Beschluss vom 07.08.2008 -
BVerwG 10 B 39.08ECLI:DE:BVerwG:2008:070808B10B39.08.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 07.08.2008 - 10 B 39.08 - [ECLI:DE:BVerwG:2008:070808B10B39.08.0]

Beschluss

BVerwG 10 B 39.08

  • OVG für das Land Nordrhein-Westfalen - 28.02.2008 - AZ: OVG 20 A 2375/07.A

In der Verwaltungsstreitsache hat der 10. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 7. August 2008
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Mallmann,
den Richter am Bundesverwaltungsgericht Richter und
die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Fricke
beschlossen:

  1. Der Antrag der Kläger, ihnen Prozesskostenhilfe zu bewilligen und einen Rechtsanwalt beizuordnen, wird abgelehnt.
  2. Die Beschwerde der Kläger gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 28. Februar 2008 wird zurückgewiesen.
  3. Die Kläger tragen die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Gründe

1 Der Antrag der Kläger auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe und Beiordnung eines Rechtsanwalts für das Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht ist abzulehnen, weil die beabsichtigte Rechtsverfolgung keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet (§ 166 VwGO i.V.m. den §§ 114 und 121 Abs. 1 ZPO).

2 Die Beschwerde, die sich auf den Revisionszulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache stützt (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO), hat keinen Erfolg.

3 Die Beschwerde hält zunächst die Frage für grundsätzlich klärungsbedürftig, ob eine ernsthafte individuelle Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit einer Zivilperson infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts im Sinne des Art. 15 Buchst. c der sog. Qualifikationsrichtlinie nur dann festgestellt werden kann, wenn sie landesweit besteht. Das Oberverwaltungsgericht habe einen derartigen Rechtssatz zwar nicht wörtlich aufgestellt, es sei aber sinngemäß von dem Grundsatz ausgegangen, eine ernsthafte individuelle Bedrohung im Sinne des Art. 15 Buchst. c der Richtlinie liege nur dann vor, wenn sie landesweit, also auch in Kabul bestehe. Dadurch habe das Oberverwaltungsgericht nicht geprüft, ob von den aus Herat stammenden Klägern nach Art. 8 Abs. 1 der Richtlinie vernünftigerweise erwartet werden könne, in Kabul Schutz zu suchen, obwohl sie dort nie gelebt hätten und sich auch nicht auf familiäre Beziehungen stützen könnten. Unabhängig davon, ob dem Berufungsurteil entnommen werden kann, dass das Berufungsgericht eine landesweite ernsthafte individuelle Bedrohung für erforderlich hält, geht die Beschwerde jedenfalls in diesem Zusammenhang nicht näher auf die Entscheidungserheblichkeit der aufgeworfenen Frage ein. Insoweit hätte es näherer Darlegung bedurft, inwiefern, wenn schon nicht landesweit, dann jedenfalls regional, etwa am Herkunftsort der Kläger die Voraussetzungen des Art. 15 Buchst. c der Richtlinie vorliegen. Dessen ungeachtet lässt sich die Frage beantworten, ohne dass es der Durchführung eines Revisionsverfahrens bedarf. Ein innerstaatlicher bewaffneter Konflikt - nur solch ein Konflikt kommt vorliegend in Betracht - liegt auch dann vor, wenn er nur in einem Teil des Staatsgebiets besteht. Das ergibt sich schon daraus, dass gemäß § 60 Abs. 11 AufenthG auch für die Feststellung eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG, der Art. 15 Buchst. c der Qualifikationsrichtlinie in nationales Recht umgesetzt hat, die Regeln über den internen Schutz nach Art. 8 der Richtlinie gelten. Ein aus seinem Herkunftsstaat Geflohener kann aber nur auf eine landesinterne Schutzalternative verwiesen werden, wenn diese außerhalb des Gebietes eines innerstaatlichen bewaffneten Konflikts liegt. Damit wird anerkannt, dass sich ein innerstaatlicher Konflikt nicht auf das gesamte Staatsgebiet erstrecken muss (so inzwischen auch Urteil des Senats vom 24. Juni 2008 - BVerwG 10 C 43.07 - zur Veröffentlichung in der amtlichen Entscheidungssammlung vorgesehen).

4 Auch die weitere von der Beschwerde aufgeworfene Grundsatzfrage bedarf nicht der Durchführung eines Revisionsverfahrens. Die Beschwerde hält die Frage für grundsätzlich bedeutsam, welcher Prognosemaßstab bei der Prüfung des Art. 15 Buchst. c der Qualifikationsrichtlinie anzuwenden ist bzw. welches Kriterium zur Feststellung der ernsthaften individuellen Bedrohung heranzuziehen ist. Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts stünden in Kabul Selbstmordattentate im Vordergrund, die zwar stark zugenommen hätten, aber angesichts der Zielrichtung auf Sicherheitskräfte, der Größe der Stadt und der Anzahl ihrer Bewohner doch noch nicht zur unmittelbaren Bedrohung jedes Einzelnen führten. Zu klären sei daher, ob eine quantitative Bewertung mit qualitativen Momenten oder - was die Beschwerde für richtig hält - eine strikt qualifizierende Betrachtungsweise anzuwenden sei, bei der die besondere Schwere des befürchteten Eingriffs (typischerweise Leibes- und Lebensgefahr) ausschlaggebendes Kriterium sei. Die Beschwerde macht auch insoweit nicht ersichtlich, dass sich die aufgeworfene Frage in dieser Form in einem Revisionsverfahren in entscheidungserheblicher Weise stellen würde. Im Übrigen bedarf es keiner näheren Begründung, dass zur Beurteilung der Frage, ob in einer allgemeinen Gefahrenlage jede einzelne Zivilperson in dem betreffenden Gebiet individuell erheblich bzw. ernsthaft bedroht ist, neben qualitativen auch quantitative Kriterien heranzuziehen sind. Nur so lässt sich das Ausmaß der Gefahrendichte klären. Dementsprechend hat der Senat hierzu erkannt, dass zur Feststellung der Gefahrendichte im Sinne des § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG bzw. des Art. 15 Buchst. c der Qualifikationsrichtlinie ähnliche Kriterien Bedeutung haben wie im Bereich des Flüchtlingsrechts für den dort maßgeblichen Begriff der Verfolgungsdichte bei einer Gruppenverfolgung (vgl. nochmals Urteil vom 24. Juni 2008 - BVerwG 10 C 43.07 -).

5 Bei dieser Sachlage kommt auch eine Zulassung der Revision wegen nachträglicher Divergenz (§ 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) nicht in Betracht.

6 Der Senat sieht von einer weiteren Begründung ab (§ 133 Abs. 5 Satz 2 Halbs. 2 VwGO).

7 Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Gerichtskosten werden gemäß § 83b AsylVfG nicht erhoben. Der Gegenstandswert ergibt sich aus § 30 RVG.