssatzwiderspruch, sondern allenfalls eine unzutreffende Rechtsanwendung geltend. Das Verwaltungsgericht ist im Einklang mit der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts davon ausgegangen, dass unter einer Nötigung i.S. des § 1 Abs. 3 VermG in Anlehnung an § 240 StGB die rechtswidrige Einflussnahme auf die Willensfreiheit durch Gewalt oder durch Drohung mit einem empfindlichen Übel zu verstehen ist. Dem Beschwerdevorbringen ist nicht zu entnehmen, dass das Verwaltungsgericht einen von dieser Rechtsprechung abweichenden Rechtssatz aufgestellt hat. Die Beschwerde setzt der Annahme des Verwaltungsgerichts, dass die Rechtsvorgängerin der Kläger zu den Grundstücksveräußerungen nicht durch eine Drohung mit einem empfindlichen Übel bestimmt worden sei, die hiervon abweichende eigene Auffassung entgegen, wonach es "sowohl aus wirtschaftlichen Gründen als auch aus Gründen der Erfahrungen mit dem MfS ... unvernünftig gewesen (wäre), sich dem (Verkaufs-)Druck nicht zu beugen". Mit derartigen Angriffen gegen die Sachverhaltswürdigung und Rechtsanwendung im Einzelfall lässt sich die Revisionszulassung wegen Divergenz nicht begründen.
Ebenso wenig ist die Revision wegen der geltend gemachten Verfahrensfehler zuzulassen (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO). Soweit die Beschwerde die Annahme des Verwaltungsgerichts beanstandet, den Rechtsvorgängern der Kläger sei der Sache nach eine Inanspruchnahme der Grundstücke nach dem Verteidigungsgesetz in Aussicht gestellt worden, verkennt sie, dass es sich nicht um eine Tatsachenfeststellung, sondern um eine rechtliche Würdigung der behaupteten Enteignungsdrohung handelt, die keinen Verfahrensfehler erkennen lässt. Soweit die Beschwerde bemängelt, dass das Verwaltungsgericht die Angaben des Zeugen K. und den Inhalt der eidesstattlichen Versicherung der Frau L. nicht als Bestätigung der Drohung mit einer entschädigungslosen Enteignung gewürdigt habe, setzt sie der tatsächlichen und rechtlichen Würdigung des Verwaltungsgerichts eine davon abweichende eigene Bewertung entgegen, ohne einen Verfahrensmangel darzulegen; ein solcher wäre nur dann anzunehmen, wenn das Verwaltungsgericht gegen Denkgesetze oder allgemeine Erfahrungssätze verstoßen oder einen unvollständigen Sachverhalt zugrunde gelegt hätte, wofür nach dem Beschwerdevorbringen keinerlei Anhaltspunkte bestehen. Da die angegriffene Entscheidung bereits durch die verfahrensfehlerfreie Ablehnung der behaupteten Drohung mit einer entschädigungslosen Enteignung getragen wird, kommt es auf die Verfahrensrüge gegen die vom Verwaltungsgericht ergänzend verneinte Kausalität der Drohung für den Verkaufsentschluss nicht an; allerdings ist auch nicht erkennbar, inwiefern das Verwaltungsgericht dadurch einen Verfahrensfehler begangen haben soll, dass es den in der Stellungnahme der Bevollmächtigten der Kläger zu dem Schreiben des Amts zur Regelung offener Vermögensfragen vom 24. Mai 1991 angegebenen Beweggrund für die Einwilligung in den Verkauf nahezu wörtlich übernommen hat. Der behauptete Aufklärungsmangel ist nicht in der gebotenen Weise bezeichnet; davon abgesehen musste sich dem Verwaltungsgericht die Einholung einer Auskunft des Bundesbeauftragten für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes schon deswegen nicht aufdrängen, weil sich die einschlägigen Vorgänge des Liegenschaftsdienstes nebst Unterlagen aus dem Landesarchiv Berlin bereits bei den Akten befanden und ein konkreter weiterer Aufklärungsbedarf weder erkennbar noch dargelegt war.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1, § 159 Satz 2 und § 162 Abs. 3 VwGO, die Streitwertfestsetzung beruht auf § 14 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 i.V.m. § 13 Abs. 1 Satz 1 GKG.