Beschluss vom 26.07.2006 -
BVerwG 1 B 89.06ECLI:DE:BVerwG:2006:260706B1B89.06.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 26.07.2006 - 1 B 89.06 - [ECLI:DE:BVerwG:2006:260706B1B89.06.0]

Beschluss

BVerwG 1 B 89.06

  • OVG für das Land Nordrhein-Westfalen - 22.03.2006 - AZ: OVG 17 A 716/02

In der Verwaltungsstreitsache hat der 1. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 26. Juli 2006
durch die Vizepräsidentin des Bundesverwaltungsgerichts Eckertz-Höfer
und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Hund und Richter
beschlossen:

  1. Die Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen über die Nichtzulassung der Revision gegen sein Urteil vom 22. März 2006 wird aufgehoben.
  2. Die Revision wird zugelassen.
  3. Die Entscheidung über die Kosten des Beschwerdeverfahrens folgt der Kostenentscheidung in der Hauptsache.

Gründe

1 Die Beschwerde der Klägerin ist zulässig und begründet.

2 Die Revision ist gemäß § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zuzulassen. Sie kann dem Bundesverwaltungsgericht Gelegenheit geben, den Anwendungsbereich des § 37 Abs. 5 AufenthG weiter zu klären.
Rechtsmittelbelehrung
Das Beschwerdeverfahren wird als Revisionsverfahren unter dem Aktenzeichen BVerwG 1 C 16.06 fortgesetzt; der Einlegung einer Revision durch den Beschwerdeführer bedarf es nicht.
Die Revision ist innerhalb eines Monats nach Zustellung dieses Beschlusses zu begründen. Die Begründung ist bei dem Bundesverwaltungsgericht, Simsonplatz 1, 04107 Leipzig, schriftlich oder in elektronischer Form (Verordnung vom 26. November 2004, BGBl I S. 3091) einzureichen.
Für den Revisionskläger besteht Vertretungszwang; dies gilt auch für die Begründung der Revision. Der Revisionskläger muss sich durch einen Rechtsanwalt oder einen Rechtslehrer an einer deutschen Hochschule im Sinne des Hochschulrahmengesetzes mit Befähigung zum Richteramt als Bevollmächtigten vertreten lassen. Juristische Personen des öffentlichen Rechts und Behörden können sich auch durch Beamte oder Angestellte mit Befähigung zum Richteramt sowie Diplomjuristen im höheren Dienst, Gebietskörperschaften ferner durch Beamte oder Angestellte mit Befähigung zum Richteramt der zuständigen Aufsichtsbehörde oder des jeweiligen kommunalen Spitzenverbandes des Landes, dem sie als Mitglied zugehören, vertreten lassen. In derselben Weise muss sich jeder Beteiligte vertreten lassen, soweit er einen Antrag stellt.

Urteil vom 06.03.2008 -
BVerwG 1 C 16.06ECLI:DE:BVerwG:2008:060308U1C16.06.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Urteil vom 06.03.2008 - 1 C 16.06 - [ECLI:DE:BVerwG:2008:060308U1C16.06.0]

Urteil

BVerwG 1 C 16.06

  • OVG Münster - 22.03.2006 - AZ: OVG 17 A 716/02 -
  • OVG für das Land Nordrhein-Westfalen - 22.03.2006 - AZ: OVG 17 A 716/02

In der Verwaltungsstreitsache hat der 1. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
ohne mündliche Verhandlung am 6. März 2008
durch die Präsidentin des Bundesverwaltungsgerichts Eckertz-Höfer
und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. Dörig, Richter und
Prof. Dr. Kraft sowie die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Fricke
für Recht erkannt:

  1. Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 22. März 2006 wird zurückgewiesen.
  2. Die Klägerin trägt die Kosten des Revisionsverfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen.

Gründe

I

1 Die 1951 geborene Klägerin, eine bosnisch-herzegowinische Staatsangehörige, begehrt ein Visum als Wiederkehrerin nach § 37 Abs. 5 AufenthG.

2 Die Klägerin reiste im September 1973 im Wege des Familiennachzugs zu ihrem jugoslawischen Ehemann in das Bundesgebiet ein und hielt sich anschließend hier auf. Seit dem Tod ihres Ehemannes im Mai 1979 bezieht sie von einem Träger im Bundesgebiet Witwenrente; Anfang Juli 1981 kehrte sie nach Sarajevo zurück.

3 Im Oktober 1994 reiste sie mit einem Besuchsvisum erneut in das Bundesgebiet ein. Wegen des Bürgerkriegs in Jugoslawien wurde ihr von Februar 1995 bis Februar 1997 eine Aufenthaltsbefugnis erteilt; danach wurde ihr Aufenthalt geduldet. Den Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis als Wiederkehrerin gemäß § 16 Abs. 5 AuslG 1990 lehnte die Beigeladene mit Bescheid vom 8. April 1998 ab und drohte ihr die Abschiebung an; ein Antrag der Klägerin auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes blieb ohne Erfolg. Daraufhin verließ sie Ende August 1998 das Bundesgebiet.

4 Die Klägerin beantragte im September 1998 ein Visum als Wiederkehrerin nach § 16 Abs. 5 AuslG 1990 (nunmehr § 37 Abs. 5 AufenthG). Hierzu machte sie geltend, die Voraussetzung eines mindestens achtjährigen Aufenthalts sei durch Zusammenrechnung ihrer Aufenthaltszeiten im Bundesgebiet erfüllt. Die Beigeladene verweigerte ihre Zustimmung. Mit Bescheid vom 10. Februar 1999 lehnte die Deutsche Botschaft in Sarajevo den Visumsantrag ab.

5 Das Verwaltungsgericht hat die Klage mit Urteil vom 8. Januar 2002 abgewiesen. Es hat seine Entscheidung darauf gestützt, dass die Klägerin als Bezieherin einer Witwenrente nicht zu dem von der Vorschrift begünstigten Personenkreis gehöre. Entgegen seinem Wortlaut erfasse § 16 Abs. 5 AuslG nach Sinn und Zweck nur Renten, die ein Ausländer während des Aufenthaltes in Deutschland originär erworben habe.

6 Das Oberverwaltungsgericht hat die Berufung mit Urteil vom 22. März 2006 zurückgewiesen. Anders als das Verwaltungsgericht hat es mit Blick auf den Gesetzeswortlaut des § 37 Abs. 5 AufenthG auch den Bezug einer abgeleiteten Rente als ausreichend angesehen. Die Frage könne aber letztlich dahinstehen, weil die Klägerin nicht über einen rechtmäßigen Voraufenthalt von mindestens acht Jahren verfüge. Die Zeit des Besitzes der Aufenthaltsbefugnis könne dem Zeitraum rechtmäßigen Aufenthalts von sieben Jahren und 10 Monaten nicht zugeschlagen werden. Bereits mit dem Wortlaut der Vorschrift wäre es kaum zu vereinbaren, dass ein Rentenbezieher, der das Bundesgebiet nach weniger als acht Jahren ohne Wiederkehroption verlasse, seine Einbeziehung in den begünstigten Personenkreis durch Anrechnung eines späteren Folgeaufenthaltes aus humanitären Gründen erreichen könne. Mit der Forderung nach einem Aufenthalt von acht Jahren vor der Ausreise knüpfe das Gesetz an die Beendigung eines integrationsrelevanten Aufenthaltes an, der zumindest einen Zusammenhang mit dem Erwerb der späteren Rentenberechtigung aufweise, die ihrerseits Voraussetzung für den Regelanspruch sei.

7 Mit ihrer Revision macht die Klägerin geltend, dass auch ein Aufenthalt aus humanitären Gründen integrationsrelevant sein könne. Die Forderung des Berufungsgerichts nach einem Zusammenhang zwischen dem integrationsrelevanten Aufenthalt und dem Erwerb der späteren Rentenberechtigung sei durch Wortlaut, Entstehungsgeschichte sowie Sinn und Zweck der Vorschrift nicht gedeckt.

8 Die Beklagte und die Beigeladene verteidigen das Berufungsurteil. Die Auffassung der Klägerin berücksichtige nicht, dass ihr Aufenthalt wegen des Bürgerkriegs zu keinem Zeitpunkt verfestigt gewesen sei. Vielmehr sei sie im August 1998 dazu verpflichtet gewesen, das Bundesgebiet zu verlassen.

II

9 Die Revision, über die der Senat im Einverständnis mit den Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entscheidet (§ 101 Abs. 2 i.V.m. § 141 Satz 1 und § 125 Abs. 1 Satz 1 VwGO), ist unbegründet. Das Berufungsgericht hat in Übereinstimmung mit revisiblem Recht (§ 137 Abs. 1 VwGO) entschieden, dass die Klägerin die Voraussetzungen des Rechts auf Wiederkehr nicht erfüllt. Grundlage für den geltend gemachten Anspruch auf Erteilung eines Visums ist § 37 Abs. 5 AufenthG (i.d.F. der Bekanntmachung vom 25. Februar 2008, BGBl I S. 162). Danach wird einem Ausländer, der von einem Träger im Bundesgebiet Rente bezieht, in der Regel eine Aufenthaltserlaubnis erteilt, wenn er sich vor seiner Ausreise mindestens acht Jahre rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten hat. Anspruchsbegründend kann auch der Bezug einer Witwenrente wirken (1.). Die Klägerin verfügt jedoch nicht über einen im Sinne der Vorschrift rechtmäßigen Voraufenthalt von mindestens acht Jahren (2.).

10 1. Der Gesetzgeber hat den Regelanspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis gemäß § 37 Abs. 5 AufenthG daran geknüpft, dass der Ausländer von einem Träger im Bundesgebiet Rente bezieht. Bereits früher war hinsichtlich des wörtlich übereinstimmenden § 16 Abs. 5 AuslG 1990 umstritten, ob dieses Tatbestandsmerkmal nur originär erworbene Rentenansprüche erfasst (so VGH Kassel, Beschluss vom 25. Februar 1993 - 12 TH 2517/92 - EzAR 26 Nr. 1; Engels, in: GK-AuslR, II-§ 16 AuslG, Stand August 1996, Rn. 130 ff.; Renner, Ausländerrecht, 8. Aufl. 2005, § 37 AufenthG Rn. 27) oder auch der Bezug einer Witwenrente ausreicht (so OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 7. Juni 2007 - 11 B 1.06 - InfAuslR 2007, 343; Hailbronner, Ausländerrecht, Stand Februar 2008, A 1 § 37 AufenthG Rn. 44; Marx, Ausländer- und Asylrecht, 2. Aufl. 2005, § 4 Rn. 181; Nr. 37.5.2 der Vorläufigen Anwendungshinweise des Bundesministeriums des Inneren zum Aufenthaltsgesetz und Freizügigkeitsgesetz/EU vom 22. Dezember 2004). Der Senat entscheidet diese Frage zugunsten der letztgenannten Auffassung.

11 Dafür spricht zunächst der uneingeschränkte Wortlaut der Vorschrift, der nicht zwischen den in § 33 SGB VI genannten Rentenarten unterscheidet und damit keinen Anhaltspunkt für eine restriktive Interpretation bietet. Dass der Gesetzgeber diese Voraussetzung bereits bei der Vorläuferregelung des § 16 Abs. 5 AuslG 1990 bewusst weit gefasst hat, lässt sich den eingeschränkt formulierten Ausnahmen von den Gründen für das Erlöschen einer Aufenthaltsgenehmigung in § 44 Abs. 1a Satz 1 Nr. 1 AuslG entnehmen. Durch Gesetz vom 29. Oktober 1997 (BGBl I S. 2584) wurden nur Ausländer nach einem Erwerbsaufenthalt von mindestens fünfzehn Jahren und bei Bezug einer Rente wegen Alters, verminderter Erwerbsfähigkeit, Arbeitsunfalls oder Berufskrankheit von der Erlöschensregelung des § 44 Abs. 1 Nr. 2 und 3 AuslG 1990 (entspricht § 51 Abs. 1 Nr. 6 und 7 AufenthG) ausgenommen. Durch die Privilegierung blieb diesen Beziehern originärer Renten das einmal erworbene Aufenthaltsrecht auch bei längeren Auslandsaufenthalten auf Dauer erhalten; sie waren nicht länger darauf angewiesen, ein Wiederkehrrecht gemäß § 16 Abs. 5 AuslG 1990 geltend machen zu müssen (vgl. die Begründung in BTDrucks 13/4948 S. 7 ff.). Der Gesetzgeber hat damit einen systematischen Zusammenhang zwischen (den Ausnahmen von) der Erlöschensregelung und dem Recht auf Wiederkehr herausgestellt. Deshalb spricht die ausdrückliche Anknüpfung an originär erworbene Rentenansprüche in § 44 Abs. 1a Satz 1 Nr. 1 AuslG 1997 im Umkehrschluss für eine weite Auslegung des in § 16 Abs. 5 AuslG 1990 verwendeten Begriffs der Rente.

12 Die historische Auslegung steht dieser Annahme nicht entgegen. Da die bisherige Regelung vom Gesetzgeber ohne weitere Begründung in das Aufenthaltsgesetz übernommen worden ist (vgl. BRDrucks 22/03 S. 192), kann auf die Materialien zu § 16 Abs. 5 AuslG 1990 zurückgegriffen werden. Nach der amtlichen Begründung zu dieser Vorschrift sollen Ausländer begünstigt werden, die im Bundesgebiet Rentenansprüche erworben haben; „sie sollen sich frei entscheiden können, wo sie die Zeit ihres Ruhestands verbringen wollen, und eine einmal getroffene Entscheidung auch wieder revidieren können“ (BTDrucks 11/6321 S. 59 f.). Auch wenn die Formulierung Ruhestand als Gegenbegriff zum Erwerbsleben in der Biographie eines Menschen eher auf den Bezug einer eigenen Rente wegen Alters hindeutet, erachtet der Senat den Typus des sich eine eigene Altersrente erarbeitenden Erwerbstätigen nur als interpretatorisches Leitbild ohne abschließende Wirkung. Zu Recht hat das Berufungsgericht den historischen Befund deshalb nicht als hinreichend angesehen, um abgeleitete Renten von vornherein aus dem Anwendungsbereich der Vorschrift auszunehmen.

13 Schließlich bedarf das Tatbestandsmerkmal „Rente“ auch keiner teleologischen Reduktion, sondern die Einbeziehung der Witwenrente entspricht Sinn und Zweck der Vorschrift. Auch wenn das Ausländern, die von einem deutschen Träger Rente beziehen, eingeräumte Recht auf Wiederkehr im Zusammenhang mit deren Beitrag in Deutschland zum Bruttosozialprodukt sowie zur Sicherung des Generationenvertrags in der gesetzlichen Rentenversicherung zu sehen ist (so VGH Kassel, Beschluss vom 25. Februar 1993 a.a.O.), deckt dieses Regelungsmotiv auch die aufenthaltsrechtliche Privilegierung der Bezieher von Witwenrenten. Denn typischerweise beruht der fehlende Erwerb eigener originärer Rentenansprüche darauf, dass ein Ehepartner wegen der Führung des Haushalts oder der Kindererziehung nicht selbst erwerbstätig war. Die normative Anerkennung dieser Leistungen für die Familie wird anlässlich einer Scheidung in der Durchführung des Versorgungsausgleichs (§§ 1587 ff. BGB) besonders deutlich. Der in diesem Fall vorzunehmende Transfer von Rentenanwartschaften lässt die Altersrente des zuvor erwerbstätigen Ehepartners durch den nichterwerbstätigen Ehepartner als gleichsam miterwirtschaftet erscheinen. Werden im Fall der Scheidung mithin originäre Rentenansprüche für den nicht erwerbstätigen Ehepartner begründet mit der Folge, dass ihm bei Vorliegen der weiteren Voraussetzungen ein Recht auf Wiederkehr zustehen kann, ist nicht ersichtlich, weshalb er nach dem Tod seines erwerbstätig gewesenen Ehepartners bei Bezug von Witwenrente aus dem Anwendungsbereich des § 37 Abs. 5 AufenthG auszunehmen sein sollte.

14 2. Die Voraussetzungen des geltend gemachten Rechts auf Wiederkehr gemäß § 37 Abs. 5 AufenthG liegen nicht vor, weil die Klägerin nicht über einen im Sinne der Vorschrift rechtmäßigen Voraufenthalt im Bundesgebiet von mindestens acht Jahren verfügt. Berücksichtigungsfähig ist ihre Aufenthaltszeit von nahezu sieben Jahren und 10 Monaten im Wege des Nachzugs zu ihrem Ehemann. Ihr späterer Aufenthalt ab Oktober 1994 aufgrund eines Besuchsvisums und der anschließend aus humanitären Gründen erteilten Aufenthaltsbefugnis kann dieser Zeit nicht hinzugerechnet werden.

15 Übereinstimmend wird vertreten, dass der rechtmäßige Voraufenthalt von mindestens acht Jahren nicht ununterbrochen angedauert haben muss (Fraenkel, Einführende Hinweise zum neuen Ausländergesetz, 1991, S. 72; Renner a.a.O., § 37 AufenthG Rn. 24; Engels a.a.O. § 16 AuslG 1990 Rn. 139; Hailbronner a.a.O. § 37 Rn. 45; Marx a.a.O. § 4 Rn. 181; Nr. 37.5.1 Satz 3 der Anwendungshinweise des BMI). Aus der Summierbarkeit von Aufenthaltszeiten folgt indes nicht zwingend, dass alle Zeiten rechtmäßigen Aufenthalts unabhängig von der Art des jeweiligen Aufenthaltstitels bzw. des Aufenthaltszwecks miteinander addiert werden können. Der Normzweck des Rechts auf Wiederkehr gebietet vielmehr eine teleologische Reduktion der aufenthaltsbezogenen Tatbestandsvoraussetzung des § 37 Abs. 5 AufenthG: Ein Recht auf Wiederkehr setzt danach voraus, dass der Ausländer nach einem rechtmäßigen Aufenthalt von acht Jahren die Voraussetzungen für ein Daueraufenthaltsrecht erfüllte, diesen Status jedoch aufgrund freier Entscheidung mit seiner Ausreise aufgegeben hat.

16 Diese Einschränkung ergibt sich aus dem bereits erwähnten systematischen Zusammenhang des § 37 AufenthG mit den Erlöschenstatbeständen für Aufenthaltstitel in § 51 Abs. 1 Nr. 6 und 7 AufenthG. Das Recht auf Wiederkehr soll das Erlöschen eines Aufenthaltstitels infolge einer Ausreise kompensieren, die auf freier Disposition des Ausländers beruhte. Es knüpft an den zuvor erreichten aufenthaltsrechtlichen Status an, der entweder bereits verfestigt war oder dessen Verfestigung allein in dem Belieben des Betroffenen stand. Es dient aber nicht dazu, dem Ausländer ein Daueraufenthaltsrecht durch unbeschränkte Akkumulation von Zeiten rechtmäßigen Aufenthalts erstmalig zu verschaffen; eine derartige Überkompensation wäre mit dem Normzweck des Rechts auf Wiederkehr unvereinbar. Die von § 37 Abs. 5 AufenthG vorausgesetzte Wahlfreiheit des Ausländers zwischen der Fortsetzung seines Aufenthalts im Bundesgebiet und seiner Ausreise ist dem aufenthaltsbezogenen Tatbestandsmerkmal immanent und schränkt dieses ein; die Korrektur erfolgt somit bereits auf der Tatbestands- und nicht erst auf der Rechtsfolgenebene bei der Differenzierung zwischen Regelfall und Ausnahme (insoweit a.A. Hailbronner a.a.O. Rn. 45; Marx a.a.O. Rn. 181; Nr. 37.5.3 Satz 1 der Anwendungshinweise des BMI).

17 Diese Auffassung wird durch die Entstehungsgeschichte des § 16 Abs. 5 AuslG 1990 gestützt. Der Regierungsentwurf knüpfte zunächst an den Besitz einer durch die Ausreise erloschenen Aufenthaltsberechtigung an (BTDrucks 11/6321 S. 9). Im Gesetzgebungsverfahren sollte der Adressatenkreis auf frühere Inhaber einer unbefristeten Aufenthaltserlaubnis erweitert werden; denn dieser in der Regel gleichermaßen integrierte und verfestigte Personenkreis sollte nicht benachteiligt werden, obwohl er möglicherweise nur aus Kostengründen oder Unwissenheit auf die Beantragung einer Aufenthaltsberechtigung verzichtet hatte (Empfehlung des Innenausschusses des Bundesrates BRDrucks 11/1/90 S. 8). Dieser Gedanke findet sich in der endgültigen Fassung der Vorschrift wieder, in der statt auf den vor der Ausreise besessenen Aufenthaltstitel auf die Dauer des früheren Aufenthalts von mindestens acht Jahren (vgl. BTDrucks 11/6960 S. 22) und damit die für eine Aufenthaltsberechtigung gemäß § 27 Abs. 2 Nr. 1 Buchst. a AuslG 1990 notwendige Aufenthaltsdauer abgestellt wurde. Mit der Abkehr vom Erfordernis eines bestimmten Aufenthaltstitels war demzufolge keine grundlegende konzeptionelle Änderung des Rechts auf Wiederkehr verbunden, sondern wurde der Sache nach lediglich dem Anliegen des Innenausschusses des Bundesrates Rechnung getragen (Sieveking, in: Barwig u.a., Das neue Ausländerrecht, 1991, S. 149 <153>). Dieser Befund rechtfertigt die teleologische Reduktion der Vorschrift bereits auf der Ebene der Tatbestandsvoraussetzung des mindestens acht Jahre rechtmäßigen Voraufenthalts im Bundesgebiet.

18 Der zweite Aufenthalt der Klägerin im Bundesgebiet aufgrund des ihr erteilten Besuchsvisums und der ihr anschließend aus humanitären Gründen erteilten Aufenthaltsbefugnis war weder nach Ablauf der ihr noch fehlenden zwei Monate noch im Zeitpunkt ihrer Ausreise im Hinblick auf das Recht auf Wiederkehr gemäß § 37 Abs. 5 AufenthG verfestigt oder auch nur verfestigungsfähig. Die Fortsetzung ihres Aufenthalts in Deutschland lag nicht in der freien Entscheidung der Klägerin, sondern war abhängig von der Entwicklung der Bürgerkriegssituation in ihrem Herkunftsland. Als sie nach Ablauf der Aufenthaltsbefugnis im August 1998 das Bundesgebiet verließ, entsprach das nicht ihrer Disposition, sondern sie hat ihre Ausreisepflicht erfüllt. Deshalb kann der Aufenthaltszeitraum zwischen 1994 und 1998 für das begehrte Visum auf der Grundlage des § 37 Abs. 5 AufenthG nicht berücksichtigt werden.

19 Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 und 2, § 162 Abs. 3 VwGO.
Eckertz-Höfer Prof. Dr. Dörig Richter