Beschluss vom 11.04.2017 -
BVerwG 4 B 11.17ECLI:DE:BVerwG:2017:110417B4B11.17.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 11.04.2017 - 4 B 11.17 - [ECLI:DE:BVerwG:2017:110417B4B11.17.0]

Beschluss

BVerwG 4 B 11.17

  • VG Stuttgart - 16.10.2013 - AZ: VG 13 K 2089/12
  • VGH Mannheim - 30.11.2016 - AZ: VGH 8 S 578/14

In der Verwaltungsstreitsache hat der 4. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 11. April 2017
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. Rubel und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Gatz und Dr. Decker
beschlossen:

  1. Die Beschwerde der Kläger gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg vom 30. November 2016 wird zurückgewiesen.
  2. Die Kläger tragen als Gesamtschuldner die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
  3. Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 17 000 € festgesetzt.

Gründe

1 Die Beschwerde hat keinen Erfolg.

2 1. Die Revision ist nicht nach § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO zuzulassen. Aus dem Beschwerdevorbringen ergibt sich nicht, dass das Berufungsurteil von Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts abweicht.

3 Der Revisionszulassungsgrund der Abweichung liegt vor, wenn die Vorinstanz in Anwendung derselben Rechtsvorschrift mit einem ihre Entscheidung tragenden Rechtssatz einem ebensolchen Rechtssatz des Bundesverwaltungsgerichts widerspricht (stRspr, vgl. BVerwG, Beschluss vom 20. Dezember 1995 - 6 B 35.95 - NVwZ-RR 1996, 712). § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO verlangt, dass der Tatbestand der Divergenz nicht nur durch die Angabe der höchstrichterlichen Entscheidung, von der abgewichen sein soll, sondern auch durch Gegenüberstellung der miteinander unvereinbaren Rechtssätze dargelegt wird (stRspr, z.B. BVerwG, Beschluss vom 9. April 2014 - 2 B 107.13 - Buchholz 310 § 32 Abs. 2 Ziff. 2 VwGO Nr. 20 Rn. 3 m.w.N.). Dem wird die Beschwerde nicht gerecht.

4 Die Kläger arbeiten bereits keinen Rechtssatz aus dem Berufungsurteil heraus. Sie zitieren auszugsweise aus den Entscheidungsgründen und schließen daraus ("Damit"), dass der Verwaltungsgerichtshof "die Funktion der Nebenanlage auf die grundsätzlich von einer Bebauung freizuhaltende Grünfläche [bezieht], obwohl diese - auf dem klägerischen Grundstück wie auch im übrigen Plangebiet - ein Baufenster umgibt, für das die Beklagte ein reines Wohngebiet festgesetzt hat" (Beschwerdebegründung S. 6). Ein Rechtssatz, der dadurch gekennzeichnet ist, dass er den Inhalt einer Norm durch einen abstrakten richterrechtlichen Obersatz unterhalb des Abstraktionsgrades des Gesetzeswortlauts und oberhalb der Rechtsanwendung auf den konkreten Einzelfall beschreibt (vgl. Kraft, in: Eyermann, VwGO, 14. Aufl. 2014, § 132 Rn. 35), ist ihr Extrakt nicht. Ob sich aus ihm ein Rechtssatz herausfiltern ließe, der den Rechtssätzen aus den von den Klägern in Bezug genommenen Entscheidungen des Senats widerspräche, kann offen bleiben. Die Darlegung eines Grundes für die Zulassung der Revision ist nach § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO Sache der Beschwerdebegründung. Es ist nicht Aufgabe des Bundesverwaltungsgerichts, durch eine Interpretation des Beschwerdevortrags dasjenige zu gewinnen, was möglicherweise zur Darlegung geeignet sein könnte.

5 Die Revision ist auch dann nicht nach § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO zuzulassen, wenn zu Gunsten der Kläger unterstellt würde, sie wollten ihre Divergenzrüge an die Rechtssätze aus den in der Beschwerdebegründung referierten Passagen des Berufungsurteils (UA S. 20) knüpfen. Die Rechtssätze lauten:
- Die Zweckbestimmung einer ausnahmsweise zulässigen Nebenanlage in der als "private Grünfläche/Gartenland" festgesetzten Fläche muss sich an deren Nutzungszweck als Grünfläche bzw. bewirtschaftetes Gartenland orientieren.
- Zu den Wesensmerkmalen einer untergeordneten Nebenanlage im Sinne des § 14 BauNVO gehört es, dass sie dem primären Nutzungszweck des Grundstücks und der diesem Nutzungszweck entsprechenden Bebauung sowohl in funktioneller als auch in räumlich-gegenständlicher Hinsicht dienend zu- und untergeordnet ist.

6 Die Kläger zeigen nicht auf, dass der Verwaltungsgerichtshof mit diesen Rechtssätzen Rechtssätzen aus den Urteilen des Senats vom 28. April 2004 - 4 C 10.03 - (Buchholz 406.12 § 3 BauNVO Nr. 15) und vom 21. März 2013 - 4 C 15.11 - (Buchholz 406.12 § 23 BauNVO Nr. 6) sowie aus dem Beschluss des Senats vom 3. Januar 2012 - 4 B 27.11 - (Buchholz 406.12 § 14 BauNVO Nr. 18) die Gefolgschaft verweigert hat.

7 Nur der Vollständigkeit halber weist der Senat darauf hin, dass die vorinstanzlichen Rechtssätze mit der Senatsrechtsprechung im Einklang stehen.

8 Den ersten Rechtssatz hat der Verwaltungsgerichtshof zu § 9 Abs. 1 Nr. 15 BauGB aufgestellt. Zu dieser Vorschrift hat der Senat entschieden, dass mit der auf ihr beruhenden Festsetzung - wie der Begriff "Grünfläche" nahelegt - im Grundsatz die sonstige, durch Bewuchs geprägte nichtbauliche Nutzung geregelt wird, dass aber im Rahmen der jeweiligen Zweckbestimmung der Grünfläche bauliche Anlagen nicht ausgeschlossen sind, wenn sie eine nur untergeordnete Bedeutung haben (BVerwG, Beschluss vom 22. Oktober 2012 - 4 BN 36.12 - BauR 2013, 199 Rn. 4). Der zweite Rechtssatz ist auf § 14 Abs. 1 BauNVO gemünzt. Er entspricht dem Rechtssatz aus dem Urteil des Senats vom 28. April 2004 - 4 C 10.03 - (Buchholz 406.12 § 3 BauNVO Nr. 15 = juris Rn. 24), wonach zum Merkmal der Unterordnung insbesondere gehört, dass die Nebenanlagen und Einrichtungen nicht nur in ihrer Funktion, sondern auch räumlich-gegenständlich dem primären Nutzungszweck der in dem Baugebiet gelegenen Grundstücke sowie der diesem Nutzungszweck entsprechenden Bebauung dienend zugeordnet und untergeordnet sind.

9 2. Die Revision ist auch nicht nach § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO zuzulassen. Die Rechtssache hat nicht die grundsätzliche Bedeutung, die ihr die Kläger beimessen.

10 Die Frage "nach dem Anwendungsbereich bzw. dem Bezugspunkt der funktionalen und räumlich-gegenständlichen Zu- und Unterordnung einer Nebenanlage, wenn im Geltungsbereich eines Bebauungsplans auf den Grundstücken einerseits eine bauliche Nutzung unter Verwendung der Festsetzung eines Baugebiets i.S. der §§ 2 ff. BauNVO zugelassen wurde, andererseits aber größere Flächen durch die Festsetzung von Grünflächen von einer baulichen Nutzung grundsätzlich freizuhalten sind" (Beschwerdebegründung S. 16 f.), stellen die Kläger, weil die Terrasse und das Schwimmbecken, deren Beseitigung die Beklagte nach dem Berufungsurteil zu Recht verlangt hat, nicht in dem Baufenster liegen, für das der maßgebliche Bebauungsplan als Art der baulichen Nutzung ein reines Wohngebiet festsetzt, sondern auf der als private Grünfläche/Gartenland ausgewiesenen Grundstückfläche. Die Kläger stellen nicht in Abrede, dass Terrasse und Schwimmbecken als Erweiterung ihres Außenwohnbereichs auf dieser Fläche für sich genommen unzulässig sind. Sie wollen aber unter Berufung auf die Senatsentscheidung vom 21. März 2013 - 4 C 15.11 - (Buchholz 406.12 § 23 BauNVO Nr. 6) in einem Revisionsverfahren darauf hinaus, dass der Senat die durch die Festsetzung als reines Wohngebiet gestattete Nutzung als "Hauptnutzung" ansieht und ihre Vorhaben nach § 23 Abs. 5 Satz 1 BauNVO als untergeordnete Nebenanlagen zu ihrem genehmigten Wohngebäude für zulässig erklärt.

11 Die von den Klägern formulierte Frage führt schon deshalb nicht zur Revision, weil § 23 Abs. 5 Satz 1 BauNVO, auf den die Frage zugeschnitten ist, für den Verwaltungsgerichtshof nicht maßgeblich war. Es gehört nicht zu den Aufgaben des Bundesverwaltungsgerichts, Rechtsfragen zu klären, die sich die Vorinstanz nicht gestellt und deshalb auch nicht beantwortet hat (BVerwG, Beschluss vom 25. April 2016 - 4 B 10.16 - juris Rn. 5).

12 Unabhängig davon lässt sich den Klägern auch außerhalb des angestrebten Revisionsverfahrens entgegnen, dass ihnen § 23 Abs. 5 Satz 1 BauNVO, wonach auf den nicht überbaubaren Grundstücksflächen Nebenanlagen im Sinne des § 14 BauNVO zugelassen werden können, wenn im Bebauungsplan nichts anderes festgesetzt ist, nicht weiter hilft. Die Vorschrift griffe zu ihren Gunsten nur ein, wenn die von der Terrasse und dem Schwimmbad in Anspruch genommene Grundfläche als reines Wohngebiet ausgewiesen, aber aufgrund der Festsetzung von Baulinien, Baugrenzen oder Bebauungstiefen nach § 23 Abs. 1 Satz 1 BauNVO nicht überbaubar wäre. Ein solcher Fall liegt hier nicht vor. Die Festsetzung eines reinen Wohngebiets beschränkt sich nach der vorinstanzlichen, den Senat nach § 173 Satz 1 VwGO i.V.m. § 560 ZPO bindenden Auslegung des Bebauungsplans auf die Fläche des Baufensters (UA S. 20). Die mangelnde Qualität der das Baufenster umgebenden Fläche als Fläche für bauliche Anlagen, die der Wohnnutzung dienen, beruht hingegen auf der Festsetzung nach § 9 Abs. 1 Nr. 15 BauGB. Die Festsetzungsmöglichkeit nach dieser Bestimmung ist eigenständig und von Festsetzungen über nicht überbaubare Teile von Baugrundstücken abzugrenzen (Söfker, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, BauGB, Stand Oktober 2016, § 9 Rn. 122).

13 Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2, § 159 Satz 2 VwGO.

14 Die Streitwertentscheidung ergibt sich aus § 47 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3, § 52 Abs. 1 GKG. Sie orientiert sich an den voraussichtlichen Kosten für die Beseitigung der im Beschwerdeverfahren streitigen Anlagen, welche die Kläger im erstinstanzlichen Verfahren auf ca. 10 000 € für die Terrasse und ca. 7 000 € für das Schwimmbecken geschätzt haben.