Beschluss vom 01.11.2007 -
BVerwG 4 BN 43.07ECLI:DE:BVerwG:2007:011107B4BN43.07.0

Beschluss

BVerwG 4 BN 43.07

  • Hamburgisches OVG - 06.06.2007 - AZ: OVG 2 E 6/01.N

In der Normenkontrollsache hat der 4. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 1. November 2007
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Paetow,
den Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Jannasch und
die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Philipp
beschlossen:

  1. Die Beschwerde der Antragstellerin gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Hamburgischen Oberverwaltungsgerichts vom 6. Juni 2007 wird zurückgewiesen.
  2. Die Antragstellerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
  3. Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 20 451,68 € (40 000 DM) festgesetzt.

Gründe

1 Die auf sämtliche Zulassungsgründe des § 132 Abs. 2 VwGO gestützte Beschwerde bleibt ohne Erfolg.

2 1. Eine die Revision gemäß § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO eröffnende Divergenz hat die Beschwerde nicht hinreichend bezeichnet. Hierfür muss ein inhaltlich bestimmter, die angefochtene Entscheidung tragender abstrakter Rechtssatz benannt werden, mit dem die Vorinstanz einem in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts aufgestellten ebensolchen die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts tragenden Rechtssatz in Anwendung derselben Rechtsvorschrift widersprochen hat (Beschluss vom 19. August 1997 - BVerwG 7 B 261/97 - NJW 1997, 3328).

3 1.1 Die Beschwerde meint, das Oberverwaltungsgericht sei von der Rechtsprechung des Senats abgewichen, dass der Erforderlichkeitsmaßstab des § 1 Abs. 3 BauGB nicht nur für den Anlass und den Zeitpunkt der Planung gelte, sondern ganz allgemein insbesondere auch für den Umfang und Inhalt der planerischen Darstellungen und Festsetzungen; jede einzelne Darstellung oder Festsetzung sei an diesem Maßstab zu messen (vgl. Urteile vom 25. November 1999 - BVerwG 4 CN 17.98 - BRS 62 Nr. 26 S. 140 und vom 6. Juni 2002 - BVerwG 4 CN 4.01 - BVerwGE 116, 296 <303>). Einen hiervon abweichenden Rechtssatz der angefochtenen Entscheidung benennt die Beschwerde nicht. Das Oberverwaltungsgericht hat einen solchen Rechtssatz auch weder ausdrücklich noch konkludent aufgestellt. Es hat die Festsetzung des Gewerbegebiets vielmehr insgesamt, d.h. auch die Zulassung von Großhandelsbetrieben und den Ausschluss von Einzelhandelsbetrieben einschließlich des Versandhandels, aber mit Ausnahme des flächenintensiven Einzelhandels auf den mit „A“ bezeichneten Flächen, durch das städtebauliche Ziel der Antragsgegnerin, das Harburger Zentrum zu schützen und das Gewerbegebiet Betrieben vorzubehalten, die auf eine Ansiedlung in einem Gewerbegebiet angewiesen sind (UA S. 14), als gerechtfertigt angesehen (vgl. UA S. 15, 16, 18).

4 1.2 Die Beschwerde macht weiter geltend, dass das angefochtene Urteil von dem Urteil des Senats vom 5. Juli 1974 - BVerwG 4 C 50.72 - (BVerwGE 45, 309) abweiche. Dieses Urteil enthält den Rechtssatz, dass eine Abwägung, die deshalb unvollständig ist, weil ihr planerische, sich aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen bindend auswirkende Festlegungen vorangegangen sind, grundsätzlich nicht dem Abwägungsgebot entspricht. Die hiermit unvereinbare Auffassung, dass Vorabfestlegungen nur dann zu einem Abwägungsdefizit führen können, wenn sie aus rechtlichen Gründen bindend wirken, liegt dem angefochtenen Urteil nicht zugrunde. Das Oberverwaltungsgericht hat auch eine unzulässige tatsächliche Bindung der Bezirksversammlung durch die Empfehlungen des Senatsbeauftragten für das Wohnungswesen, den Schriftwechsel zwischen der Wohnungsbaufirma und den beteiligten Behörden und das Gespräch zwischen der Behördenspitze der Stadtentwicklungsbehörde und der Wohnungsbaufirma verneint (UA S. 21). Die Kritik der Beschwerde an dieser Sachverhaltswürdigung ist nicht geeignet, eine Divergenz im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO darzulegen.

5 2. Als Verfahrensmangel rügt die Beschwerde einen Verstoß gegen den Anspruch auf rechtliches Gehör (§ 108 Abs. 2 VwGO) und das Gebot, in dem Urteil die Gründe anzugeben, die für die richterliche Überzeugung leitend gewesen sind (§ 108 Abs. 1 Satz 2 VwGO). Sie meint, dass das Oberverwaltungsgericht nicht auf den Vortrag der Antragstellerin eingegangen sei, dass die Zulässigkeit von Großhandelsbetrieben und flächenintensivem Einzelhandel nicht mit der städtebaulichen Zielsetzung vereinbar sei, einen Großteil der Flächen des Gewerbegebiets primär den produzierenden Betrieben zur Verfügung zu stellen. Der geltend gemachte Verfahrensmangel liegt schon deshalb nicht vor, weil das Oberverwaltungsgericht auf den Vortrag der Antragstellerin ausdrücklich eingegangen ist. Es hat dargelegt, dass Großhandelsbetriebe aufgrund ihrer vielfältigen Ausprägungsformen nicht durchweg zu jenen Betrieben gehörten, die aufgrund ihres Störungsgrades typischerweise auf eine Ansiedlung in einem Gewerbegebiet angewiesen seien. Es sei jedoch nicht abwägungsfehlerhaft, wenn die Antragsgegnerin die rechtliche Berechtigung, einzelne Anlagenarten aus städtebaulichen Gründen im Gewerbegebiet auszuschließen, nicht bis zur Grenze einer zulässigen Strukturierung ausgeschöpft habe (UA S. 18). Dass das Oberverwaltungsgericht der Rechtsauffassung der Antragstellerin nicht gefolgt ist, stellt keinen Verfahrensmangel dar.

6 3. Die Rechtssache hat schließlich nicht die grundsätzliche Bedeutung, die ihr die Beschwerde beimisst.

7 3.1 Die von der Antragstellerin als rechtsgrundsätzlich bezeichnete Frage, ob unabhängig von den Anforderungen des Abwägungsgebots ein Verstoß gegen § 1 Abs. 3 BauGB und § 1 Abs. 9 BauNVO 1990 vorliegen kann, wenn nach der planerischen Konzeption sowohl Zentrenschutz als auch Flächensicherung zugunsten störungsintensiver Gewerbebetriebe verfolgt werden sollen, im konkreten Bebauungsplan gleichwohl jedoch Großhandelsbetriebe generell und flächenintensive Einzelhandelsbetriebe auf nicht unerheblichen räumlichen Teilflächen zugelassen werden, ist einer rechtsgrundsätzlichen Klärung nicht zugänglich. Was im Sinne des § 1 Abs. 3 BauGB erforderlich ist, bestimmt sich maßgeblich nach der jeweiligen planerischen Konzeption der Gemeinde (Beschluss vom 11. Mai 1999 - BVerwG 4 NB 15.99 - BRS 62 Nr. 19 S. 96; Urteil vom 17. September 2003 - BVerwG 4 C 14.01 - BVerwGE 119, 25 <31>). Nach den Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts verfolgte die Antragsgegnerin mit der Festsetzung des gegliederten Gewerbegebiets nicht nur das Ziel, Flächen für Betriebe zu sichern, die auf ein Gewerbegebiet angewiesen sind; sie wollte außerdem verhindern, dass die Struktur und der Bestand des Einzelhandels in den vorhandenen oder durch den Flächennutzungsplan ergänzend vorgesehenen Zentren durch die Ansiedlung von Einzelhandelsbetrieben außerhalb dieser Zentren gefährdet werde (UA S. 15). Im Hinblick auf das zuletzt genannte Ziel hat das Oberverwaltungsgericht den Ausschluss nur des Einzelhandels, nicht aber des Großhandels, und auf den mit „A“ bezeichneten Flächen auch nur, soweit er aufgrund des Sortiments nicht, wie z.B. bei Booten, Möbeln und Teppichen, besonders flächenbeanspruchend ist, als gerechtfertigt angesehen. Dass das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen Regelungen über die ausnahmsweise Zulässigkeit von flächenintensivem Einzelhandel in Gewerbegebieten, die nach dem Plankonzept grundsätzlich dem produzierenden Gewerbe vorbehalten werden sollen, nicht als städtebaulich gerechtfertigt angesehen hat (Urteile vom 14. Mai 2004 - 10a D 2/02.NE - NVwZ-RR 2005, 7 und vom 17. Januar 2006 - 10 A 3413/03 - NVwZ-RR 2006, 592), begründet keinen grundsätzlichen Klärungsbedarf. In den vom Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen entschiedenen Fällen war - anders als hier - das Ziel, das Gewerbegebiet dem produzierenden Gewerbe vorzubehalten, der einzige in Betracht kommende Grund zur Rechtfertigung der Festsetzungen.

8 3.2 Die weiteren von der Beschwerde aufgeworfenen Fragen sind auf die Umstände des vorliegenden Einzelfalls zugeschnitten und deshalb einer rechtsgrundsätzlichen Klärung ebenfalls nicht zugänglich.

9 Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, die Streitwertfestsetzung auf § 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 1 GKG.