Urteil vom 04.05.2006 -
BVerwG 1 D 13.05ECLI:DE:BVerwG:2006:040506U1D13.05.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Urteil vom 04.05.2006 - 1 D 13.05 - [ECLI:DE:BVerwG:2006:040506U1D13.05.0]

Urteil

BVerwG 1 D 13.05

  • VG Lüneburg - 05.07.2005 - AZ: VG 7 A 6/05

In dem Disziplinarverfahren hat das Bundesverwaltungsgericht, Disziplinarsenat,
in der nichtöffentlichen Hauptverhandlung am 4. Mai 2006,
an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesverwaltungsgericht Albers,
Richterin am Bundesverwaltungsgericht Heeren,
Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Heitz,
Postoberinspektorin Meyer,
und Oberwerkmeister Wojak
als ehrenamtliche Richter
sowie
Postoberrätin ...,
als Vertreterin der Einleitungsbehörde,
Rechtsanwältin ...,
als Verteidigerin
und
...
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,
für Recht erkannt:

  1. Auf die Berufung des Technischen Fernmeldeobersekretärs ... wird das Urteil des Verwaltungsgerichts ... vom 5. Juli 2005 aufgehoben.
  2. Das Verfahren wird eingestellt.
  3. Die Kosten des Verfahrens einschließlich der dem Beamten hierin erwachsenen notwendigen Auslagen werden dem Bund auferlegt.

Gründe

I

1 1. Der ... Beamte war vom 27. März 1995 bis 31. Dezember 1996 von der Niederlassung U. der Einleitungsbehörde zu den Niederlassungen M. und P. abgeordnet. In der Zeit vom 19. September 1995 bis 31. Dezember 1996 leistete er Dienst in L. in der Nähe von G.

2 Mit Anschuldigungsschrift vom 7. Mai 2004 hat die Einleitungsbehörde dem Beamten zur Last gelegt, dadurch ein Dienstvergehen begangen zu haben, dass er
während seiner Abordnung vom Fernmeldeamt U. zum Fernmeldeamt M. in der Zeit vom 19. September 1995 bis 31. Mai 1996 in neun Fällen wahrheitswidrige Angaben über Mietkosten gemacht und hierüber bei der Einleitungsbehörde Mietquittungen vorgelegt habe, die lediglich zum Schein aus Gefälligkeit ausgestellt worden seien, wodurch er eine Überzahlung in einer Gesamthöhe von 15 594 DM (8 097,56 €) zu Lasten der Einleitungsbehörde erreicht und das auf diese Weise erlangte Geld unrechtmäßig vereinnahmt habe.

3 2. Das Verwaltungsgericht hat zunächst durch Urteil vom 30. November 2004 eine Zurückstufung des Beamten zum Technischen Fernmeldesekretär ausgesprochen. Nach Zurückverweisung der Sache (Beschluss vom 24. Februar 2005 - BVerwG 1 D 1.05 -) hat es den Beamten durch Urteil vom 5. Juli 2005 aus dem Dienst entfernt und ihm einen Unterhaltsbeitrag in Höhe von 75 v.H. seines erdienten Ruhegehaltes für die Dauer von sechs Monaten bewilligt. In den Urteilsgründen heißt es:

4 Der Beamte habe durch Vorlage von insgesamt neun von dem Zeugen H. unterschriebenen Quittungen über Mietzahlungen vorgetäuscht, er habe von diesem Zeugen im Anschuldigungszeitraum eine Wohnung in G. für monatlich 1 500 DM gemietet. Der Zeuge H. habe in G. keine Wohnung besessen. Er habe die Unterschriften geleistet, um dem Beamten einen Gefallen zu tun. Während der Arbeitswochen habe der Beamte nicht in X. übernachtet; er sei nicht täglich zwischen X. und L. gependelt. Vielmehr habe er X. montags mit seinem Pkw verlassen und sei freitags dorthin zurückgekehrt. Nach Aufnahme seines Dienstes in L. am 19. September 1995 habe der Beamte höchstens sieben Wochen im Haus der Zeugin Erna B. in G., Straße ..., gewohnt. Er habe dort regelmäßig viermal pro Woche übernachtet und hierfür 30 DM pro Übernachtung an die Zeugin bezahlt. Es habe nicht festgestellt werden können, wo der Beamte danach bis Ende Mai 1996 gewohnt habe. Daher habe er den ihm obliegenden Nachweis nicht erbracht, dass ihm für diese Zeit Übernachtungsgeld zugestanden habe. Ziehe man den an die Zeugin B. gezahlten Betrag von höchstens 840 DM (30 DM x 4 Nächte x 7 Wochen) von den ausgezahlten 12 750 DM ab, so habe der Beamte durch seine wahrheitswidrigen Angaben einen Betrag von 11 910 DM erschlichen. Durch sein betrügerisches Vorgehen habe der Beamte vorsätzlich gegen seine Pflicht zu achtungs- und vertrauenswürdigem Verhalten gemäß § 54 Satz 3 BBG verstoßen. Die Schwere des Dienstvergehens erfordere seine Entfernung aus dem Dienst. Dabei seien die Eigennützigkeit des Handelns, die Schadenshöhe von mehr als 10 000 DM sowie Dauer und Häufigkeit der Pflichtverletzungen erschwerend zu berücksichtigen. Das Urteil ist der Verteidigerin des Beamten am 20. Juli 2005 zugestellt worden.

5 3. Mit der am 22. August 2005 (Montag) beim Verwaltungsgericht eingegangenen Berufung hält der Beamte seine erstinstanzliche Behauptung, er habe während des gesamten Anschuldigungszeitraums im Haus der Zeugin Erna B. gewohnt, nicht mehr aufrecht. Stattdessen trägt er vor, er sei von dort Anfang 1996 in eine Wohnung im Haus des Zeugen L. in G., ...-Straße ..., umgezogen. Dort habe er bis zum Ende seiner Abordnung am 31. Dezember 1996 für eine Monatsmiete von 1 200 DM gewohnt.

II

6 Die Berufung des Beamten hat Erfolg. Das förmliche Disziplinarverfahren ist unter Aufhebung des erstinstanzlichen Urteils einzustellen (§§ 86, 76 Abs. 3 Satz 1, § 64 Abs. 1 Nr. 1 BDO).

7 Das gerichtliche Disziplinarverfahren ist auch nach Inkrafttreten des Bundesdisziplinargesetzes am 1. Januar 2002 nach den Verfahrensregeln und -grundsätzen der Bundesdisziplinarordnung fortzuführen (§ 85 Abs. 1, 3 und 7 BDG; zum Übergangsrecht Urteil vom 20. Februar 2002 - BVerwG 1 D 19.01 - NVwZ 2002, 1515). Die bei der Einleitungsbehörde beschäftigten Bundesbeamten unterliegen hinsichtlich ihrer beruflichen Tätigkeit den Regeln über den beamtenrechtlichen Dienst und damit dem Disziplinarrecht (Urteil vom 20. August 1996 - BVerwG 1 D 80.95 - BVerwGE 103, 375 <377 f.>).

8 1. Die Berufung ist form- und fristgerecht gemäß § 80 Abs. 1 Satz 1, § 81 Satz 1, § 82 BDO eingelegt worden und damit zulässig. Der Eingang der Berufungsschrift beim Verwaltungsgericht am 22. August 2005 hat die Berufungsfrist von einem Monat gewahrt. Diese Frist hat mit der Zustellung des angefochtenen Urteils an die Verteidigerin am 20. Juli 2005 zu laufen begonnen (§ 23a Abs. 1, Abs. 2 Satz 1 BDO). Dass dem Beamten entgegen § 23a Abs. 2 Satz 1 BDO nicht formlos eine Abschrift des Urteils übersandt worden ist, lässt die Wirksamkeit der Zustellung unberührt (vgl. Urteil vom 8. Juni 2005 - BVerwG 1 D 3.04 - juris Rn. 10). Da der letzte Tag der Frist (20. August 2005) auf einen Samstag fiel, lief die Berufungsfrist erst am Montag, den 22. August 2005 ab (§ 25 BDO, § 43 Abs. 1 und 2 StPO).

9 2. Die Berufung ist unbeschränkt eingelegt, sodass der Senat den Sachverhalt selbst festzustellen und disziplinarrechtlich zu würdigen hat.

10 a) Aufgrund der Vernehmung der Zeugen L., Erna B. und Anke B., der zum Gegenstand der Hauptverhandlung gemachten Beweismittel und der Einlassungen des Beamten, soweit ihnen gefolgt werden kann, geht der Senat von folgendem Sachverhalt aus:

11 Der Beamte reichte bei der Festsetzungsstelle für den Zeitraum vom 19. September 1995 bis 31. Mai 1996 insgesamt neun von dem Zeugen H. unterschriebene Quittungen als Belege für vermeintlich angefallene Mietkosten ein. Daraus ging hervor, dass der Beamte dem Zeugen H. für September 1995 750 DM und für Oktober 1995 bis Mai 1996 jeweils monatlich 1 500 DM Miete für eine Wohnung in G. bezahlte. Dies entsprach nicht der Wahrheit: Der Zeuge H. besaß in G. keine Wohnung. Er hatte die Quittungen entweder blanko oder nach Ausfüllen durch den Beamten auf dessen Bitten aus Gefälligkeit unterschrieben, wobei er wusste, wofür sie der Beamte verwenden wollte. Aufgrund der Quittungen erhielt der Beamte die angegebenen Beträge, insgesamt 12 750 DM als Mietkostenerstattung (Übernachtungsgeld).

12 Dieser Sachverhalt steht aufgrund der Aussage des Zeugen H. vom 28. Januar 2004 vor dem Untersuchungsführer und der Einlassungen des Beamten im gerichtlichen Verfahren zur Überzeugung des Senats fest. Der Beamte hat den Sachverhalt eingeräumt.

13 Nach Aufnahme des Dienstes in L. am 19. September 1995 bewohnte der Beamte zunächst für einige Zeit eine Wohnung im Haus der Zeugin Erna B. in G., Straße ... Dort übernachtete er während der Arbeitswochen, d.h. von der Nacht von Montag auf Dienstag bis zur Nacht von Donnerstag auf Freitag, soweit er nicht Urlaub oder Dienstbefreiung hatte. Die Wochenenden verbrachte er bis Montagmorgen zu Hause in X. Der Beamte bezahlte an die Zeugin Erna B. für jede Übernachtung einen Betrag von 30 bis 35 DM.

14 Dieser Sachverhalt steht aufgrund der inhaltlich übereinstimmenden Aussagen der Eltern des Beamten (Zeugen ... S.) und des in X. im Nachbarhaus wohnenden Onkels des Beamten (Zeuge P.) sowie der Aussagen des Zeugen J. in der erstinstanzlichen Hauptverhandlung und der Zeugin Erna B. zur Überzeugung des Senats fest.

15 Die Zeugen S. und P. haben klar und unmissverständlich angegeben, dass der Beamte während der Arbeitswochen nicht in X. gewesen sei. Er habe X. am Montagmorgen verlassen und sei zum Wochenende zurückgekehrt. Anhaltspunkte, die Anlass zu Zweifeln an der Richtigkeit dieser Angaben geben könnten, sind weder dargetan worden noch sonst ersichtlich. Weder das enge Verhältnis der Zeugen zu dem Beamten noch die Krankheit der beiden Eltern sind für sich genommen geeignet, ihre Glaubwürdigkeit in Frage zu stellen. Der Zeuge J. ist sich sicher gewesen, in Wintermonaten eine Zeit lang gleichzeitig mit dem Beamten im Haus des Zeugen L. in G., ... Straße ..., gewohnt zu haben. Als er den Dienstort Ende 1996 verlassen habe, habe er in einer anderen Unterkunft gewohnt. Als Zeit dieser gemeinsamen Unterbringung kommt nur der Winter 1995/96 in Betracht, weil sich die Abordnungen des Beamten von März 1995 bis Dezember 1996 erstreckt haben. Schließlich hat auch die Zeugin Erna B. vor dem Senat erneut ausgeführt, der Beamte habe während der Arbeitswochen bei ihr übernachtet. Zur Höhe des Entgelts hat sich die Zeugin vor dem Senat sicher gezeigt, nur die einzelnen Übernachtungen wöchentlich oder zweiwöchentlich abgerechnet und hierfür 30 bis 35 DM pro Nacht verlangt sowie jeweils entsprechende Quittungen ausgestellt zu haben. Die Zeugin hat mit Bestimmtheit versichert, sich an die Abrechnungsweise und die „Übernachtungspreise“ zweifelsfrei zu erinnern. Ihre Angaben hält der Senat aufgrund des Aussageverhaltens der Zeugin und des Eindrucks, den er von ihr gewonnen hat, für glaubhaft.

16 b) Dagegen steht nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme, den Einlassungen des Beamten und der Würdigung der übrigen be- und entlastenden Beweismittel weder zur Überzeugung des Senats fest, wie lange der Beamte bei der Zeugin Erna B. gewohnt hat noch wo er danach bis Ende Mai 1996 untergebracht war. Zwar bestehen ernstliche Zweifel an der Richtigkeit seines Vortrags im Berufungsverfahren, wonach er nach Aufnahme des Dienstes in L. am 19. September 1995 bis Anfang 1996 im Haus der Zeugin Erna B. gewohnt haben will, um im Anschluss daran in eine Wohnung im Haus des Zeugen L. einzuziehen. Diese Darstellung kann dem Beamten aber nicht mit Gewissheit widerlegt werden, weil für sie immerhin einige Anhaltspunkte sprechen:

17 Die Glaubhaftigkeit des Vortrags zur Dauer des Aufenthalts im Haus der Zeugin Erna B. begegnet schon deshalb Bedenken, weil er in Widerspruch zum erstinstanzlichen Vortrag steht. Der Beamte hat bis zum Schluss der Hauptverhandlung vor dem Verwaltungsgericht daran festgehalten, er habe bis Ende Mai 1996, d.h. während des gesamten Anschuldigungszeitraums von achteinhalb Monaten bei der Zeugin Erna B. gewohnt. Andererseits lässt sich die Richtigkeit des neuen Vortrags aufgrund der Angaben der Zeugin Erna B. vor dem Senat nicht ohne vernünftigen Zweifel ausschließen. Die Zeugin hat nunmehr zur Dauer des Aufenthalts des Beamten in ihrem Haus erklärt, sie könne sich nicht näher erinnern, es könnten auch ein Vierteljahr oder vier Monate gewesen sein. Hiervon ist die Zeugin auf den Vorhalt, vor dem Verwaltungsgericht habe sie sich auf eine Zeitspanne von höchstens sieben Wochen festgelegt, nicht abgerückt. Der Senat schließt aus dem Aussageverhalten der Zeugin und dem von ihr gewonnenen Eindruck, dass sie ihre Angaben auch zu dieser Frage nach bestem Wissen und Gewissen gemacht hat. Die Unterschiede können darauf zurückzuführen sein, dass seitdem rund zehn Jahre vergangen sind und die Zeugin bei ihrer erstinstanzlichen Vernehmung womöglich aufgefordert worden ist, sich hinsichtlich der Zeitspanne festzulegen und ihr dabei nur die Alternative von achteinhalb Monaten gegenübergestellt worden sein mag. Weitere Hinweise auf die Dauer der Unterbringung, denen der Senat hätte nachgehen können, sind nicht ersichtlich.

18 Auch an der Richtigkeit des Berufungsvortrags des Beamten, er habe Anfang 1996 eine Wohnung im Haus des Zeugen L. bezogen, bestehen ernstliche Zweifel. Dies folgt zum einen aus dem Widerspruch zum erstinstanzlichen Vortrag, zum anderen aus dem Umstand, dass der Beamte für die Zeit von Januar bis Mai 1996 keine mit dem Namen „L.“ unterzeichneten Mietquittungen vorgelegt hat. Dies ist nicht nachvollziehbar, weil der Beamte für die nachfolgenden Monate von der damaligen Lebensgefährtin des Zeugen L., der Zeugin Anke B. Quittungen über monatliche Mietzahlungen von 1 200 DM erhalten hat. Die Zeugin Anke B. hat sich damals um die Wohnungsvermietungen im Haus des Zeugen L. gekümmert und hat die Quittungen für die Monate Juni bis Dezember 1996 mit „L.“ unterschrieben. Der Beamte hat nicht davon berichtet, dass es mit ihr Schwierigkeiten in Bezug auf die Ausstellung von Mietquittungen gegeben hat. Die Zeugin hat angegeben, Mietzahlungen stets quittiert zu haben. Weiterhin hat der Beamte nicht plausibel zu erklären vermocht, warum er Mietkosten von monatlich 1 500 DM geltend gemacht hat, obwohl ihm Kosten in Höhe von 1 200 DM entstanden sein sollen. Der Hinweis, dies habe seinen Grund in familiären Problemen gehabt, überzeugt den Senat nicht. Demgegenüber spricht für die Darstellung des Beamten die Aussage des Zeugen J., wonach er und der Beamte im Winter eine Zeit lang gleichzeitig im Anwesen L. gewohnt haben. Wie unter 2.a) dargestellt kann es sich dabei nur um den Winter 1995/96 gehandelt haben. Zudem deutet die vorgelegte Schadensanzeige an die Kfz-Versicherung darauf hin, dass der Beamte jedenfalls vor dem 1. Juni 1996 eine Wohnung im Haus des Zeugen L. bezogen hat. Auch für den Zeitpunkt des Einzugs in diese Wohnung haben sich keine weiteren Hinweise ergeben, denen der Senat hätte nachgehen können. An den ein oder zwei ausnahmsweise auf einen Werktag fallenden Volleyballpunktspielen des von ihm als Trainer betreuten Vereins in X., an denen der Beamte mitwirkte, hatte er sich Urlaub genommen. Auch daraus lässt sich daher nichts zur Widerlegung der Wohnungsnahme in G. herleiten. Die Laufleistung von 15 000 km, die sich aus der Schadensanzeige für die Zeit von Oktober 1995 bis April 1996 ergibt, spricht auch eher dagegen, dass der Beamte werktäglich nach X. gependelt wäre.

19 Hinsichtlich der im Ungewissen gebliebenen tatsächlichen Umstände findet der Grundsatz Anwendung, dass im Zweifel zugunsten des Beamten zu entscheiden ist („in dubio pro reo“). Dieser - im Rechtsstaatsprinzip gemäß Art. 20 Abs. 1 und 3 GG und im Gebot freier richterlicher Überzeugungsbildung gemäß § 75 Abs. 2 Satz 2 BDO verankerte - Grundsatz fordert, dass nur solche den Beamten belastende Umstände bei der Entscheidungsfindung berücksichtigt werden, an denen nach richterlicher Überzeugung kein vernünftiger Zweifel besteht. Daraus folgt, dass die dem Beamten günstigste Tatsachengestaltung zugrunde gelegt werden muss, die sich nicht sicher ausschließen lässt, weil hinreichende Anhaltspunkte für ihre Richtigkeit vorhanden sind (Urteile vom 13. Dezember 1979 - BVerwG 1 D 104.78 - BVerwGE 63, 319 <321 f.>; vom 30. September 1992 - BVerwG 1 D 32.91 - BVerwGE 93, 294 <297>; vom 21. Juni 2000 - BVerwG 1 D 49.99 - juris Rn. 17 und vom 3. Juli 2003 - BVerwG 1 WD 3.03 - Buchholz 235.01 § 91 WDO 2002 Nr. 1).

20 Nach alledem muss der Senat bei der disziplinarrechtlichen Würdigung des Sachverhalts davon ausgehen, dass der Beamte zunächst vier Monate im Haus der Zeugin Erna B. und anschließend ununterbrochen im Haus des Zeugen L. gewohnt hat.

21 3. Diese Würdigung ergibt, dass der Beamte vorsätzlich ein Dienstvergehen gemäß § 77 Abs. 1 Satz 1 BBG begangen hat, weil er in neun Fällen vorsätzlich gegen seine Dienstpflichten zur uneigennützigen Amtsführung (§ 54 Satz 2 BBG) und zu achtungs- und vertrauenswürdigem Verhalten gemäß § 54 Satz 3 BBG verstoßen hat. Der Beamte hat einen innerdienstlichen Betrug begangen.

22 Zu den von § 54 Satz 3 BBG erfassten Verhaltensanforderungen gehört die Pflicht, in dienstlichen Angelegenheiten wahrheitsgemäße Angaben zu machen (Urteil vom 18. Dezember 1980 - BVerwG 1 D 89.79 - BVerwGE 73, 121 <122>; stRspr). Der Beamte ist von der Verpflichtung, seine trennungsgeldrechtlich bedeutsamen Verhältnisse richtig und vollständig anzugeben, nicht deshalb entbunden gewesen, weil die Bewilligungspraxis sehr großzügig gewesen ist. Diese Praxis hat sich nur auf die Höhe der anerkennungsfähigen Kosten bezogen. Sie hat nicht zu wahrheitswidrigen Angaben und zur Vorlage fingierter Belege berechtigt. Dass er wahrheitsgemäße Angaben gemacht hat, ist vom Beamten auch mit jedem Erstattungsantrag versichert worden.

23 Der Beamte hat die inhaltlich falschen Quittungen vorgelegt, um sich Vermögensvorteile zu Lasten der Einleitungsbehörde zu verschaffen. Er hat jedenfalls insoweit in betrügerischer Absicht gehandelt, als die an ihn ausgezahlten Beträge nicht durch trennungsgeldrechtliche Ansprüche gedeckt gewesen sind. In diesem Umfang hat er vorsätzlich einen Vermögensschaden der Einleitungsbehörde herbeigeführt (Urteil vom 22. Februar 2005 - BVerwG 1 D 30.03 - juris; vgl. zu § 263 StGB BGH, Beschluss vom 2. Dezember 1982 - 1 StR 476/82 - NJW 1983, 2646 <2648>). Dabei ist nur derjenige Schaden zu berücksichtigen, der sich aus dem zur Überzeugung des Senats feststehenden Sachverhalt ergibt. Nach dem Grundsatz „in dubio pro reo“ dürfen sich die tatsächlichen Ungewissheiten auch bei der Ermittlung der Schadenshöhe nicht zu Lasten des Beamten auswirken. Danach kann dem Beamten die Verursachung eines Schadens von rund 5 000 DM nachgewiesen werden. Dies ergibt sich aus folgenden Erwägungen:

24 Nach dem Grundsatz „in dubio pro reo“ ist für die Schadensermittlung zu unterstellen, dass der Beamte ab dem 19. September 1995 zunächst entsprechend den Angaben der Zeugin Erna B. vier Monate lang in deren Haus gewohnt hat. Hierfür hat er nach Überzeugung des Senats 30 bis 35 DM pro Übernachtung bezahlt. Weiter ist zu unterstellen, dass er danach bis zum 31. Mai 1996 ununterbrochen für eine Monatsmiete von 1 200 DM in einer Wohnung im Haus des Zeugen L. gewohnt hat. Daraus ergeben sich mögliche Mietzahlungen von ungefähr 7 640 DM, nämlich von ungefähr 2 240 DM an die Zeugin Erna B. (35 DM x 4 Wochentage x 4 Wochen x 4 Monate) und von ungefähr 5 400 DM (1 200 DM x 4,5 Monate) an die Zeugen L. und Anke B. In Höhe dieses Gesamtbetrages von ungefähr 7 640 DM lässt sich nicht ausschließen, dass die Mietkostenerstattung (Übernachtungsgeld) von 12 750 DM durch trennungsgeldrechtliche Ansprüche des Beamten gedeckt gewesen ist. Danach beläuft sich der nachgewiesene Schaden auf ca. 5 110 DM (12 750 DM abzüglich von ungefähr 7 640 DM).

25 Im Falle eines Wohnungswechsels bereits Anfang Januar 1996 wäre ein Schaden von ungefähr 4 790 DM entstanden. Dieser Betrag ist die Differenz zwischen dem ausgezahlten Betrag von 12 750 DM und der Summe möglicher Erstattungsansprüche des Beamten von ungefähr 7 960 DM. Auf der Grundlage seines Berufungsvorbringens hätte er dann an die Zeugin Erna B. ungefähr 1 960 DM (35 DM x 4 Wochentage x 4 Wochen x 3,5 Monate), an die Zeugen L. und Anke B. 6 000 DM (1 200 DM x 5 Monate) bezahlt.

26 Kann das Vorbringen des Beamten zu seinen Wohnverhältnissen während des Anschuldigungszeitraums nicht widerlegt werden, so ist auch nicht erwiesen, dass er Trennungstagegelder, Reisebeihilfen für Familienheimfahrten und die besondere Aufwandsentschädigung zu Unrecht erhalten hat: Der Anspruch auf das pauschalierte Trennungstagegeld besteht bereits dann, wenn der trennungsgeldberechtigte Beamte eine Wohnung am Dienstort unterhält und ihm eine tägliche Rückkehr zum Wohnort nicht zuzumuten ist (vgl. § 3 Abs. 1 und 2 Trennungsgeldverordnung - TGV - in der hier maßgeblichen Fassung vom 28. Dezember 1994, BGBl I 1995, 2). Gleiches gilt für die pauschalierte Aufwandsentschädigung (vgl. Richtlinie des Bundesministeriums des Innern vom 2.  Dezember 1994 - D II 4 - 221 170/36 -). Auch Reisebeihilfen für Familienheimfahrten stehen trennungsgeldberechtigten Beamten dem Grunde nach zu, wenn sie eine Wohnung am Dienstort unterhalten (§ 5 Abs. 1, § 3 Abs. 1 TGV).

27 4. Das dem Beamten nachgewiesene vorsätzliche Dienstvergehen wiegt nicht so schwer, dass die vom Verwaltungsgericht ausgesprochene Entfernung aus dem Dienst (§ 11 BDO) gerechtfertigt ist.

28 Welche Disziplinarmaßnahme angemessen ist, richtet sich nach der Schwere des Dienstvergehens unter angemessener Berücksichtigung der Persönlichkeit des Beamten (vgl. nunmehr § 13 Abs. 1 Satz 2 und 3 BDG). Die Entfernung aus dem Dienst setzt voraus, dass der Beamte durch ein schweres Dienstvergehen das Vertrauen des Dienstherrn oder der Allgemeinheit endgültig verloren hat (vgl. nunmehr § 13 Abs. 2 Satz 1 BDG). Die Schwere des Dienstvergehens beurteilt sich nach den objektiven und subjektiven Handlungsmerkmalen der Verfehlung, den besonderen Umständen der Tatbegehung und den unmittelbaren Folgen für den dienstlichen Bereich und für Dritte (Urteil vom 20. Oktober 2005 - BVerwG 2 C 12.04 - NVwZ 2006, 469).

29 In Fällen des innerdienstlichen Betrugs zum Nachteil des Dienstherrn ist der Beamte in der Regel aus dem Dienst zu entfernen, wenn im Einzelfall Erschwerungsgründe vorliegen, denen keine Milderungsgründe von solchem Gewicht gegenüberstehen, dass eine Gesamtbetrachtung nicht den Schluss rechtfertigt, der Beamte habe das Vertrauen endgültig verloren. Je gravierender die Erschwerungsgründe in ihrer Gesamtheit zu Buche schlagen, desto gewichtiger müssen die Milderungsgründe sein, um davon ausgehen zu können, dass noch ein Rest an Vertrauen zum Beamten vorhanden ist. Erschwerungsgründe können sich z.B. aus Anzahl und Häufigkeit der Betrugshandlungen, der Höhe des Gesamtschadens, der missbräuchlichen Ausnutzung der dienstlichen Stellung oder dienstlich erworbener Kenntnisse sowie daraus ergeben, dass die Betrugshandlungen im Zusammenhang mit weiteren Verfehlungen von erheblichem disziplinarischen Eigengewicht, z.B. mit Urkundenfälschungen stehen (Urteile vom 28. November 2000 - BVerwG 1 D 56.99 - Buchholz 232 § 54 Satz 2 BBG Nr. 23; vom 26. September 2001 - BVerwG 1 D 32.00 - Buchholz 232 § 77 BBG Nr. 18 und vom 22. Februar 2005 a.a.O.; Beschluss vom 14. Juni 2005 - BVerwG 2 B 108.04 - NVwZ 2005, 1199 <1200>). Aus der Senatsrechtsprechung lässt sich der Grundsatz ableiten, dass bei einem Gesamtschaden von über 10 000 DM bzw. 5 000 € die Entfernung aus dem Dienst ohne Hinzutreten weiterer Erschwerungsgründe gerechtfertigt sein kann (Beschluss vom 24. Februar 2005 - BVerwG 1 D 1.05 - m.w.N.).

30 Im vorliegenden Fall liegt der allein zu berücksichtigende nachgewiesene Schaden mit rund 5 000 DM deutlich unter der Grenze von 10 000 DM. Auch fallen dem Beamten keine Urkundenfälschungen gemäß § 267 StGB zur Last, weil der Zeuge H. die Quittungsformulare in Kenntnis der Verwendungsabsichten des Beamten entweder blanko oder vollständig ausgefüllt unterschrieben hat. Anhaltspunkte für sonstige Erschwerungsgründe liegen nicht vor. Danach ist eine Entfernung aus dem Dienst bei den Zumessungserwägungen nicht in Betracht zu ziehen.

31 Durch das nachgewiesene Dienstvergehen hat der Beamte die Disziplinarmaßnahme der Versetzung in ein Amt derselben Laufbahn mit geringerem Endgrundgehalt (§ 10 Abs. 1 Satz 1 BDO) verwirkt. Dieser an sich gebotenen Zurückstufung steht aber entgegen, dass sich der Beamte im Eingangsamt seiner Laufbahn befindet. Das von ihm bekleidete Amt „Technischer Fernmeldeobersekretär (Besoldungsgruppe A 7)“ ist durch § 4 Abs. 2 Nr. 2 der Verordnung über die Laufbahnen, Ausbildung und Prüfung für die bei der Einleitungsbehörde beschäftigten Beamten vom 21. Juni 2004 - LAP-TelekomV 2004 - (BGBl I, 1287) als Eingangsamt der Laufbahn des mittleren Fernmeldetechnischen Dienstes bestimmt worden.

32 Auch eine langfristige Gehaltskürzung (§ 9 Abs. 1 BDO) als nächst mildere Disziplinarmaßnahme kann nicht verhängt werden, weil insoweit gemäß § 4 Abs. 2 BDO Verfolgungsverjährung eingetreten ist. Denn bei Einleitung des förmlichen Disziplinarverfahrens durch Verfügung vom 13. Dezember 2001 waren mehr als drei Jahre seit Beendigung des Dienstvergehens (31. Mai 1996) verstrichen (Beschluss vom 24. Februar 2005 a.a.O). Daher ist das förmliche Disziplinarverfahren aus Rechtsgründen unzulässig, so dass es gemäß §§ 86, 76 Abs. 3 Satz 1, § 64 Abs. 1 Nr. 1 BDO eingestellt werden muss.

33 Die Kostenentscheidung beruht auf § 113 Abs. 3 und 4 BDO.